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Ausgabe:

Juli/August/1996

Spalte:

653–655

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schreiner, Josef

Titel/Untertitel:

Theologie des Alten Testaments.

Verlag:

Würzburg: Echter Verlag 1995. 349 S. gr.8o = Die Neue Echter Bibel. Ergänzungsbände, 6. Kart. DM 54,-. ISBN 3-429-01669-X.

Rezensent:

Otto Kaiser

Josef Schreiner, einer der Altmeister seiner Diszipiln, entfaltet in zehn Kapiteln die Botschaft von "Jahwe, dem Gott Israels und der Welt, dem einzigen Gott", wie sie sich in den aufeinander bezogenen und sich wechselseitig interpretierenden Bezeugungen von seinem Handeln und seinen Worten in der Geschichte als der Eigenart der alttestamentlichen Rede von Gott darstellt (12). Damit haben wir bereits den vom dem Verfasser in seiner dreieinhalb Seiten umfassenden "Heranführung" (11-14) präsentierten Ansatz vorgestellt. Um ihn zu präzisieren, brauchen wir lediglich die drei in ihr vorgenommenen Abgrenzungen anzufügen, mit denen Sch. Position innerhalb der gegenwärtigen Diskussion bezieht:(1) Da das Alte Testament "kein Bericht über die Voraussetzungen, die Entwicklung und Entfaltung der israelitischen Religion, sondern Glaubenszeugnis für den Gott Israels" ist, hat die Theologie des AT eine andere Aufgabe als die israelitische Religionsgeschichte, auch wenn "die praktizierte Gottesverehrung und Religionsausübung in ihm ihren Niederschlag gefunden haben" (13 f.). Sie ist als solche aber auch keine christliche Hermeneutik des Alten Testaments (12) und liest daher ihre Texte nicht vom Neuen, sondern von seinen eigenen Voraussetzungen her (13 f.). Schließlich besitzt der Endtext als das ihr Vorgegebene ein besonderes Gewicht. "Aber er sagt sein Kerygma nur voll aus, wenn auch sein Werden mitbedacht ist" (14). "Jahwe", so beschließt Sch. seine Vorüberlegungen, "steht am Anfang, in der Mitte und am Ende dessen, was das AT zu sagen hat. Ihm gehört alle Aufmerksamkeit und Zuwendung" (14).

In der Tat beginnt jedes der folgenden zehn Kapitel mit seinem Namen und einer seine Eigenschaften charakterisierenden Apposition: "Jahwe, der Gott Israels" (17-55), "Jahwe, der Heil wirkende Gott" (56-98), "Jahwe, ein fordernder Gott" (99-131), "Jahwe, der Schöpfer" (132-164), "Jahwe, und der einzelne Mensch" (104-183), "Jahwe und die Gesellschaft" (184-212), "Jahwe, der einzige Gott" (213-244), "Jahwe vor Sünde und Schuld" (245-277), "Jahwe in Fest und Feier" (238-306) und schließlich "Jahwe und die Zukunft" (307-339). Dabei ist jedes dieser zehn Kapitel in sechs bis zehn Abschnitte mit je einer eigenen Überschrift untergliedert, was die Benutzung des Buches als Nachschlagewerk zusammem mit dem Inhaltsverzeichnis (7-10) und dem Sach- und Bibelstellenregister (341-349) erleichtert. Den Leitfaden für diesen Aufbau hat Sch. im Vorwort selbst geliefert: "Der vorliegende Band nimmt seinen Ansatz von der Wortbedeutung des Begriffs ,Theologie'. Er stellt den Gott Israels in den Mittelpunkt und betrachtet die atl. Äußerungen von ihm her. Von ihm aus geht er auf Menschen und Welt zu und bemüht sich zu erkunden, wie Israel nach seinem im AT versammelten Zeugnis aus seiner Gotteserfahrung heraus darüber gedacht und gesprochen hat" (5).

In der Ausgestaltung dieser Kapitel zeigt sich der erfahrene Exeget, der je nach der Thematik von einem Text oder einem siginifkanten Begriff ausgeht, um dann an Hand ihrer Parallelen in den einzelnen atl. Schriften und buchübergreifenden Werken die geschichtlich bedingten Akzentverschiebungen herauszuarbeiten. Was dabei an Fakten angesichts der Quellenlage historisch dunkel oder umstritten ist, wird als solches gekennzeichnet. Daß der Rez. sich gewünscht hätte, daß der verehrte Vf. sich diese Zurückhaltung auch im Blick auf den geschichtlichen Hintergrund des Exodusgeschehens und die sog. Mose-Gruppe auferlegt hätte, fügt er an (vgl. 42; 88 f. und 187 ff.). Daß der Franke Schreiner eher eine Vorliebe für das Klassische und durch fast ein Jh. Bewährte als für das Neue und in der Diskussion noch nicht Selbstverständliche besitzt, wird dem, der ihn kennt, nicht verwundern. Seine Arbeitsweise spiegelt sich ebenso in der großen Zahl der im Text behandelten oder zumindest erwähnten Bibelstellen wie ihrer Berücksichtigung in den Anmerkungen: Von den 150 des 1. Kapitels sind 85 dem Nachweis oder der Diskussion von Belegstellen gewidmet. 41 verweisen auf Lexikonartikel zu biblische Begriffen, 20 auf Monographien oder Kommentare und 13 auf Zeitschriften- oder Festschriftenbeiträge. Im Abschnitt A des 1. Kapitels werden auf 18 Seiten 121 Belegstellen im Text und 143 in den Noten genannt. Diese statistischen Proben mögen dem Leser zeigen, daß es Sch. vor allem darum geht, zu dem jeweiligen Thema möglichst die ganze Vielfalt und Breite der atl. Texte vorzuführen.

Damit ist aber auch bereits gesagt, daß sich für den Rezensenten der Versuch verbietet, es ihm darin referierend gleichzutun und zusätzlich jeweils zu bemerken, ob er ihm in der historischen Einordnung der Texte zustimmt oder widerspricht. Um zu belegen, daß er das Werk als Ganzes gelesen hat, hebt er wenigstens seine Bedenken gegen die in ihm vertretene Frühdatierung des Jahwistischen Geschichtswerkes (vgl. z. B. 30) zumal im Blick auf die Sündenfallgeschichte (vgl. 260) und die Abrahamverheißung in Gen 12,1-3 (74 und 94, vgl. auch 318), die Beurteilung der in den Patriarchenerzählungen zu beobachtenden Familienreligion in der Gestalt der Verehrung des Vätergottes als einer historischen Erinnerung an die Erzelternzeit (vgl. 40 f., 68, 73 und 186) und die Verbindung eines Urdeuteronomiums mit der Josianischen Reform hervor (21). Daß die Beurteilung dessen, was in den Prophetenbüchern als auf ihre Namengeber zurückweisenden Kern und was als redaktionelle Bearbeitung und Fortschreibung zu beurteilen ist, gegenwärtig kontrovers ist, sei hier ohne Hinweise auf in ihrer Zuweisung umstrittene Einzeltexte lediglich angemerkt. Trotzdem sei es dem Rez. gestattet, erneut die Frage zu stellen, ob der Satz, daß das Ziel des prophetischen Drohwortes das Heil ist (91), nicht erst auf dem dtr Verständnis der Propheten als Bußprediger beruht. Um den möglicherweise durch diese Einwürfe erweckten Eindruck voreingenommener Beckmesserei zu vermeiden, sei zum Ausgleich auch auf Glanzpunkte der Darstellung wie die Ausführungen über die Eigenart des israelitischen Geschichtsdenkens (79 f.), den dtr Charakter und die Funktion des Dekalogs (113-116), die Bedeutung der Personifikation der Weisheit in Prov 8 (161), den sog. Tun-Ergehenszusammenhang (182 f.) oder die Geschichte des Passas (282-287) hingewiesen. Hier und anderwärts gelingen dem Vf. prägnante Formulierungen und überzeugende Durchblicke.

In einer durch ihre Polyphonie gekennzeichneten Umbruchsituation der atl. Forschung befindet sich der Vf. einer Theologie in der keineswegs beneidenswerten Lage, sich gemäß seiner Einsicht und Umsicht einen Pfad durch die Vielfalt und Vielschichtigkeit der Hypothesen zu bahnen. Sch. ist sich der Problematik, den vielstimmigen und keineswegs immer aufeinander abgestimmten Chor der Zeugen auf einen Nenner zu bringen, selbst viel zu bewußt, als daß er darüber der Belehrung bedürfte. Schon im Vorwort auf (5) erklärt er: "Angesichts dieser Sachverhalte kann eine Theologie des AT immer nur ein Versuch sein." Sein wir ihm dankbar, daß er den Versuch gewagt und eine Darstellung der Botschaft des Alten Testaments vorgelegt hat, die sich dank ihrer Textnähe als Einführung für den Studenten, ihrer auf allen wissenschaftlichen Ballast verzichtenden Klarheit der Argumentation als Anleitung zum Verständnis des Alten Testaments für den Bibelleser und dank ihres Materialreichtums als Handbuch für den Theologen eignet.

Fussnoten:

1 Vgl. zu ihr jetzt auch Chr. Dohmen und Th. Söding, Hrsg., Eine Bibel - zwei Testamente. Positionen Biblischer Theologie, UTB 1993, Paderborn u.a. 1995.