Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/1997

Spalte:

814

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bullinger, Heinrich

Titel/Untertitel:

Briefwechsel. Bd. 6: Briefe des Jahres 1536. Bearb. von H. U. Bächtold u. R. Henrich.

Verlag:

Zürich: TVZ 1995. 518 S. gr.8 = Heinrich Bullinger Werke. Zweite Abt. Lw. sFr 205.-. ISBN 3-290-10980-1.

Rezensent:

Ernst Koch

Die Bedeutung der Edition des vorliegenden Bandes des Bullinger-Briefwechsels für die reformationsgeschichtliche Forschung und speziell ihrer theologiegeschichtlichen Aspekte ist bereits an der Jahreszahl 1536 ablesbar. In diesem Jahr wurde im Gefolge der vom 30./31. Januar bis 4. Februar tagenden Konferenz von Abgesandten Zürichs, Basels, Schaffhausens, St. Gallens, Mülhausens und Straßburgs das Erste Helvetische Bekenntnis ratifiziert, und im späten Frühjahr des gleichen Jahres entstand die Wittenberger Konkordie. Im Vorwort des Bandes wird festgestellt, daß die Geschichte des Ersten Helvetischen Bekenntnisses "bisher nirgendwo quellenmäßig so dicht belegt und so gut verfolgbar [ist] wie hier" (13). Sind doch zwei Drittel der Briefe dieses Jahrgangs in der ersten Jahreshälfte geschrieben worden. Die insgesamt 224, überwiegend hier erstmals publizierten Brieftexte geben darüber hinaus neue Einblicke in die politisch wie kirchengeschichtlich folgenschwere Eroberung der Waadt durch Bern - der Text der Widmungsvorrede Bullingers zum Kommentar zu den Thessalonicherbriefen, den Pastoralbriefen und dem Philemonbrief an die Gebrüder Wattenwyl in Bern (29 f.) mag diesbezüglich nachdenklich ma-chen. In die gleichen politischen Zusammenhänge gehören auch die ungewöhnlich scharfen Warnungen Bullingers u. a. im Briefwechsel mit Kaspar Megander in Bern vor dem Paktieren Berns mit Franz I. von Frankreich (303 f., 320 f., 322 f.). Im Jahre 1536 trafen auch die ersten Studenten aus England in Zürich ein. Der aus diesen Kontakten entstehende Einfluß Zürichs in England hatte weitreichende Folgen.

Die Texte dieses Bandes geben weiterhin neuen Aufschluß über die von Konstanz vertretene Position im theologiepolitischen Spannungsfeld des Jahres 1536 und über die Stellung der reformierten Orte der Eidgenossenschaft zur Confessio Tetrapolitana. Zwei undatierte, nicht adressierte Briefe ohne Absenderangabe aus Bullingers Nachlaß (227-234) werden mit einleuchtenden Gründen als Schreiben des Glasmalers Konrad Wirz an Heinrich Bullinger identifiziert. Ein weiterer Brieftext weist möglicherweise auf eine neue Spur schwenckfeldischen Einflusses am würtembergischen Hofe hin (443 f.).

Die Aufbereitung der Texte ist in gewohntem Maße sorgfältig und für kritische Nachfrage durchsichtig gestaltet, die Kommentierung knapp und informativ. Das Vorwort stellt fest, mit dem Erscheinen dieses Bandes hätten "die Editoren ein Etappenziel erreicht und fassen nun die kommenden Jahrgänge zuversichtlich ins Auge". Für den folgenden Band wird die Umsetzung grundlegender Gedanken angekündigt, die die Bullinger-Kommission vorgelegt hat. Außerdem ist der vorliegende Band der letzte, der beim Rechenzentrum der Universität Zürich produziert worden ist. So bleibt zu hoffen, daß mit den anstehenden Veränderungen die Sachqualität der Ausgabe erhalten bleibt.