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Ausgabe:

September/1996

Spalte:

845 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Markschies, Christoph

Titel/Untertitel:

Arbeitsbuch Kirchengeschichte.

Verlag:

Tübingen: Mohr 1995. XII, 201 S. m. Abb. 8o = UTB für Wissenschaft, 1857. DM 19,80. ISBN 3-16-146354-4.

Rezensent:

Klaus Fitschen

Das "Arbeitsbuch Kirchengeschichte" ist aus der Tätigkeit des jetzt in Jena lehrenden Vf.s als Assistent an der Evang.-Theol. Fakultät in Tübingen hervorgegangen. Es hat seinen Ursprung also in kirchengeschichtlichen Proseminaren. Darüber hinaus soll es Studierende das ganze Kirchengeschichtsstudium hindurch als Hilfsmittel begleiten (VII). Nun ist ein praxisfähiges Arbeitsbuch neben der vorliegenden Einführungsliteratur in das Studium der Kirchengeschichte (vgl. X) tatsächlich ein Desiderat; der Rez. hat es darum im vergangenen WS selbst als "Begleitlektüre" (VII) im Proseminar ausprobiert und sieht sich im Sinne des Vorwortes (XII) im folgenden auch zum "eradere" und "aptare" eingeladen.

Nun wäre 1. wohl der Titel "Lehrbuch" angemessener als "Arbeitsbuch". Der Charakter eines Arbeitsbuches wird nämlich vorwiegend durch die unterschiedliche Gewichtung einzelner Textteile in verschiedenartigem Druck eingeholt, die eine stufenweise Erschließung des Textes möglich machen soll. Grundsätzlich wird damit eine Differenzierung nach essentiellem Lernstoff (dies ist der laufende Text), vertiefenden Informationen (die kleiner gedruckt sind) und exemplarischen Einzelheiten (in Kästchen) durchgeführt. Dazu kommen noch einzelne Quellen- und Literaturhinweise in Anmerkungen. Ansonsten läßt sich nur schwer in oder mit dem Buch arbeiten: Die am Schluß einzelner Abschnitte gestellten Kontrollfragen sind oft zu speziell. Die didaktische Aufbereitung und dazu die Lernzielkontrolle bleiben also weitgehend dem Lehrenden überlassen - was ja auch seine Aufgabe ist. Die selbständige Lektüre selbst des laufenden Haupttextes erfordert seitens der Studierenden gewiß Beharrlichkeit; der Text ist gelegentlich Zeile für Zeile mit gelehrtem Wissen gesättigt. Das Problembewußtsein des Lesers wird durch die häufigen Rekurse auf das 19. Jh. wohl gefördert, doch könnte manches in dem angestrebten Genre womöglich ungenierter gesagt werden. Der vielzitierte Droysen muß als Autorität jedenfalls erst einmal erschlossen werden.

Das Buch ist 2. ein Methodenbuch: So schlägt der Vf. einen Bogen von der Frage nach dem Ziel kirchengeschichtlicher Arbeit im Rahmen allgemeiner Historiographie ( 1) bis hin zur Frage nach der Relevanz kirchengeschichtlichen Arbeitens im Rahmen der evang. Theologie ( 11). Der Hauptteil umfaßt I. "Heuristik" ( 2-5: Arten von Quellen, Einführung in die Quellenkunde, Hinweise zur Quellenfindung, wichtige Quellenreihen), II. "Kritik" ( 6-8: historische Hilfswissenschaften, äußere und innere Quellenkritik), III. "Interpretation" ( 9), IV. "Darstellung" ( 10). Der Lernweg zielt also primär auf den Erwerb der Kompetenz zur Abfassung wissenschaftlicher Arbeiten (vgl. VII und 154 f.), dann aber auch auf die Befähigung zu eigenständiger kirchenhistorischer Arbeit in Studium und Beruf (VIII). Hervorzuheben ist der häufige implizite und explizite (so 141) Ruf "ad fontes".

3. ist das Buch ein Sachbuch: Es bietet reichhaltiges Material an Einführungs- und Überblicksliteratur zu einzelnen Sachgebieten (besonders in 12) und wichtige methodische und materiale Wegweiser zur Quellenfindung ( 4 und 5). Die Kästchen, aber auch der laufende Text enthalten eine Fülle von Sachwissen, das z. T. elementarisierend aufbereitet ist und sich dann auch zum Lernen eignet. Der Materialreichtum, der ja immerhin das Gesamtgebiet der Kirchengeschichte reflektieren soll (IX), ist dabei wiederum eine Crux - Exemplarisches und Anekdotisches scheiden sich dem unerfahrenen Leser vielleicht nicht immer von allein. Gerade die Stellung von Arbeitsaufgaben zu exemplarischen kirchengeschichtlichen Problemstellungen und Sachthemen (und z. B. auch zu einer besser reproduzierten Urkunde bzw. Inschrift) könnte das erworbene Wissen vertiefen und eine Lernzielkontrolle auch im Selbststudium ermöglichen. Wertvoll und zur Vermehrung empfohlen sind Materialien wie Überblicke zu Epochenabgrenzungen, das genannte Beispiel einer Urkunde, einer Inschrift, einer Münze, eines Siegels. Da nun einmal Forschungsrichtungen wie Amts- und Papsttumsgeschichte, Ordens- und Mönchsgeschichte, Kirchenrecht und Missionsgeschichte ( 12) genannt werden, zeigt sich im Blick auf die Literaturauswahl zur Neuzeit um so deutlicher, daß dies ein "Evangelisches Arbeitsbuch Kirchengeschichte" ist (vgl. auch VII und 11). Auch hinsichtlich der Geschichte der evangelischen Kirchen aber wären, wenn denn die Kirchengeschichte Teil der allgemeinen Geschichtswissenschaft ist ( 1), für die Neuzeit über die Theologie- und innere Kirchengeschichte hinaus vermehrte Quellen- und Literaturhinweise zur Ereignisgeschichte, etwa zum Thema "Staat und Kirche", wünschenswert.

Insgesamt und 4. ist das Buch ein Hilfsbuch: Es ist auch zur selektiven Benutzung durch Studierende und Lehrende geeignet. Ein differenzierteres Sachregister wäre dafür eine gute Erschließungshilfe. Die für Studierende oft brennende Frage nach der theologischen Relevanz der Kirchengeschichte ließe sich in einem Arbeits-, Lehr-, Methoden-, Sach- und Hilfsbuch über die Ausführungen in 11 hinaus noch eingehender stellen und beantworten.