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Ausgabe:

Juli/August/1996

Spalte:

679–681

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Fitschen, Klaus

Titel/Untertitel:

Serapion von Thumis. Echte und unechte Schriften sowie die Zeugnisse des Athanasius und anderer.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1992. XI, 226 S. gr. 8o = Patristische Texte und Studien, 37. Lw. DM 108,-. ISBN 3-11-012886-1.

Rezensent:

J. Roldanus

Serapion, Altersgenosse des Athanasius und vermutlich wäh-rend derselben Jahre Bischof in dem Nildelta, wird oft im Zusammenhang mit ihm hervorgehoben: An ihn schrieb Athanasius 359 seine Lehrbriefe über den Hl. Geist, während er auch als Vertrauter des Mönchvaters Antonius in der von Athanasius verfaßten Vita genannt wird. Daß der dort aufgeführte, anonyme Gewährsmann dieser Serapion gewesen sei - wie Martin Tetz (Bochum) 1982 behauptet hat - war für Fitschen eine Anregung zu einer Monographie (1989 als Dissertation in Kiel vorgelegt), in der er versucht, den 'eigentlichen Serapion' zu rekonstruieren.

Das Ergebnis ist eine biographische und theologische Skizze, die er aufgrund sehr sorgfältig bewerteter äußerer Zeugnisse und Anhaltspunkte aus den einwandfreien Primärquellen zu-sammengestellt hat. Diese kaum mehr als sechs Seiten umfassende Skizze zeichnet einen ,abgeschlankten' Serapion, da ihm die Autorschaft u. a. des eucharistiegeschichtlich interessanten Euchologium (Serapion höchstens der ,Tradent' einiger Gebetstexte!) sowie der Epistola ad Monachos - eine Stütze für die These von Tetz - abgesprochen wird. Nach Fitschen lohnt sich dennoch, was übrigbleibt: Serapion war (1) ein gebildeter und sachverständiger, ja sogar der allererste literarische Bekämpfer des Manichäismus, (2) ein Freund und Geistesverwandter des Antonius und (3) Athanasius' Mittelsmann in der kirchenpolitischen Lage Ägyptens.

F. legt der Frühschrift Adversus Manichaeos - ein "literarisches Meisterstück" - großen Wert bei. Zum Schluß seiner Arbeit gibt er eine eigene Übersetzung (163-204), die, mit der Analyse (3-57) zusammengezählt, fast die Hälfte des Buches umfaßt. In ihr habe man das einzige umfangreiche, aber in der bisherigen Forschung vernachlässigte Werk des Serapion, das ihn überdies als einen ideenreichen und in der Bibelexegese gewandten Theologen auszeichnet. Mittels eines thematisch angelegten Vergleichs mit manichäischen Quellen zeigt F., daß Serapion mit ihrer Lehre gut bekannt war, aber aus katechetischen Gründen sich auf die Anthropologie und das Verhältnis von Gesetz und Evangelium beschränkt. Der Nachdruck auf Antideterminismus und ÚÔÚÂÛÈ, die Bedeutung der Er-kenntnis für die Willensrichtung, die "differenzierte" Auffassung des Verhältnisses von Körper und Seele, und der "Einzug Christi in den Menschen" (57) hätten es m. E. nahegelegt, die Frage nach dem origenistischen Einfluß zu stellen, zumal dieser auch bei Antonius, in dessen Briefen, spürbar ist.

Aufgrund der nächstwichtigen Primärquelle, eines Briefs an die Nachfolger des Antonius meint F., daß Serapion dem Antonius in der Hauptsache zwei theologische Einsichten verdankt: die Deutung einer schweren Krise der nizänischen Kirche als ,Zornausbruch' und die Bedeutung der Fürbitte für ihre Erhaltung. Er konkludiert sogar: "Serapions Brief nimmt... die Theologie des Antonius auf" und spricht von einer "Anwendung der Lehre des Antonius" (63 f.). Die nur hiermit charakterisierte Theologie bzw. Lehre des Antonius beruht aber auf einer schmalen Grundlage, da der ,Zorn' - nicht einmal durch einen Genitiv qualifiziert! - und die Fürbitte als Rettung der Kirche nur einmal in der Vita Antonii (82) begegnen. Die ,Zornestheologie' erweitert sich im Laufe des Werkes zu einem Schibboleth, an dem die theologische Position Serapions besonders gemessen wird. Während F. das Manichäertraktat in anderen Fällen zur Prüfung und Ergänzung heranzieht, geschieht das beim Brief an die Antoniusschüler nicht. Doch hätte hier ein Vergleich mit der Anthropologie der Antoniusbriefe und mit dem Themenkreis ,Bedrängung und Gebetsleben' in VA 1-66 (aus der Untersuchung absichtlich herausgelassen, weil diese Kapitel dem lauter "kirchenpolitischen Interesse" Serapions an Antonius nicht entsprächen - 108 ff.) eine komplexere Relation mit Antonius ergeben können. Hier hätte Samuel Rubensons Studie über Antonius von 1990 einen wichtigen Dienst leisten können, zumal F., sowie Rubenson, bei ägyptischen Anachoreten des frühen 4. Jh.s einen hohen Bildungshorizont für sehr gut möglich hält (119 ff.).

Der Brief an Bischof Eudoxius und die Fragmente aus weiterem Briefwechsel und Katenen bringen kaum neue Anhaltspunkte. Nur ist interessant, was er zum Briefwechsel mit Apollinaris feststellt, nämlich daß dessen neue Fragestellung in der Christologie Serapion überfordert hat: nach der Betonung der realen Fleischwerdung Christi gegenüber den Manichäern habe er, unter Athanasius' Führung, schon einmal die Front wechseln und, gegen die Arianer, die Unterscheidung der biblischen Hinweisungen auf den göttlichen Sohn und das menschliche Fleisch anlernen und anwenden müssen. So scheint er in der Christologie nicht über Athanasius hinauszukommen, so wie er sich auch in der Pneumatologie von diesem hat belehren lassen müssen.

Gezeigt wird, wie Serapion ab 337 Athanasius' Sachführer war, bis er ab 356, wegen dessen Flucht, "endgültig zum wichtigsten Mittelsmann" wurde. Serapion war ihm, besonders wegen seiner asketischen Neigung, ein "Musterbischof", dessen er sich in der ägyptischen Kirchenpolitik mit Vertrauen bediente. F. versucht, in diesem Verhältnis zu Athanasius, Serapion als eine selbständig agierende Person einzuschätzen, muß ihn aber zugleich als dessen "Bevollmächtigten" und "immer wieder im Auftrag des Athanasius" Handelnden darstellen (156 f.). Die Eigenständigkeit Athanasius gegenüber bleibt somit etwas im dunkeln: sie wird hier eher auf kirchenpolitischer als auf dogmatischer Ebene vermutet. Seine Ursprünglichkeit wäre dann im Laufe der Jahre zurückgegangen; denn in der Bekämpfung des Manichäismus hat ihn das Oberhaupt der ägyptischen Kirche nicht instruiert!

Als "originellsten Topos seiner Theologie" bewertet F., wie gesagt, die "Zorneslehre", die Serapion einer miterlebten Vision des Antonius verdanke. Die Übermittlung dieser Vision solle nun auch der einzige Anteil Serapions am Zustandekommen der Vita Antonii sein. Für eine Theologie des heiligen Mannes Antonius, wie ihm Tetz zumutet, findet F. weder in den von ihm für echt gehaltenen Schriften, noch in der Vita selbst den geringsten Grund. Die heutige Forschung nimmt immer mehr die Existenz einer schriftlichen Vorlage an: durch Fitschens Arbeit ist eine Autorschaft Serapions höchst unwahrscheinlich geworden.

Diese methodisch streng durchgeführte Untersuchung hat das gängige Bild des Serapion erheblich modifiziert. Die Bewertung seiner Relationen zu Athanasius und - vor allem - Antonius scheint mir aber noch nicht abgerundet zu sein.