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Ausgabe:

Dezember/1998

Spalte:

1259–1261

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Zils, Frank

Titel/Untertitel:

Kirche und Erwachsenenbildung. Grundlagen - Beweggründe - Prinzip.

Verlag:

Frankfurt/M.: Lang1997. XI, 290 S. 8 = Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII: Theologie, 616. Kart. DM 89,-. ISBN 3-631-32339-5.

Rezensent:

Rudolf Englert

Für die Theoriebildung kirchlicher Erwachsenenbildung gab es in den 80er Jahren nur wenige wirklich kräftige Impulse. Seit Beginn der 90er Jahre jedoch haben sich die Aktivitäten in diesem Feld deutlich verstärkt und es erschien eine ganze Reihe, teilweise umfangreicher Monographien. In diesem Kontext ist das vorliegende Buch von Frank Zils zu würdigen: Was trägt es zur Weiterführung der begonnenen Diskussion bei? Wo setzt es neue, eigene Akzente? Welche Konsequenzen für die erwachsenenbildnerische Praxis werden gezogen?

Z. geht es, was der Titel des Buches nicht erkennen läßt, speziell um die theologischen Beweggründe für das erwachsenenbildnerische Engagement der Kirche. Er sieht dieses Frageinteresse im Bereich der Grundlagenforschung angesiedelt, meint aber gleichwohl, daß die Präzisierung dieser theologischen Motive von hohem aktuellen Interesse sei. Dem kann man nur zustimmen, denn in der Tat steht die kirchliche Erwachsenenbildung immer wieder vor dem Problem, wie sie ihr "Proprium" verdeutlichen kann - und zwar sowohl gegenüber anderen Bildungs-Anbietern (z. B. den Volkshochschulen oder privaten Trägern) als auch im Blick auf die anderen Felder kirchlicher Praxis (z. B. der Seelsorge oder der Katechese). Und obwohl nun gerade die Klärung der theologischen Beweggründe für das spezifische Profil kirchlicher Erwachsenenbildung Wesentliches austragen könnte, hat man diesen Aspekt, so Z., bei alledem, was an konzeptioneller Arbeit in jüngster Zeit geleistet wurde, sehr vernachlässigt. Diese Lücke versucht er mit seinem Buch zu schließen.

Die Arbeit, die von der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Pallottiner in Vallendar als Dissertation angenommen wurde, gliedert sich in drei große Teile: einen anthropologischen, einen theologischen und einen praxisorientierten Teil.

Im ersten Teil geht es dem Vf. um die Entfaltung des pädagogisch-anthropologischen Ausgangspunktes für die kirchliche Bildungsarbeit mit Erwachsenen. In Anlehnung an Portmann, Erikson und Gehlen erinnert er zunächst an die "Unfertigkeit" des Menschen und zeigt dann, erstens, inwiefern dieser Bildungsbedürftigkeit auch eine Bildsamkeit entspricht und, zweitens, inwiefern diese Bildsamkeit sich durch Bildung realisiert. Bildung kann auf diesem Hintergrund "zusammenfassend als dialektischer, dreidimensionaler (kognitiver, technischer und praktisch-sittlicher) Prozeß der Auseinandersetzung von Mensch und Welt gekennzeichnet werden" (41). Der erste Teil schließt ab mit einer "Arbeitsdefinition" des Begriffs "Erwachsenenbildung", bei der vor allem hervorgehoben wird, daß Erwachsenenbildung eine organisierte Hilfe zur Selbstwerdung darstelle.

Im zweiten Teil steht die für das Buch grundlegende Frage nach den theologischen Beweggründen für das erwachsenenbildnerische Engagement der Kirche im Mittelpunkt. Diese Beweggründe werden in drei Schritten erhoben bzw. entfaltet: 1. in einer historischen Vergewisserung: Welche Motive haben so etwas wie katholische Volksbildung überhaupt entstehen lassen? Z. untersucht zu diesem Zweck das Werk Sailers und von Wessenbergs; 2. in einer Sichtung aktueller Stellungnahmen: Welche theologischen Beweggründe werden in den von verschiedener Seite in die Diskussion eingebrachten Grundlagenpapieren zur kirchlichen Erwachsenenbildung angesprochen? Und schließlich 3; in einer exegetisch-systematischen Entfaltung der beiden von Z. als grundlegend erkannten Motive: des schöpfungstheologischen Motivs der Gottesebenbildlichkeit und des christologischen Motivs. Letzteres hilft, das schöpfungstheologische Motiv zur Entfaltung zu bringen, denn: Christus vermittelt "einen einzigartigen Zugang zur schöpfungsmäßigen Relationalität, resp. zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen" (189), ja, mehr noch: "Letztlich vermag nur Christus ... das schöpfungsmäßige Menschsein zu erhellen" (194).

Im dritten Teil versucht der Vf., am Leitfaden des Prinzips "Diakonie" das spezifische Profil kirchlicher Erwachsenenbildung zu entfalten. "Diakonie" ist für ihn eine "Grundstruktur allen kirchlichen Handelns" (206) und geht entschieden über bloße Not-Hilfe hinaus. Dieses Verständnis von "Diakonie" wird als Meßlatte an einige ausgewählte diakonische Konzeptionen kirchlicher Erwachsenenbildung angelegt (W. Bienert, D. Emeis, E. Lange und G. Fuchs), die sich aus dieser Sicht als "einseitig und verkürzt" (238) erweisen. Den Ertrag seiner Ausführungen bündelt der Vf. schließlich, indem er die kirchliche Erwachsenenbildung als spezifische Vollzugsform christlicher Diakonie charakterisiert: "Kirchliche Erwachsenenbildung ist ... didaktisch strukturierte, institutionell vermittelte Bildungshilfe aus dem Geist der Diakonie" (240).

Ich muß gestehen, daß mich das Buch von Z., bei allem Gewinn, den man im einzelnen aus seiner Lektüre ziehen kann, insgesamt doch enttäuscht hat; vor allem aus vier Gründen:

Das wissenschaftstheoretische Reflexionsniveau des Buches kann nicht überzeugen. Die Unbekümmertheit, mit der Z. aus theologischen Befunden handlungsorientierende Perspektiven deduziert, ist, gelinde gesagt, erstaunlich. Die anderswo geführte Auseinandersetzung mit der Möglichkeit und den Grenzen einer theologischen Begründung erzieherischen und bildnerischen Handelns (vgl. z. B. E. Feifel, N. Mette, K. E. Nipkow u. a.) wird nicht aufgenommen.

Der Vf. bedient sich über weite Strecken einer kontextenthobenen Theologie, die im Diskurs unserer Zeit kaum einen kommunikativen Gebrauchswert mehr besitzt. Gerade die Erwachsenenbildung aber ist in der von ihr zu bestreitenden Legitimationsdiskussion darauf angewiesen, daß sich ihre Begründungs-Motive über Theologie und Kirche hinaus verständlich machen lassen.

Die Darstellung weist fast keine Bezüge zur geschichtlich-gesellschaftlichen Gegenwartssituation auf. Die Ausführungen bleiben bis zum Schluß hochgradig formal und abstrakt. Was aber mit Begründungsmotiven wie "Gottesebenbildlichkeit" oder "Christusförmigkeit" in den geistigen Auseinandersetzungen der Gegenwart wirklich anzufangen ist, könnte sich erst erweisen, indem man sie diesen Kontroversen aussetzt.



Die Darstellung geht nur sehr am Rande auf die aus der Praktischen Theologie kommenden Konzepte kirchlicher Erwachsenenbildung ein. Daß alle diese Konzepte, angefangen von B. Dreher und A. Exeler bis hin zu B. Uphoff und M. Blasberg-Kuhnke, für die Explizierung der theologischen Beweggründe kirchlicher Erwachsenenbildung ganz unergiebig sein sollen, ist schwer nachvollziehbar. Hier hat der Vf. eine Chance verpaßt, die eigenen Überlegungen im Dialog weiter zu profilieren. Schade - der Vf. läßt einige durchaus sympathische Anliegen erkennen!