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Ausgabe: | November/1998 |
Spalte: | 1077–1079 |
Kategorie: | Bibelwissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Görg, M. u. B. Lang [Hrsg.] |
Titel/Untertitel: | Neues Bibel-Lexikon. Lfg. 11: Obadja-Qudschu. |
Verlag: | Zürich-Düsseldorf: Benziger 1997. 224 Sp. 4. Kart. DM 39,80. ISBN 3-545-23062-7. |
Rezensent: | Rainer Stahl |
Seit Ende 1997 liegt die 11. Lieferung des Neuen Bibel-Lexikons vor. Mit ihr wird das bisherige Niveau der Arbeit in großartiger Weise fortgeführt. Ich hebe in dieser Anzeige und Rezension wieder entscheidende Artikel hervor.
G. Gafus und M. Staszak geben eine knappe und informative Übersicht über die aktuellen Einsichten zum "Obadja (Buch)" (1-3). Sie rücken die Entstehung der anti-edomitischen Motivik von konkreten Vorgängen des Jahres 587 v. Chr. eher ab und ordnen die Entstehung dieser Sammlung dem Arabienfeldzug des Nabonid 553/2 v. Chr. zu, bei dem die Eigenstaatlichkeit Edoms beendet worden war.
K. Bieberstein gibt einen guten Überblick zu den topographischen und literarischen Aspekten zum "Ölberg" (7-10). Wichtig ist der Hinweis auf die christlichen Ortstraditionen und ihre Verfestigung in Kirchenbauten.
Das grundlegende Problemfeld "Offenbarung" wird von B. Lang und J. Zmijewski dargestellt (10-20). Das vielfältige alttestamentliche Material wird unter der Rubrik "Arten von Offenbarung" als "Divination", "Inspiration", "Hierophanie", "Epiphanie" und "Theophanie" begriffen, wovon dann die drei letzten Kategorien noch eigens dargestellt werden: "Hierophanie und Natur", "Epiphanie und Geschichte" und "Theophanie und Wort". "Priesterliche" und "prophetische" Offenbarung sind dann die beiden Möglichkeiten bei Theophanie und Wortoffenbarung. Überlegungen zur "Herkunft" und zu "historischen Wandlungen" beschließen den alttestamentlichen Teil. Die Notwendigkeit der Systematisierung ist deutlich als Problem greifbar, wurde aber überzeugend gelöst. Zum neutestamentlichen Material werden allgemeine Beobachtungen formuliert, bevor Paulus und Johannes eigene Abschnitte gewidmet werden.
J. Kügler gibt die notwendigen Informationen zur "Offenbarung des Johannes" (21-25). Sie wird in die Zeit des Domitian (81-96) datiert und als "Untergrundliteratur" begriffen. Sehr instruktiv ist die Darstellung des "zeitgeschichtlichen Hintergrunds". Am Ende steht eine überzeugende Grunddeutung: "... die O. [ist] zweifellos politische Theologie in antiker Fassung. Die Visionen des Profeten dürfen nicht fundamentalistisch als endzeitlicher Fahrplan der Weltgeschichte mißverstanden werden. Sie stellen vielmehr eine radikale Kritik der Lebenswelt der angeschriebenen Gemeinden dar. Was sich ihnen als geschichtliche Macht mit göttlicher Legitimation ausgibt, wird als absolut nichtig und widergöttlich entlarvt." Von daher ist immer wieder "die Überwindung dessen zu denken, was sich als unüberwindbar sieghaft darstellt" (25).
Warum wird in diesem Artikel "Profet, Profetie, profetisch" geschrieben? Das entspricht nicht den diesbezüglichen Artikeln "Prophet" usw. (172 ff.).
B. Janowski und K. Backhaus haben den Artikel "Opfer" verfaßt (36-43), B. Janowski auch den folgenden "Opfermahl" (43-46). Die vielfältigen institutionellen Aspekte und geschichtlichen Etappen werden überzeugend erfaßt und dargestellt. Zukünftige Arbeitsfelder dürften die "Soziologie/Sozialgeschichte des israelitischen O.s ... bzw. sozialanthropologisch orientierte Arbeiten zu einzelnen Epochen" sein. "Warum und auf welchem Weg sich in der geschichtlichen Entwicklung dennoch Tendenzen zur Systematisierung des O.s durchsetzen konnten, muß die künftige Forschung zeigen" (37). Das neutestamentliche Material wird vom eigentlichen Kristallisationspunkt aller Opfertheologie her entfaltet, nämlich von "Jesu Hingabe am Kreuz" her, die auf der Grundlage von kultischen und von nicht-kultischen Traditionen erfaßt wird.
O. Knoch stellt die verschiedenen Aspekte des Themas "Parusie" dar (72-77). Hervorheben möchte ich, daß der Vf. den Parusiegedanken im Kern auf Jesus selbst zurückführt und zwischen zwei Etappen im Wirken Jesu unterscheidet, die durch die definitive Ablehnung des Messiasanspruchs und den Tötungsbeschluß durch den Hohen Rat voneinander abgegrenzt würden (73 f.). Interessant ist auch seine Begrifflichkeit: "Urjünger Jesu" (74.76), "Judenchristen" (74) und "Mutterkirche in Palästina" (76). Mit dem Begriff "Urjünger" werden offensichtlich die echten Jünger Jesu bezeichnet; die Begriffe "Mutterkirche in Palästina" und "Judenchristen" dürften für den Raum Palästina deckungsgleich sein.
E. Otto hat einen knappen und zugleich richtungsweisenden Artikel "Pascha" vorgelegt (77-80). Er unterscheidet acht geschichtliche Etappen: den vordtn Familienritus; dessen Deutung auf die Auszugstradition; das dtn Reformprogramm; das Programm in Ez; das Programm der Priesterschrift; die chronistische Überlieferung; die Pentateuchredaktion und schließlich die Pascha-Feier in späthellenistischer und römischer Zeit.
In einem umfassenden Beitrag stellt M. Limbeck das neutestamentliche Wissen zu "Paulus" zusammen (87-104). Zur Feststellung der echten Paulusbriefe verweise ich auf die Bestätigung durch J. Roloff im Artikel "Pseudepigraphie" (214). Manche Interpretationsprobleme werden einer Lösung zugeführt (z.B. Fragen der Chronologie). Die Theologie des Paulus wird durchgehend von seiner persönlichen Begegnung mit dem Auferstandenen her begriffen. Ergänzend verweise ich auf die Artikel "Philemonbrief" (136 f.) und "Philipperbrief" (137 f.) von F. Laub in dieser Lieferung.
Von P. Weimar stammen die Artikel "Pentateuch" (106-110) und "Pentateuchforschung" (110 f.). Er beginnt mit einer Skizze der Gesamtstruktur (107) und legt den Versuch einer Gesamthypothese der Entstehung vor (108 f.). Dabei geht er von zwei Erstfassungen aus: einem dtr bearbeiteten, jehowistischen Strang, der vielleicht schon das Dtn enthielt und einem selbständigen priesterschriftlichen Strang (vgl. ders., Artikel "Priesterschrift" [168-171]). Beide sind dann in nachexilischer Zeit durch eine kreative Pentateuchredaktion zusammengefügt worden.
Zum Artikel "Pharisäer" von F. Böhl (134-136) verweise ich auf den Hinweis durch M. Limbeck im Artikel "Paulus", wonach die Eigenart pharisäischer Torainterpretation vor der Tempelzerstörung nicht eindeutig angegeben werden könne (90). Außerdem erinnere ich an den Artikel "Hasidäer" von K. Herrmann (II, 47 f.).
Im Artikel "Phönizien" von E. Lipinski (145-149) ist die Angabe zum "molk-Opfer" diskussionswürdig. Der Vf. geht von der Tatsächlichkeit von Kinderopfern aus. Er stellt aber keinen Zusammenhang zu Gen 22 her. Wie steht diese Aussage zur zurückhaltenden Darstellung im Artikel "Moloch" durch J. Ebach (II, 829 ff.), der erarbeitet hatte, daß nicht von Kinderopfern, sondern nur von Kinderweihen auszugehen sei?
L. A. Schökel hat den Artikel "Poesie" vorgelegt (155-106). Da er aber die Probleme von systematisierenden Positionen her durch eine Skizze zu den "poetischen Formen" und von den alten lateinischen Systematisierungen her als Skizze der "Ars poetica" darstellt, gibt es kaum Ansatzpunkte zu den Phänomenen, die man erwartet hätte und die E. S. Gerstenberger in seinem Artikel "Psalmen (Buch)" eben nur bezeichnet (211). - Zu D. Dormeyers Artikel "Prätorium" (163f.) verweise ich auf den wichtigen Beitrag "Prozeß Jesu" von A. Strobel (204-208, s. u.).
B. Lang und G. Dautzenberg haben den Artikel "Prophet" verfaßt (172-188). Zu dieser hervorragenden Zusammenfassung des Materials möchte ich nur einige Ergänzungen angeben: Die Kennzeichnung des Propheten (173 f.) wird gut ergänzt durch den Hinweis im Artikel "Prophetenerzählung" von B. Lang (194). Der Deutung des Inschriftenraumes in Deir Alla als "Versammlungslokal einer örtlichen P.engemeinschaft ..." (176) ist die als Heiligtum an die Seite zu stellen (Artikel "Prophetie im Alten Orient" von M. Weippert [198]). Zur Frage nach dem inhaltlichen Wechsel im Zuge der klassischen Prophetie (177) verweise ich auf J. Jeremias, ZThK 93, 1996, 481 ff. - im Artikel "Prophetenerzählung" von B. Lang angegeben (192). Die "Sozialkritik" als erster Schwerpunkt der Prophetie des Amos (178) ist jetzt von Chr. Levin, ZThK 94, 407 ff., nachhaltig bestritten worden. Kann "Deutero-Jesaja" heute noch als Einzelperson verstanden werden, die sogar ein "Märtyrerschicksal" erlitten habe (180 f.)? Ich verweise auf den Artikel "Deutero-Jesaja" von O. Michel (I, 410-413). Die Andeutung des Verhältnisses von Johannes dem Täufer und Jesus ist unkonventionell und reizt zur Rückfrage: "Auf den Täufer und seinen Kreis gehen politisch subversive Texte wie Magnificat und Benedictus ... sowie das später Jesus zugeschriebene Vaterunser ... zurück" (182)!
A. Strobel überzeugt in seinem Artikel "Prozeß Jesu" (204-208) mit seiner Rekonstruktion der Etappen des Prozesses und mit seiner Deutung des Rechtsfalls von Dtn 13 und 17 her. Den sonst geläufigen Darstellungen als Justizmord oder als eigentlich nicht mehr rekonstruierbares Phänomen, das insofern in Frage zu stellen wäre, erteilt er eine Absage: "Der P. bleibt jedenfalls unverständlich und voller Fragen, wenn man ihn nicht auf der Ebene dieses religiösen Spezialfalles bewertet" (206). Besonders überzeugt die abschließende Skizze zur Hermeneutik (208). Die Herausgeber des Lexikons sollten sich fragen, ob sie solche, die rein historische Fragestellung durchbrechende Ausblicke öfter zulassen sollten. - Präzise eine solche hermeneutische Besinnung beschließt den gelungenen Artikel "Psalmen (Buch)" von E. S. Gerstenberger (209-213, bes. 211 f.).
Im Artikel "Paradies" muß abgetrennt werden: "alt-ägypt." (65).
Im Artikel "Petra" dürfte ein Komma fehlen: "... Verwaltungszentrum (E. A. Knauf), unstimmig ..." (121).
Warum wird bei "Prophetenbücher" und "Prophetenerzählung" (188-195) teilweise die Literaturangabe plötzlich in den Text inkorporiert?
Im Artikel "Prozeß Jesu" muß es doch wohl heißen: "In der Sonderüberlieferung Mt 27,63 sprechen die Verantwortlichen des Volkes vor dem P. terminologisch ..." (207).