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Ausgabe:

Juni/1996

Spalte:

541 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

McConville, J. Gordon

Titel/Untertitel:

Grace in the End. A Study in Deuteronomic Theology.

Verlag:

Carlisle: The Paternoster Press 1993. 176 S., 8° = Studies in Old Testament Biblical Theology. ISBN 0-85364-588-4.

Rezensent:

Norbert Lohfink

Der Autor, der inzwischen am aufstrebenden Cheltenham & Gloucester College in Cheltenham, England, lehrt, hat sich schon in mehreren Veröffentlichungen mit dem deuteronomisch-deuteronomistischen Literaturbereich befaßt und arbeitet jetzt an einem Kommentar zum Dtn. Sein Interesse ist stets theologisch, doch kommt er, aus einer der ganzen neueren Bibelwissenschaft gegenüber skeptischen Grundeinstellung heraus, nie so recht von deren historischen und literarhistorischen Fragestellungen los. Er diskutiert ständig die neuere Forschungsgeschichte, die er gut kennt, und versucht, die einzelnen Autoren zu widerlegen, oft, indem er sie gegeneinander ausspielt. Am Ende kommt dann meist heraus, daß jedes biblische Buch kurz nach der Zeit abgefaßt wurde, von der es handelt, und zwar ungefähr in der gegenwärtigen Form. Man hat dabei das Gefühl, eigentlich seien diese Datierungs- und Einheitlichkeitsfragen für M. das Wichtigste.

Das ist leider auch in diesem Büchlein der Fall, das viele gute, positive wie kritische, Beobachtungen enthält und sich vor allem dadurch von anderen bibeltheologischen Untersuchungen unterscheidet, daß es theologisch eine Linie bis ins Neue Testament auszuziehen versucht. Es eröffnet eine neue, gesamtbibeltheologisch ausgerichtete Reihe (vgl. 7 f.). Man könnte die theologischen Hauptergebnisse des Buches mit Freuden akzeptieren, wenn sie einfach als synchrone Lesung des kanonischen Textes vorgelegt würden. Schade, daß ständig zwischen den Zeilen insinuiert wird, sie ergäben sich nur, wenn man die historischen Thesen des Vf.s annimmt, und daß man bis etwa zur Seite 120 immer wieder durch Auseinandersetzung mit literarhistorischen Fragen von der theologischen Hauptthematik abgelenkt wird.

Mit dem Wort "deuteronomic theology" ist, neben der als historisch vorausliegend betrachteten Theologie des Dtn selbst, die Theologie der Bücher von Josua bis 2 Könige gemeint - das Wort "deuteronomistic" gebraucht M. bei der Kennzeichnung fremder Meinungen, vermeidet es aber offensichtlich für die eigene. Im Jeremiabuch sei keine "deuteronomic theology" zu finden (65 f.).

Nach einer Einführung (9-14) führt M. in die Aspekte ein, die nach ihm die Frage nach der dtn Theologie in der neueren Literatur bestimmen (15-44): Gesetz oder Evangelium, konservativ oder progressiv? Er versucht dann, indem er die übliche Datierung des Dtn ins 7. Jh. widerlegt, nachzuweisen, daß das Dtn so, wie es heute ist, aus der vorköniglichen Zeit stammt (45-64), und auch in einem langen Kap. über die Vorderen Propheten diskutiert er vor allem den Zeitansatz der einzelnen Bücher, die alle jeweils kurz nach dem von ihnen behandelten Zeitabschnitt auf das schon vorliegende Dtn reagiert haben (65-122). Die theologischen Gesichtspunkte, die sich bei diesen Erörterungen ergeben haben, systematisiert er dann in einem Kap. über die dtn Theologie (123-144). Als entscheidenden Punkt sieht er, daß schon im ursprünglichen Dtn hinter eine Gesetzestheologie mit bedingtem Segen und Fluch eine nochmalige Gnadenverheißung tritt, die sich in Dtn 30,1-10 ausspricht - vgl. den Titel des Buches. Daher ist auch zur ntl. Theologie letztlich nicht ein Gegensatz, sondern eine Kontinuität zu konstatieren (145-157). Eine Zusammenfassung (158-162), eine Bibliographie (163-171), ein Autoren- und ein Sachindex (172-175) beschließen das Büchlein.

Es enthält noch viele hier nicht angedeutete schöne und interessante Einzelbeobachtungen, und auch, wer die ständigen Versuche, ältere Datierungen zu erzwingen, als quälend empfindet, kann bei der Lektüre auf seine Kosten kommen. Viele kritische Einzelbeobachtungen zu einzelnen Autoren sind im übrigen auch gar nicht so schlecht. Das ntl. Schlußkap. ließe sich durchaus noch ausbauen. So hat M. wohl übersehen, wie sehr sich die lukanische Schilderung der Urgemeinde an den dtn Gesellschaftsentwurf anlehnt, und auch den geradezu begrifflichen Zusammenhang der paulinischen Rechtfertigungslehre mit bestimmten Kernstellen des Dtn hat er noch nicht voll erfaßt. Ich würde mir wünschen, daß M. sich in Zukunft stärker synchron orientiert und sich dadurch für die Aspekte Freiraum verschafft, für die er einen sehr guten Blick besitzt.