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Ausgabe:

September/1996

Spalte:

866 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Naredi-Rainer, Paul [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Sinnbild und Abbild. Zur Funktion des Bildes.

Verlag:

Innsbruck: Universität Innsbruck, Inst. f. Kunstgeschichte 1994. V, 151 S. m. Abb. 4o = Kunstgeschichtliche Studien, NF1. Veröffentlichungen der Universität Innsbruck, 198.

Rezensent:

Friedrich Johannsen

Der Band enthält einzelne kunsthistorische Studien von Absolventen des Kunsthistorischen Instituts der Universität Innsbruck, die größtenteils Werke der sakralen Kunst unter der Perspektive ihrer Funktion erschließen und u.a. auch das Phänomen untersuchen, daß die Rezeption eines Kunstwerkes auch durch außerkünstlerische Faktoren beeinflußt wird. Dabei rückt insbesondere der Zusammenhang von Bildgestaltung und Bildrezeption in den Blick.

Sybille-Karin Moser problematisiert in ihrem Beitrag "Sinnbild und Abbild - Zur Funktion des Bildes" das in der Tradition der Kunstanalyse verhaftete Begriffspaar Sinnbild und Abbild und leitet an, Kunstwerke vom Wesen der Metapher her zu verstehen, in der nicht so sehr die Form wie die Funktionsbeziehung verglichen wird, durch die ähnlich der Poesie schöpferisch-fiktionale Wahrnehmung von Qualitäten angeregt werden, die Phantasie und Gefühl des Betrachters anregen. Anhand der Werke René Magrittes, die banale Dinge in unerwartete Funktionsbeziehungen setzen, zeigt sie die Chance und die Vorzüge dieser Zugangsweise auf.

Thomas Steppan taucht in seinem Beitrag "Überlegungen zur Ikone der Panhagia Portaitissa im Kloster Iwiron am Berg Athos" in die Welt der byzantinischen Ikonographie ein und erschließt ihre Funktion mit einem Rekurs auf die Spuren der Wirkung, die diese Kunst bei Rainer Maria Rilke hat. An seinem Beispiel wird illustriert, wie die unveränderliche Typologie der Ikone vom Betrachter in proskynetischer Kommunikation mit seiner Frömmigkeit und Liebe beseelt das dahinterliegende Mysterium Gottes transparent werden läßt.

Veronika Kaiser untersucht auf der Grundlage des theologisch geprägten Bilddenkens des Mittelalters am Beispiel "Bild, da sant Johans ruwet uff unser Herren Herczen", einem Bild der Christus-Johannes-Gruppe, die Funktion eines Andachtsbildes im 14. Jh.

Mit der Funktion von in Ex-voto-Tafeln eingefügten Gnadenbildern befaßt sich Markus Neuwirth: "Ex Voto. Die ,Allgemeinen und ungemeinen Gnaden' als ikonographische Mitbestimmung".

Lukas Madersbacher bereichert mit seinem Beitrag "Albrecht Dürers 'Allerheiligenbild'. Zur Genese einer Bildidee" die reiche Parlette der Bildanalysen und Auseinandersetzungen um ein exponiertes Werk Dürers und zugleich der Kunstgeschichte, indem er seine Deutung des Bildes im Zusammenhang der Entstehungsgeschichte und als Teil eines Gesamtkunstwerkes der Landauer-Kapelle erschließt. Er zeigt die Differenz zwischen Entwurf von 1508 und Ausführung 1511 auf und arbeitet die zeitkritischen Anspielungen des Bildes heraus, die durch die visionäre Schau nach Apokalypse 20 von Dürer als Mahnruf nach grundlegender Reform ins Bild gesetzt wird.

Das Menschenbild Auguste Rodins, der in seiner Plastiken mit der Darstellung der Physis die Psyche untrennbar verbindet, analysiert Michael Kausch unter den Leitmotiven Eros, Natur-Religion, Leid und Trauer, Das Bild der Frau, Arbeit; Der Künstler, Der bedeutende Mensch, Das Bild des Lebens, Psyche, Das Bild der Gesellschaft. Dabei wird durchgehend die Korrelation des Werkes mit der Situation des 19. Jh.s, u.a. in der für Rodin und seine Zeit charakteristische religiöse Sicht des Eros und der Expression der tiefen Ambivalenz menschlicher Existenz aufgezeigt.

Die spezifische Zugangsweise der Autoren, die den Rezeptionsvorgang mit einschließt und die differenzierte kunsthistorische Erschließung in Verbindung mit einer anschaulichen Bebilderung, gibt den am Zusammenhang von Religion und Kunst interessierten Leser vielfältige Anregungen, die auch im Bereich religionspädagogischer Bilddidaktik beachtenswert sind.