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Ausgabe:

Juli/August/1997

Spalte:

659 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Pfaff, Heide-Marie

Titel/Untertitel:

Die Entwicklung des Restgedankens in Jesaja 1–39.

Verlag:

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1996. 271 S. m. Tabellen 8 = Europäische Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie, 561. Kart. DM 79,-. ISBN 3-631-49913-2.

Rezensent:

Peter Höffken

Die Arbeit stellt eine kath. Diss. aus Freiburg/Br. dar (1995). Frau Pfaff bestimmt zunächst ihr Arbeitsfeld kurz auf dem Hintergrund der Literatur, steckt dann den begrifflichen oder sprachlichen Rahmen zum Thema "Rest" ab: Sie entscheidet sich für eine weiträumigere Bestimmung, die neben den verschiedenen hebräischen Wurzeln für "Rest" auch Umschreibungen oder verwandte Verben wie "verstoßen" umfaßt und diese nach Gattungszugehörigkeit registriert und auflistet (vgl. Tabellen 1a u.1b, 31-33). Ein dritter Abschnitt (34-131) untersucht die so herausgearbeiteten Stellen im 1. Jesajabuchteil nach den Regeln exegetischer Kunst. Dabei wird die Vielschichtigkeit des Phänomens "Rest" in Jes 139 markiert und dem alten Propheten eine Einstellung attestiert, die als "Restvermeidung" hingestellt wird. D. h. Jesaja droht mit einem Rest als zukünftiger Unheilsmöglichkeit, um eine solche Größe gerade zu vermeiden. - Diese alten jesajanischen Schichten findet dieVfn. an vielen Stellen ab 1,47* vor (Tabelle 2a, S.125 ff. gibt einen gu-ten Überblick). Dem entsprechen spätere, redaktionell und zeitlich sehr unterschiedliche "Rest"-Texte, die zunehmend eine positive Bedeutung des Themas konnotieren.

Ein weiterer Abschnitt listet die Texte in mutmaßlicher ge-schichtlicher Abfolge von der Jesajazeit bis in die Diadochenzeit hinein auf. Dabei geht die Vfn. auch auf die jeweiligen späteren Ausformungen ein. Ja, letztere werden in Tabelle 3b (170) insgesamt erfaßt, was dem Buchbenutzer elementar einen Überblick über die Auffassungen der Autorin ermöglicht. - Die Epochen der Buchwerdung werden in Hinsicht auf das "Rest"-Thema grob auf Jahrhunderte verteilt (kurze Ergebnissicherung Tabelle 3a, 168-169), wobei, pauschal gesagt, für die "Rest"-Thematik das 6. und 5. Jh. von stärkster Bedeutung ist. Das 7. Jh. ist kaum interessant, das 4.-3. Jh. wieder etwas stärker.

Ein weiteres Kapitel trägt den redaktionsbezogenen Interessen am Gesamtjesajabuch Rechnung, wenn nach Bezügen der Rest-Thematik zu Deutero- und Tritojesaja gefragt wird (183-220). Das hätte etwas konzentrierter geschehen können, denn ein Großteil der Auflistungen befaßt sich mit Querbezügen in-nerhalb des Protojesaja. Ich hätte hier zumindest auch eine Diskussion der (wenigen) Belege zum Thema unter begrifflichem Aspekt in Deuterojesaja erwartet (dazu vgl. J. Hausmann, Isra-els Rest. Studien zum Selbstverständnis der nachexilischen Gemeinde. Stuttgart u. a. 1987). - Eine Schlußbemerkung (221f.) leitet zum Literaturverzeichnis (223-232) über (ich vermisse hier Jürgen Werlitz, Studien zur literarkritischen Methode. Berlin u. a. 1992 zu Jes 7; die Leser und Leserinnen werden mir verzeihen, wenn ich meinen eigenen Kommentar auch vermisse: Das Buch Jesaja. Kap. 1-39. Stuttgart 1993). In einem Anhang finden sich ein 1. Exkurs über die Außenpolitik Assurs im 8.-7. Jh. mit starker Beachtung der Deportationspraxis und -darstellung (samt Abbildungen) und ein 2. Exkurs zur judäischen Geschichte von der babylonischen bis zur hellenistischen Zeit. Endlich folgen noch sehr ausführliche Zeittafeln zum hi-storischen Hintergrund der "Resttexte".

Mit diesen Anhängen tritt der Charakter der Arbeit vielleicht am deutlichsten in Erscheinung: Sie liefert unterschiedliches Material zum Thema "Rest" auf der literarischen Ebene, der kompositorischen Ebene (Gesamtbuch) und zugleich auf den historischen Ebenen. Eine spezifische Sicht im Hinblick auf die anstehende Forschungssituation wird häufig nur sehr summarisch geliefert. Insofern dürfte die Arbeit auch ein redlicher Ausdruck der Schwierigkeiten sein, mit dem Prophetenbuch gegenwärtig sinnvoll umzugehen.

Eine Stärke des Buches stellen die tabellarischen Zusammenfassungen der Ergebnisse dar, weil sie nicht nur die überblickhafte Nutzung erheblich erleichtern, sondern die Arbeitsleistung der Autorin komprimieren. Freilich sind nicht immer Tabelle und Folgetext genau aufeinander abgestimmt (vgl. die Tab. 2a S. 127 mit S. 138 u. 165 zu Kap. 39). Eine weitere Stärke be-steht darin, daß die Vfn. nicht allein nach den echten oder ur-sprünglichen "Rest"-Texten Jesajas fahndet, sondern dem Ge-danken Rechnung trägt, daß ein Prophetenbuch in seiner literarischen Genesis auch einen Entfaltungsprozeß im Hinblick auf Themen wie "Rest" zum Ausdruck bringen kann.