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Ausgabe:

Juli/August/1996

Spalte:

644 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Meinhold, Arndt und Rüdiger Lux [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Gottesvolk. Beiträge zu einem Thema biblischer Theologie.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 1991. 247 S. 8o. Kart. DM 69,-. ISBN 3-374-00978-6.

Rezensent:

Rudolf Smend

Die Beiträge zu diesem Band eint zum einen das Thema "Gottesvolk", zum anderen, daß sie gesammelt Siegfried Wagner zur Vollendung seines 60. Lebensjahres zugedacht waren.

Die Aufsätze sind zum größeren Teil paarweise zusammengestellt, wobei jeweils ein Alt- und ein Neutestamentler zu Wort kommen. Unter der Überschrift "Ein Volk aus vielen Völkern" behandelt E.-J. Waschke die alttestamentliche Erwählungstheologie, W. Wiefel die neutestamentliche Bezeichnung der Christen als "Heilige" im Blick auf ihre alttestamentlich-jüdischen Wurzeln. Es folgt "Gottesvolk und Land", zunächst von M. Köckert anhand der Propheten Amos und Hosea und dann von R. Lux (also einem Alttestamentler!) von Mt. 5,5 her untersucht. Weiter "Gottesvolk und staatliche Ordnungen": J. Conrad orientiert über die Kritik am Königtum im Alten, G. Haufe über das Verhältnis des Christen zum Staat im Neuen Testament. Die übrigen Beiträge sind disparater: durch die Überschrift "Gottesvolk und Gottesdienst" etwas künstlich zusammengehalten ein Aufsatz von H. Seidel über "Lobgesänge im Himmel und auf Erden" und eine "narrative Exegese" von Ch. Schuppan über Apg. 11,26, zum Thema "Verantwortung" eine alttestamentliche Studie von H. H. Schmid (anhand der jahwistischen Urgeschichte) und eine neutestamentliche von W. Trilling (mit dem Stichwort "Weltverantwortung"), schließlich vier je für sich stehende Beiträge, deren Autoren das Gesamtthema in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich in den Blick nehmen: S. Herrmann (Jeremia), A. Meinhold (Maleachi), D. Mathias (Geschichtssummarien des Psalters), P. v.d. Osten-Sacken (Christen und Juden).

Der Wert des Bandes liegt nicht darin, daß er sehr viel exegetisch-historische Originalarbeit bietet - obwohl sie nicht fehlt -, sondern darin, daß er sein Thema mit Erfolg von ganz verschiedenen Seiten her beleuchtet und durchdringt. Man mag bedauern, daß das Alte Testament stark im Vordergrund steht; aber zunächst handelt es sich ja wirklich um ein alttestamentliches Thema, und der Alttestamentler wüßte seinerseits leicht noch manchen Aspekt zu nennen, der einen weiteren Beitrag wert gewesen wäre. Mit der viel geforderten Interdisziplinarität wird hier ein ernsthafter Versuch unternommen, zu dessen Gelingen beiträgt, daß auch innerhalb mehrerer Beiträge die Grenzen zwischen den Disziplinen, namentlich den biblischen, überschritten wird; zu diesem Vorgang finden sich auch beachtliche hermeneutische Überlegungen (vgl. besonders W. Wiefel, 39).

Das Vorwort ist 1988 in Naumburg geschrieben, drei Jahre bevor das Buch erschien und, wofür der Rezensent sehr um Entschuldigung bittet, noch erheblich länger bevor es hier angezeigt wird. Es ehrt nicht nur den Alttestamentler und Theologen Siegfried Wagner, dessen Intentionen es so sehr entspricht, sondern ist auch ein eindrückliches Zeugnis dafür, daß auch und gerade in der DDR auf vorbildliche Weise Theologie getrieben worden ist, wobei, wie die beiden Äußerungen über das Verhältnis zum Staat zeigen, heikle, ja riskante Gegenstände nicht umgangen wurden. Durch die Wiederaufnahme des Themas in einem etwas weiteren Rahmen durch den Sammelband "Volk Gottes, Gemeinde und Gesellschaft" (Jahrbuch für Biblische Theologie 7, 1992; vgl. auch schon J. Schreiner [Hrsg.], Unterwegs zur Kirche, 1987) hat es seinen Wert nicht verloren.