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Ausgabe:

Juli/August/1997

Spalte:

647–651

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Childs, Brevard S.

Titel/Untertitel:

Die Theologie der einen Bibel. Bd. 1: Grundstrukturen. Bd. 2: Hauptthemen.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1994/96. Übers. von Ch. u. M. Oeming. Titel der englischen Originalausgabe: Biblical Theology of Old and New Testament. Theological Reflexion on the Christian Bible. 411 u. 495 S. 8. Geb. DM 88,- u. 98,-. ISBN 3-451-23291-X u. 3-451-23292-8.

Rezensent:

Gerhard Barth

Unter den mannigfachen Bemühungen um eine "Biblische Theologie" in den vergangenen Jahren ist vor allem die Arbeit von Brevard S. Childs hervorzuheben. Nach verschiedenen Vorarbeiten(1) erschien das Ergebnis seiner Überlegungen in: Biblical Theology of Old and New Testament; Theological Reflexion on the Christian Bible, London 1992(2). Dieses Werk hebt sich von anderen diesbezüglichen Arbeiten nicht nur durch seine breite Gelehrsamkeit, sondern vor allem durch seine eigenartige Konzeption ab, die von der Bedeutung des Kanons in der christlichen Kirche ausgeht. Weder dürfe man mit Hans Hübner biblische Theologie auf den Gebrauch gründen, den die neutestamentlichen Autoren vom Alten Testament machten, noch mit Hartmut Gese die Bedeutung des Alten Testaments zur traditionsgeschichtlichen Vergangenheit des Neuen Testaments reduzieren, wodurch seine eigenständige Bedeutung und seine "vertikale, existentiale Dimension verloren" gingen(3). Vielmehr sei von der Bedeutung des Kanons für die christliche Kirche auszugehen.

1. Der Einsatz beim Kanon: In den beiden einleitenden Kapiteln des 1. Bandes wird über die Entwicklung der Disziplin "Biblische Theologie" und über deren Modelle in Gegenwart und Vergangenheit referiert, bevor der eigene neue Ansatz dargelegt wird. Schon beim Forschungsüberblick betont der Vf., daß es darum gehe, die "Bibel als Ganzes" zu verstehen (I, 26) und zwar im Umfang des Kanons. Die Kirche verstand den Kanon von Altem und Neuem Testament "als das maßgebliche Wort Gottes", das für sie verpflichtend bleibt. Darum sei nach der inneren Einheit dieses aus Altem und Neuem Testament bestehenden Kanons zu forschen.

Die seit der Aufklärungszeit stattgefundene Entwicklung der Bibelwissenschaft, die immer mehr nach der Geschichte des Volkes Israel und seiner Religion fragte, sieht er als eine verhängnisvolle Fehlentwicklung an. Nicht nach der Religion Israels in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien, Schichten und Gruppen sei zu fragen, sondern nach dem Glaubenszeugnis der Bibel. Man müsse zwischen "der Bibel als Quelle und der Bibel als Glaubenszeugnis" (I,133) unterscheiden. Mit "Bibel als Quelle" meint der Vf. dabei: Bibel als religionsgeschichtliche Quelle. Nun ist es eine durchaus berechtigte und verständliche Forderung, die Bibel als Glaubenszeugnis zu verstehen. Freilich kann man auch dann noch sie als Quelle lesen, nämlich als Quelle für das Glaubenszeugnis der verschiedenen Zeugen und Gruppen im Alten und Neuen Testament. Aber auch dies lehnt der Vf. ab: "Warum beschränkt man seine Aufmerksamkeit nicht allein auf die Endgestalt (Hervorhebung von mir) des ka-nonischen Textes, statt Vorformen dieses Zeugnisses erkunden zu wollen" (I, 132)?

Zwar kommt er nicht umhin, solche von der Forschung herausgearbeiteten "Vorformen" des Zeugnisses und frühere Schichten etwa der Evangeliumsverkündigung zur Kenntnis zu nehmen, aber solche älteren Traditions-ebenen dürfen nur dazu dienen, die Endgestalt des kanonischen Textes besser zu verstehen (I, 310). Sie sind nicht als eigene Gestalt des Zeugnisses darzustellen. Immer wieder betont er, man dürfe die verschiedenen literarischen Schichten nicht isolieren oder zu einer Entwicklungslinie historisieren. "Vielmehr sind die verschiedenen Schichten in eine einzige autoritative literarische Komposition eingegangen (II, 94); eben das ist die Bedeutung des Kanons. Für diesen Kanon gilt, daß der Umfang der hebräischen Bibel maßgebend ist, in der die sogenannten Apokryphen nicht dazugehören. An-dererseits habe sich die Kirche nicht an die jüdische Dreiteilung des Alten Testaments in Tora - Propheten - Schriften gehalten, sondern mit der Septuaginta eine andere Reihenfolge der Schriften aufgenommen. Zwar ist die Entstehungsgeschichte dieser Reihenfolge komplex und es habe wohl verschiedene Zusammenordnungen der alttestamentlichen Bücher gegeben. "Die christliche Kirche kreierte nicht eine eigene Ordnung de novo, sondern wählte eher aus verfügbaren Optionen eine Ordnung, die am besten ihr neues evangelisches Verständnis der hebräischen Schriften reflektierte" (I, 98): Geschichtsbücher am Anfang, Propheten am Ende. "Der Effekt war, den alten Bund mit Israel als eine historische Periode in der Vergangenheit darzustellen" (I, 9). Diese behielt zwar Offenbarungswert, aber die weitergehende Kontinuität sah man mehr in den Worten der Propheten, die mit ihren Verheißungen auf die Erfüllung im Neuen Testament hinweisen. Daraus folgt für den Vf.: Das Alte Testament ist Verheißung, nicht Erfüllung. "Beide Testamente legen je auf ihre Weise ein Glaubenszeugnis von Jesus Christus ab, das zunächst getrennt voneinander gehört werden muß und dann im Konzert vereinigt" (I, 102). Auffallend ist dieses Umschwenken vom Um-fang des hebräischen Alten Testaments zur Reihenfolge des griechischen: Geschichtsbücher - Lehrbücher - prophetische Bücher. Diese im 4. Jh. ka-nonisierte Reihenfolge bekommt gewissermaßen Offenbarungsqualität!

In dieser kanonischen Endgestalt ist die Bibel als Einheit zu erfassen. "Eine Theologie des Alten Testaments ist nicht mit einer historischen Beschreibung von Israels Religion zu verwechseln, sondern sie ist Israels ureigenstes Glaubenszeugnis, eine Perspektive aus dem Inneren des Glaubens (II, 90). Darum dürfe die Denkbewegung nicht auf der textlichen Ebene stehen bleiben, sondern müsse die verschiedenen Stimmen im Verhältnis zur göttlichen Realität hören (I, 111), müsse vom Text zur göttlichen Realität führen und dann wieder den Text von der göttlichen Realität her verstehen. Der Vf. plädiert so für einen sensus plenus, der über den sensus literalis hinausgeht (II, 47ff.). Dabei ist die kanonische Endgestalt der Bibel die maßgebende Norm.

2. Das Glaubenszeugnis der getrennten Testamente: Nach solcher Darlegung seiner neuen Konzeption von Biblischer Theologie folgen im 1. Band als 3. Kapitel "Das Glaubenszeugnis des für sich allein genommenen Alten Testaments" und als 4. Kapitel "Das Glaubenszeugnis des für sich allein genommenen Neuen Testaments". Wer hier allerdings eine Entfaltung des im Alten und Neuen Testament enthaltenen Glaubenszeugnisses erwartet, sieht sich enttäuscht. Vielmehr bietet der Vf. einen Abriß der verschiedenen exegetischen und forschungsgeschichtlichen Probleme, die sich im Durchgang durch die verschiedenen alttestamentlichen Bücher von der Genesis bis zu den Propheten und Psalmen, von der Schöpfung über Vätertraditionen, Moseüberlieferung, Landnahme, Königtum bis zu Exil und Restauration unter Esra ergeben. Die exegetischen und historischen Probleme werden skizziert, aber auch gleich wieder relativiert um der übergeordneten Einheit willen. So wird etwa die Diskrepanz zwischen der wohl faktisch erfolgten Landnahme und ihrer Darstellung im Buch Josua dadurch überspielt, daß zwar von der deuteromistischen Redaktion gesprochen, zugleich aber betont wird, daß dahinter doch auch ältere Traditionen stünden (I, 176 ff.).

Auch beim Neuen Testament wird nicht das Glaubenszeugnis der einzelnen Zeugen oder Schriften dargelegt, sondern es werden die exegetischen, traditionsgeschichtlichen und historischen Probleme genannt, die sich etwa bei den paulinischen Schriften, den Evangelien und der älteren vorpaulinischen Überlieferung ergeben. Daß der Vf. eine Darstellung der Verkündigung des historischen Jesus ablehnt, wird derjenige verstehen, der etwa von den Überlegungen der Bultmannschule herkommt. Daß aber auch das Glaubenszeugnis der nachösterlichen Gemeinden und Zeugen nicht entfaltet wird, verwundert, und läßt sich wohl nur so verstehen, daß es um der Darlegung der kanonischen Endgestalt willen unterbleibt.

3. Hauptthemen: Das 6. Kapitel (im 2. Band) soll unter der Überschrift "Theologische Reflexion über die christliche Bibel" nun deren Hauptthemen bringen. Eingeteilt wird in 10 Abschnitte: 1. Die Identität Gottes; 2. Gott der Schöpfer; 3. Bund, Erwählung, Volk Gottes; 4. Christus, der Herr; 5. Die Versöhnung mit Gott; 6. Gesetz und Evangelium; 7. Der alte und der neue Mensch; 8. Biblischer Glaube; 9. Die Königsherrschaft Gottes; 10. Die Gestaltung des gehorsamen Lebens: die Ethik. Dabei wird das jeweilige Thema zunächst im Blick auf das Alte Testament behandelt, danach im Blick auf das Neue Testament, gefolgt von einer "biblisch-theologischen Reflexion" und schließlich von Überlegungen über das Verhältnis von Biblischer Theologie zur Dogmatik. Immer erhält man einen hilfreichen Überblick über Inhalt und Problematik des jeweiligen Themas. Angesichts des gleichbleibenden Behandlungsschemas genügt es, den einen oder anderen Abschnitt näher zu beleuchten.

Der 1. Abschnitt ist überschrieben mit "Die Identität Gottes". Hier wird zunächst die Vielfältigkeit des alttestamentlichen Glaubenszeugnisses von Gott benannt, darunter auch Gottes Verborgenheit (II, 16) und hypostasenartige Vorstellungen (II, 19). Mit T. E. Fretheim4 betont der Vf. auch Aussagen, nach denen Gott mit seinem Volk leiden kann (II, 20 f.), eine im Blick auf die neutestamentlichen Passionsaussagen hilfreiche Beobachtung. Die Ausführungen bleiben aber leider sehr einflächig, ohne ge-schichtliche Tiefenschärfe. Daß Israels Gotteserkenntnis in im-mer neuen Erfahrungen mit Gott gewachsen ist, korrigiert und auch modifiziert wurde, bleibt unbeachtet. Der Gedanke einer geschichtlichen Entwicklung wird mit der geradezu dogmatischen These abgelehnt, es gebe keine "bewußte Transformation" des Gottesverständnisses (II, 24). Als ob es nur um bewußte Transformationen gehen könnte! Im Blick auf das Neue Testament wird vor allem die Kontinuität betont:

Es ist der Gott des Alten Testaments, der verkündigt wird, auch wenn hellenistische Einflüsse nicht bestritten werden können (II, 27). Selbst im Blick auf die Christologie wird diese Kontinuität betont. An den Eigenarten des Gottes Israels hat Jesus Anteil, wozu er sich ausdrücklich auf das Alte Testament berufe (II, 29). Daß sich im Neuen Testament bereits eine Entwicklung zur Trinitätslehre hin findet, darin sieht der Vf. keine Spannung zum Alten Testament. Die Trinitätslehre sei nur der Versuch, Einheit und Unterschiedenheit Gottes im Alten und im Neuen Testament zu reflektieren (II, 43).

Besonders gespannt ist man auf den 4. Abschnitt, in dem un-ter der Überschrift "Christus, der Herr" die Christologie entwickelt wird, und in dem die Spannung zwischen den beiden Testamenten am deutlichsten hervortreten muß. Aber wieder wird nur die Kontinuität betont, die Diskontinuität möglichst übergangen. Der Vf. bringt zunächst einen kurzen Überblick über die verschiedenen messianischen Erwartungen im Alten Testament, von der Davidsverheißung über die Königspsalmen bis zum Menschensohnwort Dan 7,13 f. Sodann wird der Ge-brauch christologischer Titel bei den wichtigsten neutestamentlichen Zeugen skizziert. Mit Recht wird betont, daß der Inhalt des Messiastitels sich nicht aus einem vorher fixierten jüdischen Konzept ergibt (II, 138), sondern durch die Erfahrung mit Jesu Leben, Tod und Auferstehung neu bestimmt wurde. Aber das Problem, das sich aus der Vielzahl und Verschiedenheit christologischer Titel und Konzeptionen ergibt, wird relativiert, um eine harmonische Einheit für die "Wirklichkeit" Jesu Christi zu erhalten (II, 144).

Sodann wird die theologische Bedeutung des irdischen Lebens Jesu betont, wozu dieses in seinen wichtigsten Daten von der Präexistenz und Geburt bis zur Himmelfahrt dargelegt und Präexistenz und Jungfrauengeburt genauso als Fakten behandelt werden wie Jesu Bergpredigt und seine Versuchung in der Wüste. So legen Altes und Neues Testament auf unterschiedliche Weise Zeugnis von Jesus Christus ab (II, 162). Im Zentrum des Alten Testaments steht Gottes Bund mit Israel. Gott will für Israel der "Immanuel" = "Gott-mit-uns" sein. Dieses "Gott-mit-uns" zeige sich einerseits in den verschiedenen Selbstoffenbarungen Gottes in der Geschichte Israels, andererseits in den Ämtern des Königs, des Priesters und des Propheten. Aus der Weigerung der Könige Israels, ihre Berufung treu zu erfüllen, erwuchs die Hoffnung auf einen wahren Sohn Davids, der letztendlich Gottes Herrschaft erfüllen wird (II, 163). So bringt das Neue Testament die Erfüllung des im Alten Testament Vorabgebildeten und Erwarteten. Daß es neben dieser Kontinuitätslinie auch Spannungen und Diskontinuität gibt, wird bagatellisiert.

4. Erwägungen zum Ganzen: Wer eine Theologie der Einen Bibel als Zusammenfassung des alttestamentlichen und neu-testamentlichen Glaubenszeugnisses schreibt, muß sich überlegen, wie sich dieses Unternehmen zur üblichen Aufgabe der Dogmatik verhält. Es gehört zu den Stärken der Arbeit des Vf.s, daß er dieses Gespräch mit der Dogmatik und ihren einzelnen Vertretern von Calvin bis A. Ritschl und von K. Barth bis J. Moltmann immer wieder führt. Den großen Koryphäen der Bibelwissenschaft wirft er vor, daß sie alle im Rahmen verschiedener dogmatischer und philosophischer Traditionen denken (I, 30). Gerade das will er nicht. Er will nicht eine "neue Geschichtsphilosophie" offerieren (I, 246). Seine Biblische Theologie will nicht Ersatz oder Konkurrenz der dogmatischen Theologie sein, sondern er will "einen kritischen Standpunkt (bieten) gegen die verschiedenen Versuche systematischer Christologie" (sc. und Theologie), "die auf der Hypothese eines zerstörten oder entmythologisierten biblischen Zeugnisses aufgebaut werden" (II, 166). Er sieht also die Dogmatik von allzu radikalen Thesen der historisch-kritischen Bibelwissenschaft bedroht. Darum sein ständiger Versuch, Spannungen, Differenzen und Diskrepanzen zu minimalisieren, die die Harmonie des Einheitsbildes stören könnten. Darum auch sein Beharren auf der allein autoritativen Endgestalt des kanonischen Textes. Aber erliegt der Vf. damit nicht ungewollt einer neuen Geschichtsphilosophie oder -theologie, die die Kanonisierung der Endgestalt der beiden Testamente in der Alten Kirche zu einem offenbarungsgeschichtlichen Geschehen macht, dem alle älteren Stufen des biblischen Zeugnisses unterzuordnen und an dem sie zu messen sind?

Der Verdacht, daß auch des Vf.s Biblische Theologie heimlich von einer bestimmten Dogmatik gelenkt sein möchte, die aber nicht systematisch reflektiert wird, kommt dem Leser spätestens beim Lesen des 2. Bandes. Der Aufbau in zehn Abschnitten mit Gottes Wesen am Anfang und der Eschatologie am Schluß, erinnert doch sehr an die Loci der altprotestantischen Dogmatik, vor allem, wenn man sieht, wie die Eschatologie, entgegen ihrer Bedeutung im Neuen Testament, wo sie mit ihrer Spannung zwischen präsentischen und futurischen Aussagen ganz und gar die christliche Existenz bestimmt, zu einem locus de novissimis reduziert ist. Aber was für eine Dogmatik ist das, die ihn heimlich leitet, etwa wenn er die Christologie (als 4. Abschnitt) der Ekklesiologie (als 3. Abschnitt) deutlich nach- und unterordnet, und so die Wertung des Neuen Testaments, in dem die Ekklesiologie eindeutig der Christologie nach- und untergeordnet ist, direkt auf den Kopf stellt? Oder wenn die Bedeutung von Wort und Sakrament für die Vermittlung des Teils gänzlich ausfällt? Oder ist das nur eine Nachwirkung historisch-alttestamentlicher Exegese? Der vorbildgebende Einfluß der altprotestantischen Dogmatik begegnet andererseits immer wieder5, besonders deutlich etwa, wenn Gottes Heilsgegenwart in Israel nach Königtum, Priestertum und Prophetentum, also nach dem munus triplex Christi darzustellen versucht wird (II, 163).

Das entscheidende Problem dieser Biblischen Theologie aber ist ihre Entgeschichtlichung des christlichen Glaubenszeugnisses. Nur die Endgestalt in der kanonischen Zusammenordnung des 4. Jh.s zählt, nicht ihre jeweilige geschichtliche Konkretisierung durch das Zeugnis eines Jesaja, Paulus oder Johannes. Übersehen wird dabei, daß es das christliche Glaubenszeugnis immer nur in der konkreten Zuspitzung auf eine bestimmte geschichtliche Situation und ihre jeweiligen Menschen gibt, und daß es dieses Zeugnis also immer nur ausgelegt in eine bestimmte geschichtliche Situation hinein und also nie unausgelegt als zeitlose theologische Sätze gibt. Statt dessen sucht der Vf. ein geschichtsloses, zeitloses allgemeines Glaubenszeugnis zu bieten, in dem alle Eigenschaften Gottes oder christologischen Titel gleichartig nebeneinander stehen, in dem es keine Entwicklung in der Gotteserkenntnis, damit aber auch keine Bemühung um besseres Erfassen und kein Wachsen gibt. Sein Bemühen um "Verstehen" des biblischen Zeugnisses (I, 246), um eine Perspektive aus dem "Inneren des Glaubens" (II, 90), die nicht beim Text stehen bleibt, sondern nach dem vom Text Gemeinten fragt, ist sicher zu begrüßen. Aber dies kann man eben nicht, indem man die Ebene der historischen Zeugen mit ihrer Zeitbedingtheit überspringt und nur nach dem kanonischen Endtext fragt. Der Rez. hat aus den beiden Bänden viel gelernt und eine Fülle von Einsichten gewonnen, aber einen Weg zu einer vertretbaren Biblischen Theologie kann er hier nicht sehen.

Fussnoten:

1 B. S. Childs, Biblical Theology in Crisis, Philadelphia 1970; ders.: Introduction to the Old Testament as Scripture, London-Philadelphia 1979; ders.: The Canonical Approach and the "New Yale Theology". The New Testament as Canon, London-Philadelphia 1984/85, 541-546; ders.: Die Bedeutung der hebräischen Bibel für die biblische Theologie, ThZ 48 (1992), 382-390.

2 Deutsche Übersetzung durch Christiane und Manfred Oeming unter dem Titel: Die Theologie der einen Bibel, Bd. 1: Grundstrukturen, Bd. 2: Hauptthemen, Freiburg/Basel/Wien 1994/96. Im folgenden wird nach der deutschen Übersetzung zitiert.

3 H. Hübner, Biblische Theologie des Neuen Testaments, Bd. 1-3, Göttingen 1990-1995; H. Gese, Erwägungen zur Einheit der biblischen Theologie, ZThK 67 (1970), 417-436; bei Childs, 101-103.

4 T. E. Fretheim, The Suffering of God, Philadelphia 1984.

5 Vgl. den häufigen Verweis auf H. Schmid, Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, 1843 und H. Heppe, Die Dogmatik der evangelisch-reformierten Kirche, Neudruck. Neukirchen 21958 in II, 225, 249, 264, 330.