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Ausgabe:

Juli/August/1996

Spalte:

775–777

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

[Held, Heinz Joachim]

Titel/Untertitel:

Partner der Ökumene. Zeugnisse der Lebensarbeit von Heinz Joachim Held. Hg. von Rüdiger Schloz.

Verlag:

Bielefeld: Luther-Verlag 1993. 433 S., 1 Porträt gr. 8o. ISBN 3-7858-0354-0.

Rezensent:

Günter Krusche

Nachdem in Beiheft 65 der ÖR (Erkunden und Versöhnen. Ökumenisches Arbeitsbuch Heinz Joachim Held zu Ehren, hg. v. H. Vorster und H. Göckenjan) zum 65. Geburtstag das Wirken des langjährigen Leiters des Kirchlichen Außenamtes der EKD, Bischof H. J. Held, bereits gewürdigt worden war, hat Oberkirchenrat Rüdiger Schloz aus Anlaß der Verabschiedung Helds in den Ruhestand Zeugnisse seiner Lebensarbeit zusammengestellt und dadurch nicht nur die Biografie, sondern auch das ökumenische Lebenszeugnis H. J. Helds dokumentiert. H. J. Held (Jahrgang 1928) lehrte seit 1964 an der Luth. Theologischen Hochschule in José C. Paz und wurde 1968 zum Kirchenpräsidenten der Ev. Kirche am La Plata gewählt. 1975 wurde er zum Präsidenten des Kirchlichen Außenamtes in Frankfurt Main), seit 1986 mit Sitz in Hannover, berufen. Darüber hinaus war er tief mit der ökumenischen Bewegung verbunden, seit 1968 (Uppsala) Mitglied des Zentralausschusses des ÖRK, von 1983 (Vancouver) bis 1991 (Canberra) dessen Vorsitzender.

Die Auswahl der Beiträge orientiert sich an den Wirkungskreisen und Verantwortungsbereichen des Gewürdigten: Am La Plata (15-57), Ökumene (61-143), im Dialog mit der Orthodoxie (147-253), Auslandsarbeit (257-294), Nachfolge - Exegetisches und Systematisches (297-382), Predigten (385-433).

Das ökumenische Wirken H.s umfaßt einen Zeitraum, der für die Ökumene überaus bedeutsam war:

(1) Die Kirchen der Dritten Welt begannen in den sechziger Jahren verstärkt, um ihre Eigenständigkeit zu ringen. Das bedeutete für die deutschstämmige lutherische Kirche am Rio de la Plata ein radikales, ja schmerzhaftes Umdenken. So befassen sich die Beiträge in diesen Abschnitten mit dem Thema der Kontextualisierung, der "Sprachenfrage", der ökumenischen Zusammenarbeit. "Zwischen Herkunft und Zukunft" mußte diese Kirche, deren Glieder selbst aus unterschiedlichen konfessionellen Traditionen stammten, ihren Weg suchen.

(2) In der ökumenischen Bewegung brachten die Jahre nach der IV. Vollversammlung in Uppsala einen sozialethischen Aufbruch; die Themen des Rassismus, der Entwicklung, der Weltarmut und des Kampfes um soziale Gerechtigkeit bestimmten die Tagesordnung. Das Antirassismusprogramm mit dem umstrittenen Sondersfonds riß in der EKD tiefe Gräben auf. H. versuchte redlich, zwischen Befürwortern und Kritikern zu vermitteln. In einem Aufsatz von 1980, "Unbequeme Bilanz" (73-80), redete er seiner EKD ins Gewissen. Keinen Zweifel ließ er schon damals (1980) an der bleibenden Aufgabe des Kampfes gegen den Rassismus im eigenen Lande (80). In der Berichterstattung über die VI. Vollversammlung 1983 in Vancouver, die den Konziliaren "Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung" auf den Weg brachte, betonte er die "Interdependenz zwischen ,Einheit der Kirche' und ,Friede und Gerechtigkeit'" (81-101). Zwischen weltfremder Bekenntnisbindung und politisierender Kirche gelte es, einen ganzheitlichen Ansatz zu finden und das Einheitsstreben mit dem Dienst für die Gerechtigkeit zu verbinden (86 ff.). Von bleibender Bedeutung ist auch der Überblick, den er "40 Jahre nach Amsterdam" (1988) über den Stand der Ökumene gab (102-107). Seine dort vorgenommenen "Ökumenischen Markierungen" sollten im Vorfeld der Vorbereitung des fünfzigsten Jahrestages 1998 Beachtung finden. H. bezieht sich unter der bleibenden Frage nach der Einheit der Kirche "auf die Berufung der Kirchen zur Solidarität mit den Armen und auf die Herausforderung des Evangeliums zum Miteinanderteilen" (104) Er besteht auch auf einem ganzheitlichen Missionsverständnis und fordert in dem Bericht über die X. Weltmissionskonferenz in San Antonio (1989) ein neues, "von der Schöpfung Gottes ausgehendes Nachdenken über die Weltverantwortung der Christen" (108-117). Eine gründliche und freimütige Bestandsaufnahme der ökumenischen Bewegung vermittelt der Rechenschaftsbericht, den er als Vorsitzender des Zentralausschusses in Canberra 1991 auf der Vollversammlung erstattete (118-143).

(3) Es folgen Beiträge zum "Dialog mit der Orthodoxie". Besondere Beachtung verdienen zwei bisher unveröffentlichte Vorträge über den Dialog mit der ROK: a) "Neubeginn in der Kraft des Evangeliums. Zu den Anfängen der Beziehungen zwischen der EKD und der ROK nach dem Zweiten Weltkrieg", Vortrag auf der Internationalen Kirchlichen Wissenschaftlichen Konferenz, Kiew 1986. (153-167); b) "Schritte und Markierungen auf dem Weg der zwölf Arnoldshain-Gespräche (Eine Zwischenbilanz)", Bad Urach 1992 (168-222). Die Bilanz ist in vier Abschnitte gegliedert: I. Prägende Anfänge, II. Markierungen, III. Schritte und Erkenntnisse, IV. Theologische Ortsbestimmung: Hier sind alle wichtigen Probleme aufgeführt, die bis heute die Diskussion bestimmen: Schrift und Tradition, Wort und Sakrament, Rechtfertigung aus Glauben, Taufe und neues Leben, Eucharistie und Opfer, Heiligung und die Heiligen. Ernüchternd ist H.s Bilanz: "Wir stehen nicht mehr am Anfang, aber immer noch in den Anfängen des Weges zueinander als Kirchen" (221).

(4) In einem weiteren Abschnitt werden Themen der Auslandsarbeit, die ja nicht unumstritten ist, erörtert, aber auch die Nachrufe auf Martin Niemöller (257 ff.) und Adolf Wischmann (261 ff.) sind es wert, dem Vergessen entrissen zu werden. Die Forderung nach "ökumenischer Partnerschaft" der deutschen Auslandsgemeinden der EKD ist bis heute unabgegolten.

(5) Zu danken ist dem Hg., daß er nicht versäumt hat, exegetische und systematische Beiträge H.s in die Auswahl aufzunehmen. Seit seiner ntl. Dissertation "Matthäus als Interpret der Wundergeschichten" (1957) hat sich H. immer wieder mit der Auslegung der Bibel befaßt, die ihm Antworten auf drängende ökumenische Fragen gab, z.B. "Forderungen des Evangeliums. Ntl. Gedanken zum Thema der Gerechtigkeit in der ökumenischen Debatte" (350 ff.) oder "Das Evangelium für die Armen - gepredigt den Reichen. Kontextuelle Auslegung des Lk.-ev." (361 ff.).

(6) Abschließend werden ausgewählte Predigten vorgestellt, die H. als Prediger ausweisen, der sich exegetischer Genauigkeit wie aktueller Situationsbezogenheit verpflichtet weiß. Immer wieder (aber nicht nur in den Predigten) leuchtet die Dimension der christlichen Liebe auf, die für H. persönlich und theologisch, in der Hinwendung zu den Nöten der Menschen wie im Achthaben auf die ökumenische Gemeinschaft entscheidend war und ist.

Schließlich muß man dem Hg. für die selbstlose Arbeit danken, die über die persönliche Würdigung dieses "Partners der Ökumene" hinaus entscheidende Jahrzehnte der ökumenischen Bewegung dokumentiert. Allen denen, die sich der Ökumene verbunden fühlen, sei daher dieses Buch zur Lektüre empfohlen.