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Ausgabe:

Juni/1996

Spalte:

552

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lövestam, Evald

Titel/Untertitel:

Jesus and 'this Generation'. A New Testament Study. Transl. by M. Linnarud.

Verlag:

Stockholm: Almquist & Wiksell Intern 1995. 130 S. gr.8o. SEK 132.-. ISBN 91-22-011668-6.

Rezensent:

Marius Reiser

Jesu merkwürdige Anrede seiner Adressaten als "dieses Geschlecht" und ähnliche Redewendungen haben eine eigene Untersuchung zweifellos verdient. Der Vf. gibt zunächst einen Überblick über den Gebrauch im AT, im frühjüdischen und im rabbinischen Schrifttum. Dort wird mit den entsprechenden Ausdrücken vor allem das als "abtrünnig, verkehrt" o. ä. charakterisierte "Geschlecht der Flut" und das "Geschlecht der Wüste" apostrophiert. Dabei ist es auffällig, daß Noach, Mose und andere nicht zu diesem "Geschlecht" der Zeitgenossen gezählt werden, sondern ihm gegenübertreten. Dies ist offensichtlich der Hintergrund der ntl. Redeweise und erklärt auch, warum sie vor allem im Zusammenhang mit Gerichtsworten auftritt. Der Vf. behandelt nacheinander alle ntl. Texte, in denen entsprechende Wendungen begegnen, und leuchtet deren Assoziationshintergrund aus. Da sie, ähnlich wie der Ausdruck "Menschensohn", fast ausschließlich in den synoptischen Evangelien und dort stets im Munde Jesu begegnen, betrachtet sie der Vf. als authentischen Ausdruck des Selbstverständnisses Jesu. Dieser verstand sich als der verheißene Erlöser der Endzeit; er war überzeugt, daß sich an der Stellung zu ihm das endgültige Schicksal der Menschheit (the final fate of mankind) entscheide (103). Darin ist dem Vf. zweifellos zuzustimmen. Aber es ist doch bedauerlich, daß er im Fall der einzelnen Logien die Authentizitätsfrage nie stellt. Kann man ein Logion wie das Doppelwort von der Südkönigin und den Niniviten (Lk 11,31 f. par) ohne weiteres auf eine Stufe stellen mit Jesu Seufzer in der Szene mit dem epileptischen Knaben (Mk 9,19 parr) und den eschatologischen Worten in Mk 8,38 und Lk 17,22-37? Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß die Rede von "diesem Geschlecht" zwar auf Jesus selbst zurückgeht, die Rede von "diesem verkehrten, ungläubigen (etc.) Geschlecht" dagegen eine nachösterliche Erweiterung darstellt. Leider hat der Vf. die Frage gar nicht gestellt. Auch den Vergleich mit dem rabbinischen Befund hätte man sich noch präziser gewünscht. Hat es etwas zu bedeuten, daß die Rabbinen zwar über "das Geschlecht der Flut" und "der Wüste" und ihr eschatologisches Schicksal reden, aber die aktualisierende Rede von "diesem Geschlecht" als dem Geschlecht ihrer Zeitgenossen nicht zu kennen scheinen? Die angezeigte Untersuchung stellt somit eine nützliche Materialsammlung und erste Auswertung dar, kann aber noch weitergeführt werden.