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Ausgabe:

Juli/August/1997

Spalte:

663 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Seifert, Brigitte

Titel/Untertitel:

Metaphorisches Reden von Gott im Hoseabuch.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996. 285 S. gr. 8 = Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 166. Lw. DM 98,-. ISBN 3-525-53848-0.

Rezensent:

Helgard Balz-Cochois

Metaphern, sprachliche Bilder, oft von symbolischer Tiefe, be-gegnen am häufigsten im ,Metapherngestöber' der Lyrik. Aber auch die Propheten des Alten Bundes haben metaphorisch geredet, vor allem von Gott. Wie ,richtig' ist solches Reden an sich und für uns heute? Ein so wohlbeackertes Feld wie das Hoseabuch mit der Frage nach Wesen und Gewinn metaphorischen Redens von Gott erneut durchzupflügen, lohnt sich allemal und besonders dann, wenn die Furchen so übersichtlich und sachverständig gezogen sind wie im Falle der vorliegenden Berliner Dissertation von 1993, die unter anderem zum Ziel hat, "die Fragen der alttestamentlichen Exegeten mit denen der Systematiker zu konfrontieren" (86).

Die beiden Hauptteile sind ungleichen Umfangs. Im ersten Drittel, Zur Theorie der Metapher (11-86), werden zunächst An-sätze für eine neue, Aristoteles überholende Metaphorologie in Auswahl diskutiert, u. a. H. Weinreich, P. Ricoeur, Max Black. Von letzterem entlehnt Seifert die besonders Anglisten wohlbekannte Interaktionstheorie der Metapher mit ,Fokus' und ,Filter'. Es folgt ein Abschnitt zur Theorie der theologischen Metapher mit Begriffsklärungen (Allegorie, Symbol, etc.), einer Verhältnisbestimmung von Metapher und Analogie, sowie der Frage nach der Referenz von theologischen Metaphern: Auf welche Wirklichkeit beziehen sie sich? Könnten sie etwa lügen, wie Dichter lügen? Etwas knapp, aber doch grundlegend wird so-dann das Analogieverständnis der Systematiker W. Pannenberg (,Analogie und Doxologie') und E. Jüngel (,Analogie des Ad-vent') diskutiert mit dem Ergebnis: Sprache des Glaubens ist wesentlich metaphorisch. Und: Die Referenz theologischer Me-taphern setzt Gottes Offenbarung voraus, nicht nur in Christus, sondern "auch für das Alte Testament ist eine Analogie des Ad-vent anzunehmen als Bedingung der Möglichkeit, metaphorisch von Gott zu reden" (86). Als Grundoffenbarung gilt für Hosea das JHWH-Wort: ,Ich bin dein Gott von Ägypten her'.

Der zweite Hauptteil, Exegesen (87-263), enthält vier Ab-schnitte thematisch gruppierter Textauslegung: ,Betrogene Liebe' am Anfang, am Ende ,Unbegreifliches Erbarmen' JHWHs; in der Mitte ,Metaphern des Verderbens' und ,Metaphern der Fürsorge'. Ein fünfter Abschnitt faßt die Ergebnisse zusammen. An Erkenntnisgewinn aufgrund der Gottesmetaphern ergibt sich: Der ferne (Staats-)Gott kommt nahe, in der Fürsorge wie im Verderben; der (kultisch) Unverfügbare macht sich vertraut; der Eine ist vielseitig und vor allem: geschichtsbezogen. Abschließende Überlegungen zur Grenze menschlichen Redens von Gott führen zur via negationis. - Dem Literaturverzeichnis sind angefügt die 22 (mit Unterpunkten 72) Thesen für die öffentliche Disputation: sehr hilfreich als Ergebnisübersicht.

Die Ergebnisse der Exegesen sind an sich nicht neu. Beachtlich ist ihre vorbildliche Erarbeitung. Alte Streitfragen werden umsichtig diskutiert und in der Mehrzahl der Fälle einleuchtend

entschieden. Ein Beispiel: die neuere quaestio disputata, ob in Hos 11 JHWH als Vater oder als Mutter vorgestellt sei (198 ff.). Eine Theologin, die für ,Mutter' plädiert, und ihr Kritiker werden angehört, und beiden wird ihr relatives Recht in einer ausgewogenen, vom gesunden Menschenverstand nicht weniger als von theologischem Sachverstand geleiteten Argumentation.

Ebenfalls nicht in einem gänzlich neuen, doch in einem schärferen Licht erscheinen die Ergebnisse der Wesensbestimmung metaphorischer Rede und ihrer Tragweite in Hoseas Reden von JHWH. Das schärfere Licht ist den Schneisen zu verdanken, die ins Gestrüpp der immerhin schon über ein halbes Jahrhundert alten und entsprechend unübersichtlichen Me-tapherndiskussion der neueren Literaturwissenschaft und ihrer Rezeption in der systematischen Theologie geschlagen werden. So etwa durch eine germanistische Arbeit, in der es von Sememen und polysemischen Lexemen derart sinnverdüsternd wimmelt, daß es, zumindest für die Rezn., erst licht wird, wenn am Ende des Referats (28), herbeizitiert von der Autorin, "Ariel" als Waschpulver und anschauliches Problembeispiel erscheint... Angesichts der vermittelten Durchblicke läßt sich übersehen, daß die Symboldefinition (63) unbefriedigend einseitig bleibt.

Es wäre lohnend gewesen, eine klassische Symboltheorie (prominentester Vertreter: Goethe; neuerer Theoretiker: H. Pongs) in ihrer Reichweite für die Rede von Gott vergleichend zu erörtern. Im Hinblick auf das ausdrückliche Konfrontationsanliegen (s. o.) sind die Anfragen und Anleihen bei Pannenberg und Jüngel als Mitte der theologischen Denkbewegung der Arbeit zu bewerten. In dieser Mitte führt das Metaphernproblem in der Nachfolge des alten Analogieproblems zu immer neuen Fragen: nach dem Verhältnis von Sprache und Wahrheit, Wirklichkeit, Seinsweisen und Geheimnissen der Welt.

Weitere Fragen für das wünschenswerte Gespräch zwischen den Disziplinen ergäben sich aus der etwas kurz entschlossenen Übertragung einer im Christusereignis begründeten ,Analogie des Advent' auf den JHWH-Glauben des 8. Jh.s v. Chr. Das ist formal zwar problemlos und gilt so für das Glauben in allen Religionen. Inhaltlich bleibt es ein immer neu zu lösendes Problem. Wie Metaphern filternd und fokussierend interagieren, legt die Arbeit in aller wünschenswerten Deutlichkeit dar. In welcher Auswahl aber oder Neuinterpretation kämen Hoseas Metaphern für christliche Verkündigung heute in Frage? Wie weit erscheinen sie problematisch gerade in ihrer Geschichtsbezogenheit?

Am Beispiel JHWH als ,Ehemann' wird das Problem (137 f.) andeutungsweise, freilich ohne Bezug auf ,Christus und die Kirche' diskutiert. Zugespitzt auf Hoseas Botschaft als Prophet vor einem katastrophalen Ende müßte man unter anderem fragen: Wie weit ist die ,Täterschaft' ("Ich, ich zerreiße!" Hos 5,14 ) Gottes in den geschichtlichen Katastrophen unseres Jh.s aufgehoben in der Übertragung auf den ,gekreuzigten Gott'?

Eine gute Arbeit legt Grund und regt an zum Weiterdenken. Die Arbeit von Brigitte Seifert ist gut.