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Ausgabe:

Mai/1996

Spalte:

457–461

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wagener, Ulrike

Titel/Untertitel:

Die Ordnung des "Hauses Gottes". Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe.

Verlag:

Tübingen: Mohr 1994. X, 291 S. gr.8o = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe, 65. Kart. DM 88.-. ISBN 3-16-146304-8.

Rezensent:

Dieter Sänger

Die Diskussion darüber, welchen Beitrag Frauen zur Entwicklung frühchristl. Gemeinden geleistet haben und wie die Konsequenzen aussehen, die ntl. Schriften aus dem christlichen Glauben für Frauen ableiten, stößt auf ein zunehmend breiteres Forschungsinteresse. Angesichts einer als defizitär bemängelten, weil primär aus männlicher Perspektive erfolgten Quelleninterpretation haben sich vor allem Exegetinnen die Aufgabe gestellt, Bausteine für eine umfassend angelegte "frühchristliche Frauengeschichte" (B. J. Brooten) zusammenzutragen. Trotz mancher Vorbehalte, die sich mit der Alternative androzentrisch fixierte Exegese versus feministische Auslegung biblischer Texte verbinden, läßt sich m.E. kaum bestreiten, daß eine frauenspezifische Wahrnehmung und Wertung der im NT dokumentierten historischen und theologischen Prozesse Einsichten zutage fördert, denen bislang nicht oder nur ungenügend Rechnung getragen worden ist. Dies gilt auch für die Rückfrage nach dem Ursprung der zumeist unter Ausschluß der Frauen etablierten Ämter- und Machtstrukturen in der Kirche. Deren Anfänge reichen bis in die christliche Frühzeit zurück. Insofern enthält jede auf den ntl. Quellen basierende Erforschung des theologischen Argumentationsarsenals, mit dem die Dominanz des Mannes legitimiert wurde, einen höchst aktuellen Bezug. Zugleich verweist dessen spätere kanonische Fixierung einmal mehr auf das nach wie vor bestehende Defizit bei der Integra-tion exegetischer Erkenntnisse in den theologischen und kirchlichen Reflexionsprozeß.

Ihn zu fördern ist ein Ziel der hier anzuzeigenden Studie, mit der W. ihre im WS 1992/93 von der Evang.-Theol. Fakultät Münster angenommene und für den Druck überarbeitete Dissertation vorlegt. Die Vfn. will einen weiteren Beitrag zur Rekonstruktion frühchristlicher Frauengeschichte leisten, indem sie "nach dem Leben und Glauben von Frauen, ihren Partizipationsmöglichkeiten und -einschränkungen in jenen christlichen Gemeinden fragt, an die sich die Pastoralbriefe richten" (1). Die Past bieten sich vor allem deshalb an, weil sie das mit Hilfe der Metapher "Haus Gottes" formulierte Verständnis von Gemeinde (vgl. 1Tim 3,14 f.) unmittelbar verknüpfen mit konkreten "Anweisungen für das Verhalten und die angemessene Rolle von Frauen" (2), sie also in besonderer Weise Ekklesiologie, Ethik und Frauenparänese aufeinander beziehen.

Nach einleitenden Bemerkungen über Thema, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung (1-3) folgen zunächst Überlegungen zum pseudepigraphen Charakter und zur literarischen Form der Past (3-14): Von den drei gegen Ende der 1. Hälfte des 2. Jh.s in Kleinasien verfaßten Schriften gehört der Tit gattungsgeschichtlich der Testamentenliteratur an. Hingegen sind 1/2Tim konzeptionell den "Instruktionen an weisungsbefugte Amtsträger" nachgebildet, vergleichbar etwa den Mandata Principis an die Provinzstatthalter Roms (12).

Im Anschluß an D. R. Macdonald (The Legend and the Apostle, 1983) geht W. davon aus, daß der hinter der Gestalt des Paulus sich verbergende Autor hauptsächlich von Frauen vertretene Tendenzen (sexuelle Askese, weibliche Predigt- und Lehrtätigkeit) bekämpft, deren Trägerinnen sich wahrscheinlich auf den Apostel berufen haben. Diese Annahme stützt sich auf auffällige Gemeinsamkeiten zwischen den Past und den Acta Pauli, die in diesen Punkten innerhalb der von beiden rezipierten pln. Personaltradition besteht. Der Autor der Past hat diese inhaltlich von ihm abgelehnte "Legendentradition" gekannt (vgl. 1Tim 4,7) und zum Anlaß genommen, mit Hilfe fiktiv gewonnener apostolischer Autorität nun seinerseits "ein Gegenbild des Paulus sowie eine an den vorherrschenden gesellschaftlichen Normen orientierte Ethik zu etablieren" (9). M.a.W., die pseudepigraphische Gestaltung der Past dient dazu, einen (aus der Sicht ihres Vf.s von Frauen ausgelösten) innergemeindlichen Konflikt zu entscheiden.

Den Kern der Untersuchung bilden detaillierte exegetische und sozialgeschichtliche Analysen von 1Tim 2,9-3,1a (Teil II [67-113]) und 1Tim 5,3-16 (Teil III [115-233]). Beide Abschnitte spielen für W. eine zentrale Rolle, weil sie im Kontext der sog. Haus- bzw. Ständetafeln stehen, die das Verhalten im christlichen oikos, d.h. der Gemeinde, regeln (2.15). Während 1Tim 2,9-3,1a die angemessene Position von Frauen im Gottesdienst thematisiert, enthält 5,3-16 Bestimmungen für das Amt der Gemeindewitwe. Den Analysen ist eine ausführlich geratene kritische Sichtung der neueren Forschung zu den Haus- und Ständetafeln vorgeschaltet (Teil I [15-65]). Dieser über die Past hinausgreifende Schritt besitzt für W. erhebliches sachliches Gewicht, da sich aus seinem Ertrag die grundlegende Fragestellung für die eigentlichen exegetischen Untersuchungen ergibt. Zu klären ist also, ob und inwieweit die im NT außerhalb der Past begegnenden Haustafeln bzw. Ständeparänesen (Kol, Eph, 1Pt) und das für die Past eigentümliche oikos-Modell eine innere, im Blick auf den Ursprung und die literarische Entwicklung der Gattung auch traditionsgeschichtlich zu vermittelnde Beziehung aufweisen oder nicht. Eine konzentrierte Zusammenfassung sowie kritische Wertung der Ergebnisse beschließen die Arbeit (Teil IV [235-245]).

Als Fazit des forschungsgeschichtlichen Durchgangs skizziert W. ihren eigenen Lösungsansatz, der entscheidende Impulse aus den zuvor referierten Positionen aufnimmt und zu integrieren sucht. Die Vfn. bejaht die grundsätzliche Bedeutung des ökonomischen Schrifttums als Hintergrund der ntl. Haustafeln. Als Gattungsbezeichnung ist der Terminus Haustafel jedoch auf Kol 3,18-4,1/Eph 5,22-6,9 zu beschränken. Demgegenüber weisen die an bestimmte Gruppen gerichteten Ermahnungen in den Past - ähnlich wie in 1Pt 2,13-3,7 - signifikante formale und inhaltliche Differenzen auf. Sie sind Ständeparänesen und "bilden... mit den ,Amtsspiegeln' und liturgischen Anweisungen die integralen Bestandteile der Gemeindeordnung" der Past (62). Das allen genannten Texten gemeinsame, aus einer Abfolge von vier Elementen bestehende "Ständetafelschema" ist weder ein Spezifikum paganer noch christlicher noch auch jüdisch-hellenistischer Literatur. Es entstammt vielmehr griechisch-weisheitlicher Tradition und gehört generell zur Grundstruktur vergleichbarer paränetischer Texte (39-42). Aus dem bloßen Vorkommen dieses Schemas lassen sich direkte überlieferungsgeschichtliche Zusammenhänge demnach nicht herleiten. Scheidet eine kontinuierliche innerchristliche Entwicklungslinie von Kol/Eph über den 1Pt bis hin zu den Past aus, muß mit einer unterschiedlich verlaufenen Rezeption paganer Literatur gerechnet werden. Während Kol/Eph "aus dem Spektrum damaliger sozialethischer Stellungnahmen" eine "ge-mäßigte Mittelposition übernommen" haben, weisen die in mancher Hinsicht mit 1Pt verwandten Paränesen der Past (1Pt 2,13-3,7/Tit 2,1-10; 1Pt 3,1-7/1Tim 2,8-15) eine Präferenz für "die konservativeren Positionen der zeitgenössischen Debatte" auf (63). Der hier zutage tretende "sozialethische Richtungsstreit" wird von W. als ein innerkirchlicher gedeutet, so daß der noch erkennbare Entwicklungsprozeß als "Zunahme des autoritären Elements in der Kirche" zu verstehen ist. Da die Vfn. eine ausgeführte oikos-Ekklesiologie erst in den Past findet, die sich zudem durch die enge Verschränkung von patria potestas und beginnendem Monepiskopat auszeichnen, stellt sich nun die Frage nach Ursache und Funktion dieser ekklesiologischen Konzeption mitsamt ihrer "hierarchischen Strukturierung der Gemeinde" (65). Antwort: "Die oikos-Ekklesiologie der Pastoralbriefe (muß) auf dem Hintergrund eines Interessenkonflikts zwischen Männern und Frauen verstanden werden... Sie spiegelt eine Konkurrenz um kirchliche Führungspositionen wider, in der die Erhebung des ÔrÎÔ zur ekklesiologischen Leitmetapher eine Strategie männlicher Führungsschichten darstellt, Frauen aus solchen Leitungsfunktionen auszuschalten" (65, vgl. 236). Der Begründung dieser am Ende von Teil I vorweggenommenen These dienen die exegetischen Einzelanalysen in den beiden folgenden Hauptabschnitten.

Aus ihnen ergibt sich für 1Tim 2,9-3,1a: Der in einen exhortativ-paränetischen (2,9-12f.) und einen indikativisch-thetischen (2,13-15) Teil gegliederte Abschnitt verknüpft in seinem ersten zwei verschiedene Traditionen miteinander. Der Schmucktopos (2,9 f., vgl. 1Pt 3,3-5) entstammt popularphilosophischer Ethik. Er lag dem Autor in Form jüdischer oder judenchristlicher Adaption bereits vor (85 f. 88 f.), wurde von ihm aber unter Rückgriff auf hellenistische Tugendbegriffe reinterpretiert, wobei vor allem Motive der neupythagoreischen Frauenspiegel eingewirkt haben. Das Lehrverbot 2,11 f. repräsentiert die gleiche Tradition wie die für Frauen bestimmte (interpolierte) Gottesdienstregel 1Kor 14,33b-36, zielt jedoch in eine andere Richtung. Formal und inhaltlich orientiert sich die Paränese in 2,11 f. am Kontrast "Lehren-Lernen", der mit dem von "Herrschaft-Unterordnung" gleichgesetzt wird. Die beiden ursprünglich selbständigen Überlieferungen (2,9 f. 11 f.) werden vom Autor der Past durch Aufnahme frühjüdischer Auslegungen der jahwistischen Schöpfungs- und Paradiesgeschichte (Gen 2 f.) miteinander verschränkt und intentional einander angeglichen. Mit der Ersterschaffung Adams (2,14) begründet er das Lehrverbot, mit der - im Judentum ebenfalls schon präformierten - erotischen Deutung von Gen 3 die Schmuckpolemik (104-106.110). Die Betonung gerade dieses Topos gilt W. als Beleg dafür, daß der Autor sich gegen den Anspruch wohlhabender, damit zugleich wirtschaftlich unabhängiger Frauen wendet, in den hier adressierten Gemeinden selbständig Lehrfunktionen wahrzunehmen. Indem 2,9 die im rezipierten Traditionsgut bereits angelegte sexualisierende Interpretation der alten Tugendbegriffe kosmos, aidos, sophrosyne (78-82) aktualisiert und sie der späteren Heilsaussage (2,15) kontrastiert, reduziert der Autor die Frauen im positiven (2,15: Mutterrolle) wie im negativen Sinn (2,14: Verführung) auf ihre Geschlechtlichkeit, um sie "aus der aktiven Teilhabe an zentralen Funktionen der Kirche" zu verdrängen (112). Erwünscht sind lediglich ihre materiellen Leistungen ("gute Werke", 2,10) zugunsten sozial Schwächerer (86-88.113). Diese als "restriktiv" charakterisierten Anweisungen beziehen ihre Stoßkraft aus der Übertragung des Haus-Modells auf die Gemeinde als dem oikos theu. Ihm kommt damit über seine Funktion als ekklesiologische Metapher die Bedeutung zu, die "Beziehungen in der Gemeinde faktisch (zu) strukturieren" (113). Analog zur Oikos-Konzeption in der Ökonomik, die nur den Mann als oikodespotes anerkennt, bleibt auch das Lehr- und Leitungsamt dem Mann, d.h. dem Amtsträger, vorbehalten. Die Frau hat sich im Raum der Kirche mit der Rolle der Untergeordneten zu begnügen.

1Tim 5,3-16 zieht diesen Ansatz weiter aus. Der zwar nicht literarisch, aber aufgrund seiner Adressaten (die "anerkannten Witwen", 228) bis auf den interpolierten V.16 thematisch einheitliche Text gehört zur Gattung der Amtsspiegel (170). Vorhandene Spannungen und Brüche resultieren aus der planvollen Umgestaltung des verarbeiteten Traditionsmaterials. Den Hintergrund der Witwenregel bildet ein in atl. Motivik wurzelnder, im hellenistischen Judentum jedoch stark modifizierter asketisch-charismatischer Witwenbegriff. Kennzeichnend für ihn ist das intensive, sich vornehmlich im Gebet manifestierende Got-tesverhältnis der Witwe (5,5), das ihren bes. religiösen Status sichert (127-143). Die vorredaktionelle Traditionsstufe teilt dieses Verständnis, enthält aber in 5,3.9.11 f. schon erste Ansätze zur Institutionalisierung des Witwenamtes (165-169). Der thematische Bezug von 5,6 zur Reichenparänese in 6,17 läßt darauf schließen, daß die hier angesprochenen Frauen begütert waren (155-161.199). Es handelt sich um denselben Kreis wie in 2,9 ff. Neben den Witwen im eigentlichen Sinn (5,4.8) zählten zu ihm auch jüngere, unverheiratete Frauen (5,11). Aus ihrem am Typos des asketischen Witwenamtes ausgerichteten Selbstverständnis leiteten sie Aktivitäten ab, die der Autor scharf tadelt (5,13), indem er sie in einen häretischen Kontext einordnet (200-211). Er attackiert vor allem die ethischen Voraussetzungen (sexuelle Askese) und ekklesiologischen Konsequenzen (selbständige religiöse Betätigung in der Gemeinde), die diese Christinnen mit dem Witwenamt verbinden. Seine in 5,14 propagierte eigene Leitvorstellung interpretiert W. als eine auf der oikos-Konzeption basierende "Stabilisierungsstrategie" (231). Mit ihr verwehrt er allen Frauen den Zugang, die aufgrund ihrer Familiensituation weiterhin häusliche Pflichten haben (5,4) oder bei denen sie aus Altersgründen noch zu er-warten sind (5,11), wodurch die Anzahl potentieller Kandidatinnen bewußt reduziert wird. Zugleich zwingt er die Frauen in die "hierarchischen Strukturen des traditionellen Hauses" (239). Ihnen steht das Witwenamt und mit ihm die ehrenvolle "Partizipation an gemeindeamtlichen Funktionen" (231) erst dann offen, wenn sie ihre vorgeschriebene Rolle als Ehefrau, Hausverwalterin und Mutter erfüllt haben. Nach dieser Konzeption sanktioniert die Einpassung der Witweninstitution in das oikos-Modell geradezu die Werte und Normen, auf denen es beruht. Die Zustimmung zu ihnen erhält den Rang einer unverzichtbaren "Zugangsvoraussetzung" (239). Im Ergebnis wird dem Witwenamt, und zwar im ausdrücklichen Gegensatz zu seiner ursprünglichen Funktion, auch im Unterschied zum (männlich besetzten) Bischofs- und Diakonenamt (vgl. 3,1.13), abgesprochen, aus sich selbst heraus Prestige und einen geachteten Status zu vermitteln (230.232).

W. nennt im wesentlichen zwei Gründe, die den Autor der Past zu dieser frauenfeindlichen Gegenstrategie geführt haben. 1. Die auf Integration angelegte oikos-Konzeption zeigt, daß er die gesellschaftlichen Normvorstellungen der paganen Umwelt teilt. Er macht sie sich zunutze, um seine christlichen Gegnerinnen zu bekämpfen (vgl. 5,14b). "Der Rekurs auf die Außenstehenden wird funktionalisiert für die Auseinandersetzung im Inneren" (217). M.a.W., die Paränese steht im Dienst der innergemeindlichen Polemik. 2. Im NT stellen die Past das erste Beispiel dar für die Ambitionen "männliche(r) Führungsschichten", sich als "autoritatives Gegenüber zur Gemeinde" zu etablieren (243 f.). Indem die Gemeinde dem oikos analog gesetzt wird, entwickelt der Herrschaftsanspruch der kirchlichen Amts-träger eine eigene Dynamik. Sie ist nun identisch mit der des weltlichen Hausherrn über seinen Oikos (231 f.), mithin hierarchisch abgesichert.

Die engagiert geschriebene Arbeit ist ein Gewinn nicht nur für die ntl. Frauenforschung. Die Argumentation ist präzise und behält trotz ihrer Konzentration auf die untersuchten Textsegmente die Past als Ganze im Blick. Hervorzuheben ist außerdem, daß thematisch parallele oder gegenläufige Entwicklungen in der frühchristlichen Theologie- und Kirchengeschichte zur Profilierung der erzielten Ergebnisse mit einbezogen werden. Erfreulich finde ich, daß die Vfn. bei aller notwendigen (!) Kritik am Konzept der Past dem schlechten Beispiel ihres Autors nicht folgt und sich ihm gegenüber Polemik erspart. Aus Raumgründen beschränke ich meine Anfragen auf zwei Punkte.

1. Reichen die Kriterien aus, mit denen W. eine traditionsgeschichtliche Kontinuität zwischen den Haustafeln des Kol/Eph und den Ständeparänesen des 1Pt sowie der Past verneint? Streng genommen gehen ja auch die Haustafeln von Kol/Eph über den privaten Bereich hinaus, so daß man zumindest schon von einem Ansatz hin zur Ständeparänese sprechen kann. Die Differenz zu denen des 1Pt oder auch der Past fällt dann geringer aus. Daß im 1Pt oder Tit einzelne (Haus-)Gruppen fehlen, besagt angesichts des vergleichbaren Befundes im ökonomischen Schrifttum nicht viel, zumal dieses mehrheitlich an den privaten Oikos adressiert ist. Ob hier die Alternative Kontinuität/Diskontinuität dem komplexen Befund gerecht wird, ist m.E. auch nach den Ausführungen der Vfn. nicht entschieden (vgl. jetzt H.v. Lips, NTS 40, 1994, 261-280). 2. Die Plausibilität des sich hinter 1Tim 5,3 ff. verbergenden Konflikts hängt wesentlich davon ab, ob in 5,5 wirklich ein im hellenistischen Judentum ausgebildeter Topos von der asketisch-charismatischen Witwe zum Vorschein kommt, an den das vom Autor bekämpfte Witwenamt anknüpfen konnte. Die von W. herangezogenen Beispiele Esther und Aseneth sind jedoch schwerlich überzeugend. Beide Frauen sind ebensowenig Witwen wie dauerhaft einsam oder asketisch lebend. Auf der Existenz dieser von der Vfn. angenommenen überlieferungsgeschichtlichen Linie gründet aber nicht zuletzt ihre historische Situationsanalyse.

Ungeachtet dieser Anmerkungen steht für mich außer Zweifel, daß W.s Studie das Verständnis der Past erheblich fördert. Zudem ist sie gerade in der gegenwärtigen kirchlichen Situation (s. das sog. Kirchenvolksbegehren) von hoher Aktualität. Es wäre zu wünschen, daß sie über den Kreis der exegetischen Fachkolleginnen und -kollegen hinaus von all denen zur Kenntnis genommen wird, denen daran gelegen ist, die bisher dominierende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in Theologie und Kirche von den ntl. Quellen aus einer kritischen Revision zu unterziehen.