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Ausgabe:

Juli/August/1996

Spalte:

691 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Diestelmann, Jürgen

Titel/Untertitel:

Actio Sacramentalis. Die Verwaltung des Heiligen Abendmahles nach den Prinzipien Martin Luthers in der Zeit bis zur Konkordienformel.

Verlag:

Groß Oesingen: Luth. Buch. H. Harms 1995. 436 S.8o. DM 65,-. ISBN 3-86147-003-9.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Der Vf. hat sich seit seiner Studienzeit mit der luth. Abendmahlslehre in dogmatisch-liturgischer Sicht befaßt (vgl. "Konsekration. Luthers Abendmahlsglaube in dogmatisch-liturgischer Sicht, Luthertum, H. 22, Berlin 1960) und legt nun als Emeritus das Ergebnis seiner Forschungen vor. Man spürt es dem Buch ab, daß hier ein Autor schreibt, der als Gemeindepfarrer jahrzehntelang? z. T. an exponierter Stelle in Braunschweig (Brüdern-St.Ulrici), das Altarsakrament verwaltet und die schöne Gottesdienste des Herrn gefeiert hat.

Gegenstand der Untersuchung ist "die Entwicklungslinie in der Lehre von der Konsekration und Actio Saccramentalis von Luthers Wolferinusbriefen bis hin zur Konkordienformel". Im 1. Teil wird Luthers Lehre von der actio sacramentalis und Konsekration behandelt: Der Ansatz der Meßreform Luthers - Simon Wolferinus und sein "Zwinglianismus" Adam Besserer und andere - Johann Hachenberg und die neuen "Zwinglianer" (3-192); im 2. Teil der Kampf um die actio sacramentalis und Konsekration in einigen norddeutschen Städten: Hildesheim (Tileman Crage) - Die Danziger Streitigkeiten - .Johannes Salziger in Lübeck und Rostock ( 1 93-322). Der Schlußteil] (323-3 52 ) wendet sich der Darstellung von "Actio Sacramentalis und Konsekration in der Konkordienformel zu, ein Ausblick streift den gegenwärtigen ökumenischen Bezug (353362). Ein ausführlicher Quellenanhang (363-412) gibt die Möglichkeit, Dargestelltes noch einmal nachzuprüfen; freilich hat der V schon seine Ausführungen mit einer Fülle von Zitaten belegt. Quellen- und Literaturverzeichnis bzw. Personen- und Sachregister sind beigefügt.

Mancher Leser wird wenig Verständnis für die Sorgen und Probleme unserer Väter haben; ja diese für eine]l "Rattenschwanz kultischer Zwangsfragen" halten (so ausgerechnet J. Baur, Abendmahlslehre und Christologie der Konkordienfonnel als Bekenntnis zum menschlichen Gott, in: ders., Luther und seine klassischen Erben, Tübingen 1993, S. 1 17 ff.). Aber mit Recht stellt Vf. fest: "Über der lutherischen Messe lag die Faszination des Heiligen, die den Realpräsenzglauben Luthers widerstrahlte" ( 10). Und diese Faszination ist weithin, ja fast überall in der Gegenwart als einer Zeit der zweiten Aufklärung abhanden gekommen. Luthers Haltung war eindeutig: Unbedingt geboten sind bei der Feier des Altarsakramentes vom Einsetzungsbericht her die Anwesenheit einer Gemeinde, die Verwendung Von Brot und Wein (und nicht irgendeines Saftes!), das Sprechen- der Einsetzungsworte über diesen und die Austeilung des so Gesegneten. Seine Abendmanslehre, vor allem seine Konsekrationsauffassung, ist in den Streitigkeiten mit Karlstadt und Zwingli einerseits, mit Wolferinus und Besserer andererseits geklärt worden. Luther nahm die Rea]präsenz des Leibes und Blutes Christi so ernst, daß alles bei der Sakramentsfeier danach zu richten war. Wohl galt auch für ihn die "Nihil habet"-Regel, daß die Realpräsenz an die actio sacramentalis gebunden war und wir außerhalb der actio keine Gewißheit der Realpräsenz haben könnten. Aber das bedeutete nicht, daß außerhalb der actio mit den einmal gesegneten Elementen unachtsam umgegangen werden dürfe: "Durch die sumptio der Reliqua und die ablutio calicis wurde Vorsorge getroffen, daß auch nicht das Geringste von konsekrierten Abendmahlselementen über das Ende der actio sacramentalis hinaus übrig blieb" (8). Darum nahm Luther die Fälle Wolferinius und Besserer so ernst, darum kämpfte Saliger so kompromißlos, dessen gewiß, daß mittels der Konsekrationsworte "durch Gottes Macht etwas in sein Wesen gerufen, geschaffen wird, sofern die von Gott gegebene Ordnung eingehalten wird" (58). Für Luther ist die Konsekration "potissima et principalis actio in Sacramento" (WA Br 1 Q, 348, 17 f. ). Unangemessener Umgang mit dem Sakrament war für Luther Zwinglianismus. Unter diesen Verdacht geriete nicht nur Wolferinus und Besserer ("vadat ad suos Zuinglianos", WA Br 11, 259, 8 f.), sondern auch Crage. Wohl meinten sie alle. Lutheraner zu sein, aber ihre Haltung, vor allem Crages Leugnung der Notwendigkeit der Konsekration, verursachte einen regelrechten Volksaufstand" 204). Andererseits konnten sich in Danzig und zeitweise in Lübeck und Rostock die Philippisten durchsetzen. Doch gab es nicht nur Pfarrer? Sondern auch Gemeindeglieder, die die von Luther abweichende Lehre anprangerten. Durch Erfahrungen aus seiner Zeit als Gemeindepfarrer weiß der Rez., daß auch heute Gemeindeglieder durchaus aufpassen, ob nachkonsekriert wird. 1569 war diese Frage in Rostock Stammtischgesprächsstoff! Das war eine "mündige Gemeinde"! Die Konkordienformel schließt dann ein Verständnis der actio sacramentalis im philippistischen Sinne aus. So war der Kampf Saligers zuletzt doch nicht vergeblich (343).

In heutigen Lehrgesprächen sprechen Lutheraner nicht einheitlich, weil sie nicht einig sind im Verständnis der Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi. In der Leuenberger Konkordie sprechen sie anders als in "Das Herrenmahl" bzw. im Lima-Papier. Vf. gibt zuletzt Hilfen für die Praxis.

Für die sorgfältige Untersuchung ist dem Autor zu danken. Der beste Dank wäre, wenn die Achtung vor dem Altarsakrament wieder mehr Eingang in die lutherische Kirche fände.