Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/1996

Spalte:

433–435

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Boorer, Suzanne

Titel/Untertitel:

The Promise of the Land as Oath. A Key to the Formation of the Pentateuch.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1992. 470 S. gr.8o = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 205. DM 184,-. ISBN 3-11-013505-1.

Rezensent:

Siegfried Kreuzer

Die Arbeit der australischen Autorin ist eine Dissertation, die bei Gene Tucker an der Emory University angefertigt und in Melbourne für den Druck bearbeitet wurde. Sie geht zurück auf ein "evaluative study of R. Rendtorff's work" (V) und hat das Ziel, traditionelle (Wellhausen, Noth) und neue alternative Pentateuchtheorien (Rendtorff und van Seters; Blum konnte noch in der Conclusion berücksichtigt werden) auf ihre Wahrscheinlichkeit hin zu testen. Als Testfall werden die beeideten Landverheißungen in ihren jeweiligen Kontexten verwendet. Insofern thematisiert die Untersuchung nicht die beeideten Landverheißungen an sich, sondern gibt der Untertitel das eigentliche Ziel des Buches an.

"In order to accomplish this it analyzes selected texts in Genesis-Numbers that express Yahweh's oath of the land to the ancestors, Ex 13:5,11; 32:13; 33:1; Num 14:23a, to determine their relative levels, in relation to their surrounding contexts, to each other, and to their parallels in Deuteronomy. This procedure uncovers relative levels in Genesis-Numbers, on the one hand, and their relation to Deuteronomy (and beyond) on the other, through the relation of each to these land oath texts as reference points. The results that emerge provide a test by which to measure the credibility of positions held at present for the formation of this material."(VII)

Entsprechend diesem Programm referiert die Autorin zunächst die Forschungsgeschichte von Wellhausen über Noth bis zu H. H. Schmid, Rendtorff und van Seters. Unter einer Einteilung in drei "Paradigms" und "Mediating Positions" (zwischen Paradigma eins und zwei) werden zunächst alle zur Sache wichtigen Autoren angesprochen. Dabei zeigt sich die zunehmende Beachtung der redaktionellen (deuteronomistischen) Texte in Genesis bis Numeri. Daraus wird nun der oben schon dargelegte "Approach" (34 ff.) abgeleitet. Es folgt eine Begründung für die Auswahl der Texte. Zunächst formal: Herangezogen werden jene Texte, in denen die Verheißung an die Väter in Form eines göttlichen Eides mit dem Wort nisbac ausgedrückt ist. Sodann inhaltlich: "These texts as they occur in Genesis-Numbers are found at key points throughout: at the end of the patriarchal period (Gen 50:24), at the exodus (Ex 13:5,11) and when the promise is under threat, both at Sinai (Ex 32:13; 33:1) and in the wilderness (Num 11:12), especially near the edge of the land (Num 14:23; 32:11)." (37 f.)

Trotz der inhaltlichen Rechtfertigung ist die formale Auswahl problematisch. Die Bezugstexte in der Genesis werden ausgeblendet, ebenso jene Texte, wo der Eid mit Erheben der Hand (na'sa' jad) ausgedrückt wird. Dadurch fallen wichtige Vergleichsmöglichkeiten aus und findet sich häufig die Feststellung "but this is beyond our scope". Es folgt ein nochmaliger Durchgang durch die Forschungsgeschichte, jetzt konzentriert auf die Landverheißung (38-99), weiter ein "Appendix" mit linguistischer Analyse aller Ausdrücke für die beeidete Landverheißung.

Nach diesem ausführlichen und oft redundanten Einleitungsteil ("1. The Establishment of a Way...", 1-128) folgen die Untersuchungen der ausgewählten Texte: "2. The Oath of the Land in the Context of Exodus, Ex 13:5,7" (129-202); "3. The Oath of the Land in the Context of Sinai, Ex 32:13 und 33:1" (203-325), "4. The Oath of the Land in the Wilderness/Conquest Traditions, Num 14:23a und Num 32:11" (327-425).

Diese Exegesen können hier nicht dargestellt werden. Ein wichtiges Ergebnis ist jenes zu Ex 13, demzufolge "the literary level Ex 12:29-39; 13:3-16 is earlier than Ex 12:21-27; 29-39; 13,3-16, which in turn is earlier than Ex 12:1-20,28,40-41; 13:1-2." (188) "It has been shown that Ex 13:5,11 are integral elements of Ex 13:3-16 at the stage of its emergence as a whole. Since Ex 13:5,11 is earlier than Deut 16:1-7(8), then Ex 13:5,11 must also be earlier than Deut 16:1-7(8). In this sense, the oath of the land texts in Ex 13:5,11 are pre-deuteronomic." (190)

Die Exegesen sind sehr gründlich, aber doch oft mühsam zu lesen. Offensichtlich sind Vorarbeiten und Meinungsbildungsprozesse der Autorin weithin in den Text mit eingeflossen. Oft ist "der Wald vor lauter Bäumen kaum mehr zu sehen". Manches wäre für das Ziel der Untersuchung entbehrlich, etwa ein Exkurs über die Forschungsgeschichte zum Passahfest (auch wenn dadurch das Ergebnis zu Ex 12-13 gegenüber van Seters nochmals abgesichert wird). - Diese Art von Gründlichkeit ist wohl nicht nur die Folge einer längeren Entstehungszeit, sondern auch der Sorge, es allen Doktorvätern und Gutachtern recht zu machen, und somit nicht nur B. anzulasten.

Was ist nun die "Conclusion" (427-450)? Das wesentliche Ziel war die Beurteilung der eingangs genannten Paradigmen der Pentateuchentstehung. Nach kurzer Zusammenfassung der Ergebnisse zum Redaktionsprozeß der untersuchten Texte kommt die Vfn. zu einer "Evaluation of Paradigms" und einer doch recht deutlichen Unterscheidung zwischen "Paradigms that are not acceptable" (434-437) und "Paradigms that remain" (437-444). Zu den unakzeptablen Paradigmen gehören jene von van Seters, Rendtorff und Blum. Die Redaktionsgeschichte der untersuchten Texte zeigt, daß sie nicht auf einer einheitlichen, nachdeuteronomistischen Ebene liegen (van Seters' "Jahwist") und daß sie zum guten Teil Texte enthalten, die älter sind als die entsprechenden Versionen im Deuteronomium und im deuteronomistischen Geschichtswerk. Damit ist auch Rendtorffs Konzept widerlegt, der gerade die untersuchten Eidestexte als erste, die Pentateuchthemen verbindende und einheitliche deuteronomistische Schicht postulierte. Entsprechendes gilt für das Modell von Blum, dessen (nach Priesterschrift und dtrG) eingeordnete deuteronomistische Komposition KD praktisch Rendtorffs und van Seters' Konzept verbindet.

Interessant ist auch die Positivliste: "The paradigms that retain credibility, in varying degrees, in the light of the results of this study are, the first paradigm, represented by Wellhausen, and the second paradigm, initiated by Noth. Our results support most closely Wellhausen's overall conception of the formation of the Pentateuch, and also lend some support to aspects of the second paradigm initiated by Noth. In addition, our results go beyond, but do not contradict, Schmid's position." (437)

Die von B. untersuchten Texte sind Teil jener vorpriesterschriftlichen und neben der Entfaltung des dtrG liegenden Redaktionsschicht, die H. H. Schmid als Jahwist bezeichnet hatte. Während Schmid das zeitliche Verhältnis zum dtrG offen ließ, zeigen B.s Analysen, daß die untersuchten Texte älter sind als dtrG. Damit ergibt sich eine enge Übereinstimmung mit Noth, der die fraglichen Texte als vor-dtr Ergänzungen des nichtpriesterschriftlichen Pentateuchmaterials betrachtete. Das demgegenüber Weiterführende wären wieder die genaueren Differenzierungen. Damit von Noth zu Wellhausen! "Finally, the conclusions arrived at in this study support most closely the overall conception of the formation of the Pentateuch postulated by Wellhausen, a primary representative of the first paradigm. This is particularly the case with regard to the redaction process involved."(440) Die wesentliche Gemeinsamkeit ist die Mehrstufigkeit des Redaktionsprozesses, v.a. daß Ex 32,13 und Num 14,23 älter und Num 32,11 jünger als dtr sind. (Einige andere Zuordnungen divergieren.) Dieses Fazit ist in der derzeitigen Landschaft überraschend - oder spricht es für Wellhausen? "Für Wellhausen" allerdings (nur) bezüglich der literarischen Entwicklungen im 7. und 6. Jh., d.h. bezüglich der jehowistischen und der vor- und frühdeuteronomischen Schichten und deren Verhältnis zum Deuteronomium und zu dtr Texten. Die Frage nach Jahwist und Elohist, deren Selbständigkeit und Alter bleibt "beyond the scope".

B. setzt keine große neue Theorie in die Welt, sondern sie überprüft in sorgfältiger Arbeit die bestehenden. Sie tut das nicht auf breiter Textbasis, sondern an vier Einzeltexten. Allerdings handelt es sich um Schlüsseltexte für die Frage nach dem Verhältnis von Tetrateuchtexten und -quellen zur Deuteronom(ist)ik. Für diesen Bereich hat sie erstens gezeigt, daß die sog. deuteronomistischen Texte im Tetrateuch auf verschiedenen Ebenen liegen, zweitens, daß die älteren dieser Schichten vordeuteronomisch sind, und drittens, daß es demgegenüber nochmals ältere Tetrateuchquellen gibt. Diese drei Ergebnisse sind bis zu einem gewissen Maß voneinander unabhängig. Auch wenn der Rez. gegenüber dem zweiten Ergebnis am meisten skeptisch bleibt (hier wirkt sich die oben monierte Ausblendung wichtiger Vergleichstexte aus), so ist die Untersuchung doch ein interessanter Beitrag zur Stabilisierung jener Pentateuchmodelle, die mit vordeuteronomistischen bzw. vorexilischen Traditionen und Quellen größeren Umfangs rechnen.