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Ausgabe:

Mai/1996

Spalte:

439–445

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Beyer, Klaus

Titel/Untertitel:

Die aramäischen Texte vom Toten Meer samt den Inschriften aus Palästina, dem Testament Levis aus der Kairoer Genisa, der Fastenrolle und den alten talmudischen Zitaten. Aramaist. Einl., Text, Übers., Deutung, Grammatik/Wörterbuch, Deutsch-aramäische Wortliste, Re-gister. Ergänzungsbd.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1994. 450 S. gr.8o. Lw. DM 198.-. ISBN 3-525-53599-6.

Rezensent:

Jacob Hoftijzer

Wie der Titel dieses Buches schon andeutet, handelt es sich hier um eine Ergänzung des gleichnamigen Opus Magnum Beyers von 1984. Der 1. Teil des 1. Kap.s dieses Buches war schon 1986 in englischer Übersetzung erschienen (Beyer, The Aramaic Language. Its Distribution and Subdivisions, translated from the German by J. F. Healey, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht). Diese Übersetzung enthält bereits die bis Dezember 1985 zu diesem Kap. angefallenen Verbesserungen und Ergänzungen. Ich werde dieses erste Buch mit A. bezeichnen, die englische Übersetzung mit B. und den Ergänzungsband mit C. Die Verbesserungen und Ergänzungen aus B. sind in C. wiederholt.

Die Ergänzungen von C. stellen den Forschungsstand bis November 1993 dar (C., 4). Weil es sich um einen Ergänzungsband handelt, kann man das neue Buch nicht ohne seinen Vorläufer benutzen und verstehen, auch die ursprüngliche Kapiteleinteilung von A. wurde beibehalten. Wer C. benutzen will, muß gleichzeitig über A. verfügen. Anderseits ist klar, daß die Lösungen, Vorschläge und Übersetzungen von A. jedenfalls teilweise überholt sind und A. nicht mehr ohne C. benutzt werden kann.

Viele Fachkollegen haben an A. Kritik geübt, dennoch hat fast jeder - mit Recht - diese Arbeit sehr bewundert und sich anerkennend geäußert. Obwohl der Rez. in vielen Einzelheiten anderer Meinung ist als der Autor, möchte auch er nachdrücklich betonen, daß er Beyers Werk als eine große, beneidenswerte wissenschaftliche Leistung betrachtet. Es ist ein Standardwerk zur Forschung der aramäischen Sprachen. Aus diesem Grund ist es erfreulich, daß nun auch der Ergänzungsband vorliegt, in dem das neue Material (sehr viel Textmaterial) verarbeitet ist.

Wie der Titel von A. schon deutlich macht, handelt es sich hier um die aramäischen Texte vom Toten Meer, ihre Interpretation, ihre Grammatik und die in ihnen belegten Wörter. Das Buch ist in vier Kap. unterteilt: 1. Einleitung (A., 20-153), 2. Die Texte (A., 156-406), 3. Grammatik (A., 409-497), 4. Wörterbuch (A., 500-763), Register (A., 766-779).

Im 1. Kap., der Einleitung, gibt der Autor eine allgemeine und knappe Übersicht über die Entwicklung der aramäischen Sprachen und eine Beschreibung einzelner phonologischer Entwicklungen. Auf diese Weise werden, bevor die Grammatik und das Lexikon der Textausgabe präsentiert werden, Entwicklung und Struktur des Aramäischen überhaupt skizziert, damit man Einblick in den diachronen und synchronen Sprachrahmen nehmen kann, in den das Aramäische der betreffenden Texte gehört. Man kann der Entscheidung des Autors, zuerst den allgemeinen Rahmen zu skizzieren, nur Beifall spenden. Das gilt auch für die Reihenfolge der Kap. 2, 3 und 4. Bevor man eine grammatikalische und lexikographische Beschreibung von Texten gibt, deren Lesung oft unsicher und umstritten ist, muß man sich entscheiden, welche Textlesungen man bevorzugt. Aus diesem Grunde ist es gut, daß Beyer seine Texte im 2. Kap. erst vollständig wiedergibt, vor allem weil er oft eigene abweichende Lesungen bietet. Daß Beyer erst die Grammatik behandelt und dann das Wörterbuch präsentiert, ist deshalb sinnvoll, weil man keine gute lexikographische Beschreibung des Wortschatzes einer Textgruppe geben kann, wenn man sich nicht über die grammatikalische Interpretation der betreffenden Formen im klaren ist. Insofern ist der methodische Aufbau vorzüglich.

Obwohl der Rez. diese Arbeit sehr bewundert, ist er in einigen Fällen nicht mit den vom Autor getroffenen Entscheidungen einverstanden.

Es sei ihm deswegen vergönnt, einige kritische Anmerkungen zu ma-chen: Der erste Teil des 1. Kap.s trägt den Namen "Die Verbreitung und Gliederung des Aramäischen" (A., 23, C., 13). Man vergleiche auch den Titel von Beyer "The Aramaic Language". Der Rez. zieht es vor, statt von "dem Aramäischen" von "der aramäischen Sprachgruppe" zu sprechen. Es handelt sich nämlich um eine große Gruppe verwandter Sprachen und Dialekte, die sehr verschieden sein können. Man sollte auch nicht vergessen, daß die Einteilung der semitischen Sprachen ein Gliederungsversuch ist, um das gegenseitige Verhältnis dieser Sprachen besser verstehen zu können. Dabei wird die aramäische Sprachgruppe als eine Unterabteilung der semitischen Sprachen aufgefaßt, weil alle dazu gehörigen Sprachen/Dialekte eine Anzahl phonologischer und morphologischer Merkmale besitzen, die sie von den anderen semitischen Sprachen unterscheiden. Die Anwendung
dieser Merkmale ist sehr zutreffend für die späteren Perioden, jedoch nicht
ganz so zutreffend für die älteste Periode. Nicht nur ist eine Anzahl der als typisch aramäisch betrachteten Merkmale erst im Laufe des ersten Millenniums v. Chr. entstanden (siehe auch A., 100 ff.), sondern man findet in dieser Periode auch einige als typisch aramäisch betrachtete Merkmale in Sprachen, die andere aramäische Kennzeichen nicht besitzen. Man kann dabei auf die Sprache der Deir-Alla-Texte verweisen, die ursprünglich vom Autor dem Aramäischen zugerechnet wurde (A., 26 A. 1). Inzwischen versteht er sie als "eine wirklich gesprochene Mischung aus dem ältereingesessenen Südkanaanäisch-Gileaditischen... und dem von Norden eindringenden Aramäischen" (C., 14, siehe auch B., 13 n. 1). Diese Beschreibung ist vergleichbar mit der Art und Weise, in der Beyer das Yaudische (das Samalische) interpretiert: "eine Mischung aus dem nordsemitischen Lokaldialekt... der Alteingesessenen... und dem Phönizischen und dem Aramäischen..." (A., 26 A. 1). Auch wenn es sich hier wirklich um Mischungen handelt, kann man nur zu dem Schluß kommen, daß es eine Zeit gegeben hat, in der Sprachen gesprochen wurden, die nicht in den Rahmen unserer "offiziellen" Sprachgliederung passen. Es scheint mir deshalb nicht selbstverständlich zu sein, eine Sprachgliederung, die für die Beschreibung späterer Perioden geeignet ist, ohne weiteres für die Beschreibung einer früheren Periode zu nutzen.

Die von Beyer ursprünglich vorgeschlagene Gliederung der aramäischen Sprachen hat sich im Ergänzungsband nicht wesentlich geändert. Die Ergänzungen nehmen größtenteils Bezug auf Einzelheiten und auf die neu-ere wissenschaftliche Literatur. So beharrt Beyer auf seiner Meinung, daß das Hebräische in Palästina seit 400 v. Chr. nicht mehr gesprochen wurde. Das bedeutet, daß ein Viertel des Alten Testaments (siehe A., 49 A. 1), die hebräischen Qumran-Texte und alle neuhebräischen Texte in einer Zeit geschrieben wurden, in der man kein Hebräisch mehr sprach (A., 58, C., 29 f.). Es ist aber m. E. unmöglich, alle Änderungen im Hebräischen seit 400 v. Chr. auf aramäischen (oder nord-hebräischen) Einfluß zurückzuführen. Man kann auf diese Weise auch nicht verstehen, daß in den Qumran-Texten zwei Typen des Hebräischen belegt sind (siehe auch F. García Martínez, Journal for the Study of Judaism 16, 258). Es ist unbezweifelbar, daß der Einfluß des Aramäischen beständig wuchs (Beyer gibt überzeugende Beispiele), doch das ist kein ausreichender Grund für seine Schlußfolgerungen. Ein von Beyer beigebrachtes Argument ist, daß um 432 v. Chr. nach Neh. xiii 24 "die Hälfte der jüdischen Kinder aus Jerusalem kein Hebräisch mehr" sprechen konnten (C., 29). Man kann aber aus dem Kontext nicht er-schließen, ob die von Nehemia daraufhin getroffenen Maßregeln (Vv. 25 f.) Erfolg hatten oder nicht. Dieser Text läßt nur die Schlußfolgerung zu, daß an einem bestimmten Moment das Hebräische in Jerusalem gefährdet war.

Der Rez. kann dem Autor auch nicht darin folgen, daß das Altaramäisch (Beyer nennt es das frühe Altaramäisch) "aus zwei deutlich unterschiedenen fest normierten Schriftsprachen" besteht (A., 25 f.). Tatsächlich ist die Sprache der Tell-Fekherye Inschrift deutlich von der der anderen altaramäischen Inschriften unterschieden. Ob diese Inschrift aber in einer normierten Schriftsprache geschrieben ist, die "vielleicht noch im 11. Jh. v. Chr" mit Hilfe einer anderen Schriftsprache, in der die weiteren altaramäischen Inschriften geschrieben sind, "verbessert" wurde, scheint mir höchst fraglich. Außerdem zeugen die sprachlichen Unterschiede zwischen dem Sfire-Text und dem Hamat-Text (obwohl es nur wenige gibt) nicht für eine fest normierte westliche altaramäische Schriftsprache.

Mit Recht leitet Beyer das Aramäisch, das als Amtssprache im achämenidischen Reich gebraucht wurde, aus einer früheren, uns nicht aus In-schriften bekannten Form des Aramäischen ab (A., 28 f.). Ob die Sprache der aramäischen Texte dieser Periode wirklich so einheitlich ist, wie der Autor behauptet, bezweifele ich aber (A., 32 f.).

Beyer sagt, daß die biblisch-aramäischen Texte ursprünglich im achämenidischen Reichsaramäisch abgefaßt wurden (A., 33). "Doch da der masoretische Konsonantentext des Alten Testaments erst im 1. Jh. n. Chr... endgültig festgestellt wurde, konnten... spätere Schreibungen und Formen eindringen." Der Rez. fragt sich, ob man in dieser Weise den sprachlichen Unterschieden zwischen dem aramäischen Text von Ezra und dem von Daniel gerecht wird.

Es scheint mir unsicher zu sein, daß alle in nabatäischer Schrift geschriebenen Texte sprachlich einheitlich sind. Es gibt m. E. sprachliche Unterschiede zwischen den im Süden und im Norden gefundenen Texten. Daß die quadratschriftlichen Texte des Babata-Archivs in der nabatäischen Sprache geschrieben wurden (C., 20), wage ich zu bezweifeln.

Die Texte von Hatra und Assur sind nach Meinung des Autors in einer ostmesopotamischen Schriftsprache geschrieben (A., 46 f.). M. E. ist aber fraglich, ob die heute in einer Neuedition von Aggoula zugänglichen Texte aus Assur in einer Sprache geschrieben sind, die völlig identisch ist mit der der haträischen Inschriften.

In dem der Entwicklung des Aramäischen geweihten 2. Teil des 1. Kap.s hat der Autor im Ergänzungsband keine wesentlichen Änderungen vorgenommen. - Zu Recht sagt er, daß in der achämenidischen Schriftsprache das n vor einem anderen Konsonant nicht assimiliert wird (A., 90 f.). - Die
vom Autor vorgeschlagene Möglichkeit, das s-blt in Richt. xii 6 als "ein sinnloses Kunstwort" zu verstehen (C., 43), ist m. E. wenig wahrscheinlich. Wer die Stammesgenossen von den Feinden zu unterscheiden wünscht, wählt ein Wort, das diese Feinde nicht richtig aussprechen können, das aber die Stammesgenossen wohl richtig aussprechen können, weil es ihnen geläufig ist. - Daß das mmtth in der zweiten Nerab-Inschrift ein Infinitiv Qal ist (A., 147) scheint mir zweifelhaft. Es ist eher als Substantiv zu interpretieren. - Bei der Beschreibung des Übergangs vom Hafel zum Afel wird mit Recht zwischen Perfektum und Imperfektum unterschieden (A., 148). Die ältesten Beispiele von h > ' im Anlaut findet man in den Hermopolis-Papyri. Es scheint mir aber falsch zu sagen: "Von jetzt an ist h rein graphisches Kennzeichen des Kausativstammes" (A., ebd.). Dabei wird vorausgesetzt, daß diese Entwicklung, obwohl sie für das ganze aramäische Material bezeugt ist, sich in allen aramäischen Sprachen und Dialekten gleichzeitig vollzogen hat. Das halte ich für wenig wahrscheinlich. Daß der hebräische Name hws'(yh) in Cowl. 13:14 'ws'(yh) geschrieben wird (C., 54) kann m. E. nicht als Argument dafür benutzt werden, daß damals in Elephantine (jedenfalls in dem von den Schreibern in E. benutzten offiziellen Ara-mäisch) das Perfektum des Kausativs nicht mehr mit anlautendem h- ausgesprochen wurde.

In den aramäischen Sprachen ist die Opposition zwischen d. und c im Laufe der Zeit verloren gegangen. Beyer sagt in A. ( 101), daß "die aramäische Schrift" vom Ende des 6. Jh. v. Chr. an c schreibt. Die Opposition wäre also um 600 v. Chr. verloren gegangen. Zu Recht hat er diese Behauptung in C. (42) zurückgenommen. Nun sagt er: d. "wurde um 600 v. Chr. zunächst > g und erst um 200 v. Chr. > c". Obwohl aber der Amherst-Text zeigt, daß die Situation anders war als man sich ursprünglich gedacht hatte, irrt man sich m. E., wenn man annimmt, alle allgemein-aramäischen phonologischen Änderungen haben sich in allen aramäischen Sprachen fast gleichzeitig vollzogen. Auch muß damit gerechnet werden, daß nicht nur der Zeitpunkt des Oppositionsverlusts verschieden sein kann für die unterschiedlichen Sprachen/Dialekte, sondern daß dieser Zeitpunkt auch davon abhängig sein kann, ob der betreffende Konsonant am Wortanfang, am Wortende oder in der Wortmitte steht.

Im Ergänzungsband sind es das 2. Kap. (Die Texte) und das 4. (Wörterbuch), in denen die weitaus meisten Ergänzungen vorkommen (respektive C., 58-273, 302-450). Der Grund dafür ist die große Menge neuer Texte, die seit 1983 publiziert wurden. Die Textsammlung ist ein sehr wertvoller Teil der Bücher A. und C. Man kann sie mit der Textpublikation von J. A. Fitzmyer und D. J. Harrington vergleichen (A Manual of Palestinian Aramaic Texts, Rome, 1978, Biblica et Orientalia n. 34; = MPAT). Aber die Textsammlung von B. umfaßt ein größeres Gebiet und bietet selbstverständlich viele neue, seit 1978 publizierte Texte.

In dieser Sammlung finden sich nicht nur die Texte vom Toten Meer, sondern auch viele andere - vor allem all jene aramäischen Texte, die B. zufolge eine spezielle sprachliche Verwandtschaft mit dem Aramäischen der Texte vom Toten Meer zeigen. Das macht um so deutlicher, warum es notwendig war, in der Einleitung eine Übersicht der Gliederung des gesamten Aramäischen zu geben. Die Sammlung umfaßt Texte aus dem palästinischen Bereich und, zeitlich gesehen, Texte aus der Periode der ältesten Qumran-Texte bis zum 6. Jh. n. Chr. (Es gibt auch noch einige ältere und jüngere Texte in der Sammlung - in Fällen, in denen Beyer es für notwendig hält, sie hinzuzufügen; so hat er auch in C. noch Texte aus einer späteren Periode beigegeben: z. B. Text *yyZZ 32, ein Brief aus dem 8. Jh. n. Chr.; C., 243).

Man kann es bedauern, daß in C. die Art und Weise, in der die Texte angedeutet werden, nicht geändert wurde - z. B. h/gg/ssBS 3 (A., 378), um so mehr weil diese Andeutungen nicht alphabetisch geordnet sind: So steht z. B. J (der Text des himmlischen Jerusalems, A., 214 f., C., 95 ff.) hinter R (der Text der Abschiedsrede Amrams, A., 210 f., C., 85 ff.), und L (der Text des Testamentes Levi I, A., 188 ff., C., 71 f.) steht hinter P (Der Text der Abschiedsrede Josephs, A., 188, C., 71). Außerdem sind in C. zwischen R und J noch drei Texte hineingeschoben: II (der Text der Priestergeschichte), und zwei mit griechischen Siglen angedeutete Texte (der Text der Prophetengeschichten und der Text der biblischen Chronologie, C., 92 ff.). Das Alles macht eine schnelle Übersicht, besonders auch für den Benutzer des Wörterbuches, nicht so einfach. (Eine Liste der Texte aus Qumran, nach Q-Nummern geordnet, findet man in C., 58 - mit den korrespondierenden von Beyer benutzten Siglen und den Seiten, auf denen sie publiziert sind. Dennoch sind nicht alle Schwierigkeiten beseitigt.) - Texte, von denen kein einziger Teil in A. publiziert war, und die in C. hineingeschoben wurden, bekommen nicht nur ein eigenes Siglum, sondern werden auch mit einem Asterisk angedeutet: so z. B. Text *F (C., 108 f.) und *K (C., 109 ff.; diese Texte sind mit einigen anderen zwischen D und H eingeschoben).

Im 2. Kap. wird neben den Texten auch eine Übersetzung und eine Übersicht der betreffenden wissenschaftlichen Literatur gegeben. Ein Kommentar, in dem der Autor Rechenschaft ablegt über die von ihm bevorzugten Lesungen und Übersetzungen, gibt es nicht. Obwohl man in einigen Fällen sehr gerne wissen möchte, warum der Autor einen gewissen Text so oder so übersetzt, ist das Fehlen eines solchen Kommentars gut verständlich. Schon ohne Kommentar ist Beyers Buch äußerst umfangreich. Außerdem wäre es höchst undankbar, nur diese Fehlstelle anzumahnen, anstatt das viele wertvolle Material, das der Autor uns bietet, zu beachten.

Weil es sich bei Band C. um einen Ergänzungsband handelt, sind die in Band A. publizierten Texte und Interpretationen, falls der Autor heute nicht eine andere Lesung und Interpretation bevorzugt, nicht aufs neue publiziert und die betreffenden Formen nicht im Wörterbuch wiederholt. So werden für den Text yJE 20 (Text auf dem Ossuar des Königs Ussia; A., 343 = MPAT 70) in C. nur die neue Literatur mit einigen neuen Interpretationsvorschlägen erwähnt - z.B. daß Garbini (Oriens An-tiquus xxiv 67 ff.) den Text für eine Fälschung hält (was von anderen bestritten wird) und daß von Sokoloff (Maarav i 80) für die Form htyt eine andere Interpretation (als Haphel Pf. 1 p.s.) vorgeschlagen wird. Weil Beyer offensichtlich nicht mit der Interpretation von Sokoloff einig ist, wird in C. keine neue Übersetzung des Textanfangs gegeben und die Form taucht im Wörterbuch nicht mehr auf. Wenn es keine neue Lesung, Interpretation und Literatur gibt, wird ein Text nicht wieder erwähnt, so z. B. Text yJE 27 (A., 345).

Bestimmte Texte sind teils in A., teils in C. publiziert. So finden sich Teile des Genesis-Apokryphons (Text A und Text B) in A., die zum damaligen Publikationsszeitpunkt der wissenschaflichen Welt schon zugänglich waren (A., 165 f.). Die seitdem veröffentlichten Teile aber findet man in C. (68 ff.), wobei die in A. veröffentlichten Teile in C. eben nicht wiederholt werden. Nur wenn Beyer heute eine andere Lesung oder Interpretation als in A. bevorzugt, wird/werden die betreffenden Zeile(n) in C. zitiert - siehe Text A 21, 2 f., wo er damals brkt 'lh' las (A., 178), nun aber als wahrscheinliche Lesung brkt l'lh' angibt (C., 70). Man vergleiche auch Text A 20, 7 f., wo er ursprünglich übersetzte: "und die Zartheit ihrer Hände ist schön" (A., 174), doch nun auch die Übersetzung "das Werk ihrer Hände ist schön" für möglich hält (C., 70). In einem solchen Fall wird das betreffende Lexem (dl) für den betreffenden Text in C. von neuem behandelt (siehe A., 555, C., 333).

Obwohl die Entscheidung, nur Ergänzungen zu publizieren, durchaus verständlich ist, wäre es doch für den Benutzer einfacher gewesen, die heutige Lesung und Interpretation Beyers, z.B. des ganzen Genesis-Apokryphons, in einer Ausgabe zur Verfügung zu haben. Es kommt hinzu, daß durch die Weise, in der die Texte mit Siglen indiziert sind, es nicht immer einfach ist, schnell herauszufinden, wo ein bestimmter Text in A. oder C. steht. Will man das Wörterbuch dafür benutzen, kann es neue Schwierigkeiten geben, weil Beyer dort nur nach seiner eigenen, in bestimmten Fällen abweichenden Lesung referiert. Ein Beispiel: In Text I 1, 2 (der Text des Grabes von Jason in Jerusalem, = MPAT 89) liest Beyer qwn' (Zz. 1, 3, 4) und h.y kylwn (siehe A., 329), wo häufig respektive qyn' und hykylyn (das in verschiedener Weise aufgeteilt und interpretiert wird) gelesen wird. Man findet bei Beyer diese Wörter im Wörterbuch unter den Voces qny (A., 684) und h.y (A., 578), wo man qyn' und hykylyn nie suchen würde. (Der Rez. betrachtet beide Lesungen als nicht sehr wahrscheinlich.)

Man kann es zudem bedauern, daß Beyer, wenn er abweichende Lesungen angibt, keinen Kritischen Apparat hinzufügt, in dem die von anderen Forschern vorgeschlagenen Lesungen notiert sind, wie es z.B. Porten und Yardeni in ihren Textausgaben getan haben. Auch im Ergänzungsband fehlt ein solcher Apparat, wodurch die Übersicht über die von ihm vorgeschlagenen abweichenden Lesungen erschwert wird. Das ist um so bedauerlicher, weil Beyer in verschiedenen Fällen sehr interessante Lesungsvorschläge macht - z.B. in C. bei dem Text yyMA 2 (235), wo er statt des von Naveh und Shaked vorgeschlagenen kwrkwry' d(n)y' eine andere Lesart hat, die höchst interessant ist: kwrkwry 'dny' - 'dny' würde in diesem Kontext sehr gut passen.

Wie schon aus dem bisher Erläuterten hervorgeht, kann man das Wörterbuch in A. nicht ohne das Wörterbuch in C. benutzen. Aber man kann auch das Wörterbuch in C. nicht ohne das Wörterbuch in A. benutzen. Wörter aus in A. publizierten Texten, die Beyer heute nicht auf andere Weise liest oder interpretiert, werden nicht in C. wiederholt. So findet man in A., 706 unter dem Vox s-yzb die Form ysy[z]b[wn] zitiert (betrifft Text B 5,1; siehe A., 186). In C. findet man unter diesem Vox die Mitteilung "del. 'Impf. plur B 5,1'" (C., 420). Die neue Lesung ysyry['] wird hier auch nicht erwähnt. Sie findet man in der Textausgabe in C., 70 und im Wörterbuch von C., 359 unter dem Vox *ysyr. Eine Be-merkung über die ursprüngliche Lesung fehlt. Ich bin mir völlig dessen bewußt, daß die Herausgabe eines Ergänzungsbandes statt einer kompletten Neuausgabe viele, auch finanzielle Vorteile bietet. Der Preis, den die Leserinnen und Leser dafür zahlen müssen, ist ein gewisser Zeitverlust.

Das Wörterbuch enthält nicht nur den Wortschatz der von B. im 2. Kap. hg. Texte (wobei, außer bei einigen sehr häufigen Wörtern, alle Belege stets genannt sind), sondern auch Formen aus dem übrigen Aramäischen, besonders aus dem achämenidischen Reichsaramäischen (siehe A., 502). Das Wörterbuch bietet also eine sehr wertvolle Materialsammlung.

Wie schon gesagt bietet das papyrologische und epigraphische Material viele Schwierigkeiten: Lesungen und Interpretationen bleiben oft unsicher und umstritten. Es wäre ungerecht, das dem Autor vorzuwerfen. Aber auch der Rez. bevorzugt an einigen Stellen eine andere Lesung und Textinterpretation: In Text ggAG 1 (A., 372 f.) z.B. liest Beyer (mit Recht) in Z. 14 mlyh, er interpretiert das Wort mit "gefülltes (Wort)" (373) - also als Derivat der Wurzel ml'/mly. Ich würde die Interpretation "Wörter", die auch von Naveh und Shaked gegeben wird, bevorzugen (also als Plural von mlh). Beyer hat ebenfalls an diese Möglichkeit gedacht (A., 623, C., 249, 374). In derselben Zeile las Beyer in A. slqh, das er als Qal Part. act. s.f.abs. von slq interpretierte (siehe A., 372 f., 646). In C. gibt er als wahrscheinliche Lesung slqn an, das er wohl als Qal Part. act. pl.f.abs. interpretiert. Persönlich möchte ich die Lesung slqh beibehalten und es (wie es auch Naveh und Shaked tun) als Qal Pf. 3 p.pl.f. interpretieren.

Das 3. Kap. (Grammatik) ist in zwei Unterabteilungen untergliedert: 1) Die Schreibung (A., 409 ff.) - 2) Die Formenbildung (A., 423 ff.). Es gibt keine Syntax. (Im Wörterbuch wird aber angedeutet, mit welchen Präpositionen die jeweilige Verbalform verbunden ist.).

In der Unterabteilung, die der Schreibung gewidmet ist, wird jeder der 22 Buchstaben besprochen. Zudem wird angezeigt, welches Phonem/welche Phoneme durch den betreffenden Buchstaben bezeichnet wird/werden. Weil das Buchstabensystem und das Phonemsystem des betreffenden Aramäischen nicht völlig korrespondieren, wären je spezielle Unterabteilungen für Orthographie und Phonologie möglicherweise besser gewesen.

So bezeichnet der Buchstabe ursprünglich den "Knacklaut ", aber weil dieses Phonem am Silbenende verschwunden ist, wird er in den betreffenden Texten auch als Vokalbuchstabe (für unterschiedliche Vokale) und Hilfszeichen benutzt (siehe A., 409 ff., C., 277 f.). Außerdem bezeichnet der Buchstabe y "den Halbvokal y", dient aber auch als Vokalbuchstabe (für unterschiedliche auslautende Vokale; siehe A., 416ff., C., 280). In C., 281, wird in speziellen Fällen unter dem Buchstaben Resh der Oppositionsverlust zwischen den Phonemen r und l behandelt. Dieser Oppositionsverlust wird orthographisch indiziert, aber es ist doch selbstverständlich, daß diese phonetische/phonologische Entwicklung nichts mit Entwicklungen in der Orthographie zu tun hat. Ein anderes Beispiel ist der Buchstabe s, der ursprünglich als Bezeichnung von zwei aramäischen Phonemen benutzt wurde (Shin und Sin). Weil es einen Oppositionsverlust zwischen Sin und Samek gab, können in Fällen, in denen man es mit einem historischen Sin zu tun hat, die Buchstaben s und s benutzt werden, und es kann der Buchstabe s benutzt werden, wenn man es mit einem historischen Samek zu tun hat (siehe A., 421, C., 281). Dies alles macht m.E. eine getrennte Behandlung von Orthographie und Phonologie ratsam.

Die Unterabteilung des 3. Kapitels, die der Formenbildung gewidmet ist, ist weiter untergliedert:
1) Das Pronomen -
2) Das Nomen -
3) Das Verbum (respektive A., 423 ff., 425 ff.=, 461 ff.). In dieser Unterabteilung gibt Beyer eine Übersicht der belegten Formen, die er in C. mit dem Material der "neuen" Texte ergänzt hat (C., 281 ff.). Ich möchte auch dazu einige Anmerkungen machen:

In A., 461, spricht Beyer über die Stämme des Verbums. Er unterscheidet dort, wie es die meisten Grammatiker tun, den Grundstamm (Qal) und die abgeleiteten Stämme. Der Rez. betrachtet diese Terminologie nicht als richtig. Es scheint mir höchst unsicher zu sein, daß diese "Stämme" historisch vom Qal abgeleitet sind. Auch was die Bedeutung betrifft, sind sie im betreffenden Textmaterial nicht immer auf das Qal bezogen. Man vergleiche A., 465, wo Beyer die Beziehungen zwischen den Bedeutungen des Paels und des Qals angibt. Aber er nennt auch den Pael von qbl, dessen Bedeutung ohne Verbindung zu der des Qals ist. (B. führt auch eine Anzahl von Wurzeln auf, von denen ein Pael belegt ist, während das Qal sehr "ungebräuchlich" ist; siehe auch A., 468, wo B. Wurzeln nennt, von denen ein Aphel belegt ist, während das Qal "ungebräuchlich" ist). M.E. ist das Wort "abgeleitet" hier weder historisch noch synchron verantwortet.

Unter dem Titel Qal werden in A., 461 ff., sowohl das aktive als auch das passive Qal behandelt (siehe auch C., 291), unter dem Titel Pael das aktive und das passive Pael (A., 464 ff.), unter dem Titel Aphel das aktive und das passive Aphel (A., 467 f., C., 293). Wäre es nicht besser, das passive Qal/Pael/ Aphel als je selbständige Stämme zu betrachten, obwohl sie selbstverständlich eine enge Beziehung zum aktiven Qal/Pael/ Aphel haben? Man vergleiche auch das Itpael, das Beyer als den "reflexiv-passive(n) Stamm zum qal" bezeichnet (A., 463) und der doch als selbständiger Stamm betrachtet wird (siehe auch C., 292).

In C. (292) nennt Beyer das aramäische Palel "eine falsche Aramaisierung des mittelhebräischen polel". Nach Meinung des Rez. sollte man mit diesem Urteil vorsichtig sein, weil das Palel in der Tell-Fekheriye Inschrift belegt ist, jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit. Hier setzt Beyer m.E. zu Unrecht ein Fragezeichen.

Auf den Seiten, auf denen Beyer die Grammatik behandelt, gibt er viele Beispiele an, besonders aus älteren aramäischen Sprachen und Dialekten. Das ist eine wirkliche Bereicherung, die sein Werk noch wertvoller macht. Leider ist es dabei unvermeidlich, daß Beyer die Interpretationen bietet, die er als am wahrscheinlichsten betrachtet, obwohl nicht alle von allen Kollegen akzeptiert sind. Ein Beispiel: In A. interpretiert er das hqymny in Ah.iqar 173 als Aphel Pf. 3 p.s.m. + suff. 1 p.s. (475), obwohl eine Interpretation als Aphel Imper. s.m. + suff. 1 p.s. sehr wohl auch möglich ist und von verschiedenen Forschern bevorzugt wird.

Am Ende von A. findet man einige Register (A., 766 ff.), leider aber nicht am Ende von C. Doch auch an dieser Stelle wären Register sehr willkommen gewesen. Ein Register der epigraphischen Zitate fehlt.

Die Anmerkungen des Rez. betreffen nur Einzelheiten, die zweifellos noch vermehrt werden könnten. Sie schmälern aber keinesfalls den großen Wert der Arbeit Beyers. Was bleibt, ist die große Bewunderung für die Leistung des Autors.