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Ausgabe:

Juni/1996

Spalte:

547 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Smith, P. A.

Titel/Untertitel:

Rhetoric and Redaction in Trito-Isaiah. The Structure, Growth and Autorship of Isaiah 56–66.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1995. XI, 228 S. gr.8° = Supplements to Vetus Testamentum, 62. Lw. hfl 110.-. ISBN 90-04-10306-6.

Rezensent:

Gerhard Wallis

Nach der Abtrennung der letzten elf Kap. des Jesajabuches durch B. Duhm (1892) wird dieses Korpus neben Deuterojesaia (Kap. 40-55) unter dem Namen Tritojesaja zusammengefaßt. K. Elliger unterstützte in einer viel beachteten Studie (1928) die Geschlossenheit dieses Buches. Dennoch hat die Disparatheit des Stoffes zu erheblichen Zweifeln an der Einheit seines Autors geführt. Die literar- und die redaktionskritischen Bemühungen um den Stoff, ebenso wie die form- wie traditionsgeschichtlichen Darlegungen und die Kommentare haben diese Bedenken weithin zum Gegenstand gehabt. Besonders seit Beginn der achtziger Jahre haben sich eine Reihe von Monographien und Kommentare mit diesem Problem auseinandergesetzt: E. Achtemeier (1982), W. A. M. Beuken (Jesaja Deel III A/B, 1989), S. Sekine (1989), K. Koenen (1990), O. H. Steck (1991), abgesehen von einer Fülle von Einzeluntersuchungen zu verschiedenen Stellen des Tritojesajabuches. Diese Forschungen haben gemeinsam, daß sie verständlicherweise und überwiegend von der Textebene ausgehend, hieran die Analyse sowie die Redaktionsvorgänge vorstellen. Nun ist gerade die in Frage kommende späte und die frühnachexilische Zeit unter der Achämenidenherrschaft so unzulänglich bekannt und durch Quellen belegt, daß die in Betracht kommenden Texte zu ihrem zeitlichen und örtlichen Umfeld recht lose im Verbindung stehen. Infolge ihrer Multivalenz ist die Datierung der Einzeltexte nur sehr bedingt und ungenau möglich. Sie reicht von der exilischen bis in die hellenistische Zeit hinab, so daß die Einheit dieser Kap. und ihres Autors überhaupt fragwürdig werden.

Nun setzt eine solche Bündelung und Überlieferung von Dichtungen ja eine Trägergruppe voraus, die diese gesammelt, abgeschrieben und gepflegt hat, da sie an diesen persönlich interessiert war, wohl sich in ihnen bestätigt sah, worauf schon K. Pauritsch (1971) hingewiesen hat. Gerade dieses Kriterium legt auch P. A. Smith zugrunde, indem er in Methodical Considerations (7-21) die poetischen Formen (7 ff.) wie Metrum und Redewendungen (Speech Formulae, 10 f.), Wechsel der Anrede oder des Adressaten sowie des Gegenstandes (12 f.), formkritische Gestaltung (13 f.), traditionskritische Kriterien (15 f.), rhetorische und ähnliche Stilformen (16 f.) wie Chiasmus und Refrain und ähnliches behandelt. Dadurch wird eine stärkere formale Geschlossenheit erkennbar. Der Autor schreibt die psalmartige, heilsverkündende Dichtung von K. 60,1-63,6 dem Propheten Tritojesaja (TI) selbst, einem an Deuterojesaja gebildeten Verfasser, zu (II 22.49), zumal eine ganze Reihe von Anklängen an Deuterojesaja erkennbar sind. Davon unterscheiden sich Stücke wie K. 56,1-8 (III 50-66), 56,9-57,21 (IV 67-96), K. 58-59 (V 97-127) und K. 65-66 (VI 128-173), die von ihrer sprachlichen Anlage her wiederum eine gewisse Einheit bilden und einem anderen Autor zugeschrieben werden, einem Tritojesaja 2 (TI 2). In einem besonderen Gedankengang wird: The Autorship of Isaiah 56-66 bedacht (VII 173-186), ebenso: The Dating and Historical Background of Isaiah 56-66 (VIII 203).

Der Gang der gesamten Komposition wird dann so gesehen: Am Anfang steht die psalmenartige Heilsbotschaft: K. 60,1-63,6, K. 56,1-8 bietet den einführenden Rahmen (conditional framework), K. 58,1-59,20 die Brücke zu DI, eine Reinterpretation der Verheißung Tritojesajas. Weiter wurde K. 56,9-57,21 hinzugefügt als Weisung für die, die an der Rettung teilhaben werden. Abschließend wird K. 65,1-66,17 als kritische Antwort auf die Klage von K. 63,7-64,11, ein exilisches Klagelied, hinzugefügt. K. 66,18-24 ist a later appendix, der die Kap. 56-66 abrunden soll. Diese Verse enthalten eine Gerichts- und Sühnungsbotschaft für die jüdische Gemeinde, während 59,21 wahrscheinlich in der Mitte des fünften vorchristlichen Jh.s entstanden ist.

Der gesamte Stoff wird von einer frommen jüdischen Ge-meinde getragen, die gegenüber den verfestigten und konservativen (reaktionären?) Gemeinschaftsformen eine reformatorische Haltung vertritt. Bei dieser Gelegenheit wird vom Autor die Literatur abgehandelt, die sich mit der Gruppen- und Sektenbildung in der nachexilischen Zeit befaßt, um die Kulisse anzudeuten, vor der sich der traditionsgeschichtliche Vorgang des Tritojesajabuches abspielt. Dabei aber besteht die Gefahr, daß die Kap. des Tritojesajabuches, für die der Hintergrund erstellt werden soll, selbst schon als Quellen dienen und für die angenommene Gemeindebewegung genutzt werden.

Auf jeden Fall ein interessanter Versuch, die Einheit des Tritojesajabuches zu vertreten, ohne auf einen einzigen Autor zu bauen, aber auch ohne daß die Gedichte in alle zeitlichen Winde zerstreut werden.