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Ausgabe:

Juli/August/1996

Spalte:

665 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Landis, Stephan

Titel/Untertitel:

Das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern. Am Beispiel von Mt 8,5–13; Lk 7,1–10; Jo 4,46–54.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1994. IX, 76 S. gr. 8o = Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, 74. Lw. DM 48,-. ISBN 3-11-014389-5.

Rezensent:

Prof. Dr. Jürgen Becker

Es ist ungewöhnlich, daß eine Akzeßarbeit veröffentlicht wird. Doch diese von H. Weder in Zürich betreute verdient die Publizierung, weil sie mit ihrer methodischen Sorgfalt und Konsequenz besticht. Sie behandelt zudem ein Problem, das zur Zeit wieder breit diskutiert wird. Nachdem nämlich die dem gleichen Thema gewidmete Arbeit von P. Gardner-Smith (1938) der These, das vierte Evangelium sei von den Synoptikern unabhängig zu einer Art Siegeszug verholfen hatte, ist es vor allem in jüngster Zeit den Löwenern J. Konings, F. Neirynck, M. Sabbe und A. Denaux gelungen, die literarische Abhängigkeitsthese erneut ins Spiel zu bringen. Daraufhin entspann sich eine lebhafte Diskussion. Parallel und unabhängig zu St. Landis erschien jüngst zum gleichen Thema, jedoch bei der Textauswahl breiter angelegt, die Dissertation von J. Dunderberg: Johannes und die Synoptiker (1994).

Wer nicht zu denen gehört, die in diesem Problemfeld spezialistische Kenntnisse besitzen, wird sich fragen, warum die Diskussion um diese Abhängigkeit überhaupt so kontrovers geführt wird und nicht zur Ruhe kommen will. Das liegt vor allem an zwei Entscheiden, nämlich welchen der im großen und ganzen bekannten Beobachtungen man welche Beweiskraft zuspricht und wie man über die Diachronie der zu vergleichenden Texte urteilt. Im ersten Fall stellt L. die These auf: "Die Frage der literarischen Abhängigkeit des Johannes von den Synoptiker entscheidet sich am ehesten am Vorkommen oder Fehlen redaktioneller synoptischer Elemente bei Johannes (2, Hervorhebung von mir). Es ist kein Zufall, daß J. Dunderberg (27 f.) ebenfalls hier einen entscheidenden Schwerpunkt seiner Argumentation sieht, denn diese Qualifizierung der quantitativen Beobachtungen war schon vorher angeregt worden. Beide Autoren gehen im übrigen auch in der anderen Grundfrage gemeinsame Wege, nämlich daß Synoptiker und Johannes jeweils unter den Bedingungen ihrer je eigenen Diachronie zu vergleichen sind. Ich denke, diese beiden Grundentscheide sollten sich durchsetzen. Jedenfalls gilt, erst wenn in diesen Grundentscheiden Konsens erzielt ist, wird die Streubreite der Positionen auf ein begrenztes Maß reduziert werden können.

L. vergleicht nun nicht die Evangelien im ganzen, sondern greift sich Mt 8,5- 13; Lk 7,1-10; Jo 4,46-54 als Einzelfall heraus. Das ist bei Licht betrachtet, eine schmale Textbasis. Doch widersteht L. der Versuchung, die Ergebnisse zu pauschalisieren, und kann umgekehrt die Verhältnisse dieses jo Erzähltextes, dem mit Recht immer eine besondere Synoptikernähe zuerkannt wird, differenziert beschreiben. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, daß keine der redaktionellen Tätigkeiten bei Mt und Lk eine Entsprechung bei Jo gefunden haben. Damit ist für diesen Fall keine literarische Abhängigkeit des vierten Evangelisten von einem der Synoptiker vorhanden (71). Dasselbe gilt auch von der jo Zeichenquelle, für die sich L. mit Recht einsetzt: Sie hat in diesem Fall weder einen der Synoptiker, noch die Logienquelle, noch das lk Sondergut literarisch verarbeitet.

Doch beläßt es L. nicht bei diesem Vergleich und seinem mehr formalen Ergebnis. Ihm liegt vielmehr daran, die einzelnen Erzählstrata theologisch mit ihren verschiedenen Erzählintentionen zu bestimmen. Dabei stellt sich ein beachtenswertes Ergebnis ein: Für L. haben sich in jo Überlieferung "die Konturen der alten Wundergeschichte wesentlich getreuer bewahrt als" in den "synoptischen Traditionen" (71).

Die Anfragen des Rez. richten sich eigentlich nur auf den Bereich des Filigranen und gehören darum nicht in diese Rezension. Doch sei die Bitte gestattet, daß man auch in Zürich die dritte "überarbeitete Auflage" meines Johanneskommentars (1991) benutzen möchte.