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Ausgabe:

Mai/1996

Spalte:

436 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gese, Hartmut

Titel/Untertitel:

Alttestamentliche Studien.

Verlag:

Tübingen: Mohr 1991. VIII, 307 S. gr.8o. Kart. DM 64,-. ISBN 3-16-145699-8.

Rezensent:

Rudolf Smend

Die - durch Schuld des Rez. hier viel zu spät angezeigte - Sammlung schließt an Geses ersten Aufsatzband, "Vom Sinai zum Zion" (1974, 3. Aufl. 1990), an, neben dem auch die Vorträge "Zur biblischen Theologie" (1977, 3. Aufl. 1989) nicht zu vergessen sind. Sie enthält 16 Studien, von denen 15 bereits in den Jahren 1976-1987 veröffentlicht wurden und eine, 1987 entstanden, neu hinzukam. Am Anfang und am Ende stehen übergreifende und grundsätzliche Ausführungen, die weitaus meisten Stücke sind exegetischer Natur, wobei, wie übrigens schon in dem Band von 1974, alle Teile des Kanons zur Geltung kommen.

Den Rahmen des Ganzen steckt der einleitende Aufsatz ab, der unter dem Titel "Die dreifache Gestaltwerdung des Alten Testaments" Vorgeschichte und Entfaltung des Kanons beschreibt. Der Aufsatz über die Komposition der Abrahamserzählung geht den Gestaltungen nach, die die erste große Figur der Heilsgeschichte zunächst beim Jahwisten, dann beim Jehowisten und endlich in der Priesterschrift erfahren hat, der Aufsatz über die ältere Simsonüberlieferung erringt für Ri 14 f. einen Platz unter den "großen Texten der Weltliteratur". Fünf Aufsätze gelten Problemen aus den Prophetae posteriores: dem Offenbarungs- und Gesetzesbegriff des Ezechiel (anhand der Aussage über die Erstgeburtsopfer Ez 20,25 f.), der Einheit von Hos 12,3-14, der Komposition bei Amos, der Herkunft von Am 9,7 (aus deuteronomistischer Redaktorenhand) und dem Verständnis des Jonabuches von der Tatsache her, daß es von dem Propheten handelt, der nach 2Kön 14,25 dem Jerobeam II. Heil angekündigt hat. Zwei Aufsätze zu den Psalmen schließen sich an: ein kürzerer, der Ps 19 als einheitlichen Text aus dem 4. Jh. versteht, und ein längerer, der in Ps 50 ein neues, vertieftes Gesetzesverständnis im Zeichen der Torafrömmigkeit bezeugt findet. Von der "Transzendentalisierung der Weisheit" bei Hiob handelt ein Vortrag, der in einer Tübinger Ringvorlesung über "Lebenssinn und Schulderfahrung" gehalten wurde. Ein Aufsatzpaar gilt dem Danielbuch: Dort spielt Ägypten entgegen dem ersten Anschein eine wichtige Rolle, und Dan 7 gehört insgesamt in die Situation von 167 v. Chr.; das Hanukka-Fest, an das das Weihnachtsfest anknüpft, hält die damalige Naherwartung transformiert gegenwärtig. Eine große Linie vom Alten ins Neue Testament zieht der umfangreichste unter den Aufsätzen, "Die Weisheit, der Menschensohn und die Ursprünge der Christologie als konsequente Entfaltung der biblischen Theologie". Zwei prinzipielle Erörterungen bilden den Abschluß: "Hermeneutische Grundsätze der Exegese biblischer Texte" und "Der auszulegende Text".

Unter den nicht ganz wenigen und vielleicht nicht immer unbedingt notwendigen Aufsatzsammlungen der letzten Jahre nimmt diese einen hervorragenden Platz ein. Selten findet man auf so engem Raum so viele exegetische Beobachtungen, ja Entdeckungen aus einem so weiten Gebiet. Jede Seite ist geprägt von leidenschaftlicher Hingabe an die Sache, der thematischen und geistigen Weite entspricht das Fehlen aller methodischen Einseitigkeit und Engführung. Auch wer dem bekannten und viel diskutierten Konzept des Vf.s von biblischer Theologie und Offenbarungsgeschichte mit Reserven gegen-übersteht, wird aus diesen Studien reichste Belehrung und Anregung empfangen. Und wer weiß, vielleicht bringen sie ihn unversehens auch jenem Konzept näher?