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Ausgabe:

September/1997

Spalte:

794 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ahuis, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Exodus 11,1–13,16 und die Bedeutung der Trägergruppen für das Verständnis des Passa.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996. 126 S. gr.8 = Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 168. Kart. DM 54,-. ISBN 3-525-53851-0.

Rezensent:

Christoph Dohmen

Daß eine exegetische Studie aus dem Kernbereich des Pentateuch unter der Last der sogenannten Pentateuchkrise steht, d. h. Stellung zwischen den gegenläufigen Hypothesen zur Genese des Pentateuch beziehen muß, ist A. wohl bewußt, zumal die vorliegende Studie entsprechende Arbeiten von ihm, besonders zu Numeri-Texten, fortsetzt, die schon zwischen form-, redaktions- und sozialgeschichtlichen Ansätzen zu vermitteln suchten. Einen Weg im schwierigen Terrain der Pentateuch-Hypothesen sucht A. dadurch, daß er sich nicht allein auf die Texte und ihre Analyse stützt, sondern auch nach den Trägergruppen dieser Texte fragt. Im Blick auf die Passa-Überlieferung von Ex 11-13 scheint dieser Ansatz in seiner doppelten formgeschichtlichen Akzentuierung vielversprechend, weil der Inhalt dieses Textkomplexes konkret in die Lebens- und Glaubensvollzüge Israels (Passa-Ritus) eingegangen ist.

Nach forschungsgeschichtlichem Problemaufriß - festgemacht an den Thesen von W. H. Schmidt und R. Albertz - arbeitet A. nach eingehender Analyse der Texte mit kombinierten Rückfragen zu ihrem Sitz im Leben darauf hin, drei literarische Größen im untersuchten Textkomplex zu unterscheiden, den Jahwisten, die Priesterschrift und eine diese beiden zusammenfassende deuteronomistische Redaktion. Auf diese drei entfallen folgende Stücke: P: 12,1 f. 3b-6a.9-11.14.28.40 f.; J: 11,4-8; 12,21-23a. b.27b. 29-33.37 f.; Dtr: 11,1-3.9.10; 12,3a.6b-8.12 f.15-20. 23b,-27a. 34-36.39.42-13,16.

Auf dieser Textbasis erkennt A., daß von einem ursprünglich auf die Familie begrenzten, nomadischen Passa-Ritus bei P das Schlachten des Lamms verschwiegen wird und bei J das Essen. Dies erklärt er damit, daß P ein rituelles Schlachten nicht vor dem offiziellen Kultbeginn am Sinai einführen kann. Da J das Passa von der Familie auf die Ebene der Sippe erhebt, muß für ihn das Essen entfallen, weil die Sippe für diesen Zweck zu groß ist. J bringt das Passa nach Ansicht von A. auf den Weg zu einem Fest des offiziellen Kultes, gebunden an heilige Orte, Zeiten und Ämter. P kann nach der Zerstörung des Tempels nur noch auf heilige Zeiten zurückgreifen, so daß der Passa-Ritus auf die Auswahl und das Essen des Lammes reduziert wird. Eine Verbindung von Passa und Mazzot entdeckt A. erst in der dtr. Redaktion, die J und P verbindet. In bezug auf die untersuchten Trägergruppen gelangt A. dann zu dem Ergebnis: "Stehen hinter dem Jahwisten landjudäische Älteste aus der Zeit Salomos als Trägergruppe, so hinter der Priesterschrift Priester in der zuendegehenden babylonischen Gola. Die dtr Redaktion hingegen wird getragen von Leviten. Sie nehmen die Ältestentradition des Jahwisten sowie die Priesterschrift auf, konzentrieren die Vermittlung und Begehung von Passa und Mazzot auf die Familie und haben als Großgruppe eine Gemeinde im Blick, die aus Familien besteht. Die Weitergabe der Tradition von Passa und Mazzot, Exodus und Landgabe geschieht in der Vater-Sohn-Relation, wobei der Blick auf die nachexilische Gemeinde als ganze nie unterbleibt. Die jeweilige Trägergruppe für das Passa ist deckungsgleich mit derjenigen für die drei Literaturwerke: Älteste (J), Priester (P), Leviten (DtrT)" (82).

An dieser Stelle brechen allerdings auch die Fragen in bezug auf die Studie auf, die wichtige und präzise Beobachtungen und eine Reihe von interessanten Lösungsvorschlägen zur Passa-Überlieferung bietet. So bedürfte es sicherlich weiterer Studien in anderen Bereichen, um die Identifizierung der hier genannten Trägergruppen mit den Autoren der großen Literaturwerke vorzunehmen. Ob die von A. genannten landjudäischen Ältesten aus der Zeit Salomos den Jahwisten als Quelle retten können, ist eher fraglich, wenn man an die vielen verschiedenen Untersuchungen der letzten Jahre denkt, die auf das Fehlen der kulturgeschichtlichen, politischen und theologischen Voraussetzungen eines solchen Literaturwerkes im 10. Jh. v. Chr. hingewiesen haben.

Zusammenfassend zeigt sich, daß die durchaus instruktive Studie den Problemen der klassischen Pentateuch-Hypothesen nicht zu entkommen vermag, weil von der Analyse eines Einzeltextes her die Komplexität pentateuchischer Literaturgeschichte einfach nicht zu erklären ist.