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Ausgabe:

September/1997

Spalte:

814–816

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Mazvydas, Martynas

Titel/Untertitel:

Katekizmas ir kiti rastai. Catechismus und andere Schriften.

Verlag:

Vilnius: Baltos Lankos 1993; Osna-brück: fibre Verlag. 719 S. 8 = Bibliotheca Baltica. Lw. DM 42,80. ISBN 9986-403-06-05.

Rezensent:

Christian Hannick

Im Hinblick auf das 450-jährige Jubiläum des Erscheinens des ersten litauischen gedruckten Buches, "Die einfachen Worte des Katechismus" des protestantischen Pfarrers Mazvydas (Königsberg 1547) beschloß das Ministerium für Kultur und Bildung Litauens, dieses Denkmal in Faksimile erneut zu veröffentlichen. Die vorliegende limitierte und numerierte Auflage hat bibliophilen Wert. In einem umfassenden Vorwort von rund 20 Seiten in litauischer und deutscher Sprache stellt Saulius Zukas den Verfasser Mazvydas und seine Schriften vor. Eine knappe Bibliographie beschließt dieses Vorwort und ersetzt teilweise einen fehlenden Anmerkungsapparat.

Innerhalb der Kirchengeschichte Litauens, eines europäischen Volkes, das erst 1387 offiziell christianisiert wurde, nehmen M. Mazvydas und sein literarisches Werk eine besondere Stellung ein. Ihm, dem lutherischen Pastor in Ragaine/Ragnet (poln. Ragneta) am Fluß Memel, im nordöstlichen Teil Preußens, das seit 1466 unter polnischer Lehnshoheit stand, und seinem katholischen jüngeren Zeitgenossen Mikolajus Dauksa, verdanken wir die ersten litauischen umfangreicheren Druckerzeugnisse. Mazvydas (oder Mosvid in der lateinischen Namensform seiner Vorreden) wurde um 1520 in Westlitauen (Samogitien) geboren und studierte in Königsberg. Von 1549 bis zu seinem Tode am 21. Mai 1563 wirkte er als Pastor in Ragnet. Sein zum Teil postum veröffentlichtes literarisches Werk, das in seiner Auffassung gemäß den Vorreden seiner Schriften nicht nur den in Preußen ansässigen sondern allen Litauern zugedacht war, umfaßt "Die einfachen Worte des Katechismus, die Lehre vom Lesen der Schrift und Lieder für das Christentum und für Kinder" (Königsberg 1547; 47-125 des vorliegenden Nachdrucks), "Der Gesang des heiligen Ambrosius und des heiligen Augustinus, das heißt: Te Deum laudamus. Mit Liedern von der Auferstehung Jesu Christi von den Toten" (Königsberg 1549; 129-144), "Die Form der Taufe. Nach der Kirchenordnung des Herzogtums Preußen und anderer Länder" (Königsberg 1559; 148-188), "Christliche Lieder, gesungen in den Kirchen... in zwei Teilen" (Königsberg 1566, 1570; 191-636) auf der Grundlage der "Geistlichen Lieder" von Luther (1553) mit einigen Originalliedern sowie Übersetzungen aus den polnischen Pies'ni duchowne des Protestanten Jan Seklucjan (Königsberg 1547; vgl. über ihn H. Feicht, Studia nad muzyka polskiego s'redniowiecza. Krakau 1975, 117), "Paraphrasis, wie das Vaterunser verstanden wird" (Königsberg 1589; 639-652), schließlich dreizehn in lateinischer Sprache in den Jahren 1548-1561 verfaßte Briefe an den Rektor der Universität Königsberg (1) sowie an Herzog Albrecht von Preußen (2-13), die heute in Göttingen aufbewahrt werden (vorliegende Ausgabe 655-719 im Neudruck). Diese Briefe betreffen persönliche und finanzielle An-gelegenheiten des Ragneter Pastors.

Abgesehen von den Briefen hatte der Leipziger Slavist und Baltist Georg Gerullis die sonstigen Werke des Mazvydas in Faksimile mit einer umfangreichen Einleitung (IV-XL) "Mosvid. Die ältesten litauischen Sprachdenkmäler bis zum Jahre 1570" (Heidelberg 1923) vorgelegt; dort auch Hinweis auf frühere Ausgaben des Katechismus und der Form der Taufe durch A. Bezzenberger, Göttingen 1874, und auf eine Faksimile-Edition des Te deum, Posen 1897. Im Jahre 1974 erschien in Vilnius ein Faksimile mit Transkription des Katechismus sowie eine Edition der Briefe in lateinischer Originalfassung und litauischer Übersetzung samt Anmerkungen. Dieser Ausgabe "Pirmoji lietuviska knyga" ging eine umfangreiche Einleitung von K. Korsakas voran.

Die Bedeutung der vorliegenden Faksimile-Ausgabe bedarf keiner Hervorhebung: sie ersetzt und ergänzt die selten gewordene Ausgabe von Gerullis. Was den Hauptteil dieses Nachdruckes anbelangt, das zweiteilige Gesangbuch, so werden nicht nur Musikhistoriker, sondern auch Theologen und Sprachforscher daraus Nutzen ziehen können; siehe dazu auch G. Bense, Zur Textüberlieferung des litauischen evangelischen Kirchenlieds, Linguistica baltica 3 (Krakau 1994), 21-34 mit häufigen Hinweisen auf das Gesangbuch des Mosvid nach der Edition von Gerullis. Dieser Nachdruck kommt um so willkommener, als in der Reihe "Biblia slavica" die nie veröffentlichte, handschriftlich gebliebene litauische Bibelübersetzung eines Zeitgenossen von Mazvydas, des litauischen Königsberger Pfarrers Johannes Bretke, vor kurzem in Faksimile herausgebracht wurde.

Wer die altlitauischen Schriften des Mazvydas in der Origi-nalorthographie lesen will, findet bei A. Senn, Handbuch der litauischen Sprache, II: Lesebuch und Glossar (Heidelberg 1957), 153 ff. nützliche Hinweise nebst Auszügen aus demselben mit Glossar.

Die knappe Bibliographie im Anhang zu dem Vorwort von S. Zukas kann lediglich als erste Einleitung gelten. Es fehlen z. B. Hinweise auf die Geschichte der litauischen Frühdrucke von V. Birziska, Senuju lietuvisku knygu istorija I, Chicago 1953, auf die Geschichte der litauischen Druckereien (vgl. dazu etwa Z. Ivinskis, Die Druckerei der Jesuiten in Vilnius und die ersten litauischen katholischen Bücher. Commentationes balticae 1, 1953, 27-106), auf die Mitarbeiter von Mazvydas (vgl. V. Bir-ziska, Martin Mazvydas und seine Mitarbeiter. Sonderbeilage zu Scholar Nr. 213. Heidelberg 1948).