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Ausgabe:

Juni/1996

Spalte:

528–530

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Nielsen, Eduard]

Titel/Untertitel:

History and Traditions of Early Israel. Studies presented to Eduard Nielsen, May 8th 1993. Ed. by A. Lemaire and B. Otzen.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1993. VII, 165 S., 1 Porträt gr.8o = Suppl. to Vetus Testamentum, 50. Lw. hLG 135.-. ISBN 90-04-09851-8.

Rezensent:

Hermann Michael Niemann

Ginge es nach dem großen Kreis der dem prominenten dänischen Alttestamentler wissenschaftlich-kollegial und persönlich-freundschaftlich Verbundenen, so hätte sich die Zahl der Beiträger zu dieser Festschrift sicherlich in einem Maße vermehren lassen, durch das der Band unhandlich geworden wäre. So haben sich ein enger Kreis skandinavischer Kollegen sowie Mitglieder des Herausgeberkreises der Zeitschrift VETUS TESTAMENTUM, dem der Kopenhagener Gelehrte selbst von 1971-1989 angehörte, als Autoren zur vorliegenden Festschrift für E. Nielsens 70. Geburtstag zusammengefunden.

G. W. Ahlström ("Pharao Shoshenq's Campaign toPalestine" [1-16]) widmet sich der viel verhandelten Schoschenq-Kampagne und ihrer dokumentarischen Aufzeichnung hinsichtlich zweier Gesichtspunkte: dem Verhältnis der Orte auf der nur teilweise erhaltenen Liste zu dem vermutlichen Verlauf der Kampagne sowie der Kampagnen-Ziele.

Beim ersteren schlägt er vor, mit einem Hauptquartier Megiddo und vielleicht einem zweiten in Gaza zu rechnen, von wo aus Heeresgruppen zu unterschiedlichen Aktionen ausgesandt wurden, was Eigenartigkeiten der Namenaufreihung der Liste erklärt; bei einem bisher vermuteten Feldzug in einem Zuge ergaben die Orte, hintereinander aufgezeichnet, stets ein Routenwirrwarr. Ein Kampagnenziel bestand nach A. in der Bemühung um die Kontrolle der Handelsrouten in und durch Palästina. Deshalb zeigte Schoschenq wohl auch weniger Interesse am abgelegenen Juda als an (Nord-)Israel. Da A. entgegen neueren Vorschlägen die Schoschenq-Kampagne nicht schon in die Salomozeit setzt, erwägt er, ob der Pharao daneben Rehabeam durch den Feldzug von einem erneuten Unionsversuch mit den israelitischen Nordgruppen abhalten wollte und ob er die Bewohner der "Seevölker"-Küste gegen Juda/Israel unterstützt und ermutigt habe. Jedenfalls nimmt A. ein primäres Interesse Schoschenqs an der Wiedererrichtung der traditionellen ökonomischen Dominanz Ägyptens über Palästina als Beweggrund des Feldzugs an. Seine Wirkung war freilich nicht dauerhaft, wie A. betont, nur ein Zwischenspiel. War er zu hastig organisiert, nicht mit Folgemaßnahmen untermauert? Falls Jerusalem sich nicht unter den ausgelöschten Ortsnamen der Liste befand, war die Stadt anscheinend von der Kampagne nicht berührt (15). Die Schoschenqliste würde dann 1Kön 14,25 nicht bestätigen.

Übrigens weist A. darauf hin, daß Schoschenqs Name anscheinend der erste Pharaonenname war, der biblischen Schreibern bekannt war. A. fragt auch, ob 1Kön 14,26f mit der Information von Rehabeams "Beraubung von Tempel und Palast" nur eine konventionelle Formel und nicht auf eine Eroberung Jerusalems zu beziehen, sondern ein Versuch (nach A.: Rehabeams) sei, dem im Lande befindlichen Pharao Gaben (=Tribut) zusenden zu können und ihn so von vornherein von einer Belagerung Jerusalems ab- und von der Stadt fernzuhalten A. fragt schließlich, warum Israel und Juda evtl. nicht in der Schoschenqliste genannt würden. Zwei Lösungen bietet er an: Es gab Israel/Juda als nennenswerte "Staaten" nicht oder man ignorierte bewußt die Namen, um zu zeigen: Das Gebiet ist Pharaos Land!

R. A. Carlson ("David and the Ark in 2 Samuel 6" [17-23]) betrachtet Tradition und Geschichte in und hinter dem von "dynastic overtones" bestimmten Kap. - J. A. Emerton ("The 'Mountain of God' in Psalm 68:16" [24-37]) fragt nach der Identität des "Gottesberges", untersucht bisherige Vorschläge; er erwägt, wen "Elohim" (V.16 f.) meine, denn JHWH wird keineswegs unbestritten dahinter gesehen. Er prüft Emendationsversuche zu V.16, um schließlich festzustellen: "Ps 68:16a is best regarded as a question" (37).

Svend Holm-Nielsen ("Did Joab Climb 'Warren's Shaft'?" [38-49]) beantwortet die Themenfrage mit "Nein"! Der bisherige Deutungsversuche um 2Sam 5,6-10 und 1Chr 11,4-9 abwägende Aufsatz ist mit Humor und Anekdoten gewürzt. H.-N. behauptet zwar bescheiden, keine neue Lösung zu bieten, kommt aber dennoch zu einer ausgewogenen Sicht der historischen Möglichkeiten. In Verbindung mit 2Chr 32,3 f. 30 nimmt er an, daß David den Finger darauf legte, daß der Besitz von Jerusalem an der Wasserversorgung [durch die Gihonquelle] hing, wobei H.-N. nahelegt offenzulassen, wie auch immer die hinter .sinnôr sich verbergende Installation aussah und mit welcher archäologisch feststellbaren oder noch nicht entdeckten Installation sie zu verbinden sei. Vor diesem Hintergrund lassen sich die erzählerischen Ausgestaltungen in o.g. Stellen verstehen.

A. S. Kapelrud ("You Shall Surely Not Die" [50-61]) kreist um den biblisch-außerbiblischen Ideenkomplex: Dem Menschen ist ewiges Leben unzugänglich (geworden), Tod ist sein Schicksal. Allerdings gewinnt er Hoffnung innerhalb seiner Sorgen durch Einsicht oder durch die helfende Hand eines Gottes. - A. Lemaire ("Cycle primitif d'Abraham et contexte géographico-historique" [62-75]) schlägt als Wurzelboden, auf dem die ursprünglichen Abrahamerzählungen redigiert seien, die höfische Umgebung Davids in seiner ersten Residenz Hebron um 1000 v. Chr. vor.

N. P. Lemche ("City Dwellers or Administrators. Further Light on the Canaanites" [76-89]) führt frühere Überlegungen zur Bedeutung der Begriffe "Kanaan" und "Kanaanäer" in der Richtung weiter, daß er die "Dichotomie" zwischen Israel und Kanaan nicht wie früher gern geschehen als eine ethnische (Volk Israel vs. Volk der Kanaanäer), auch nicht als eine sozioökonomische (kanaanäische Stadtbewohner vs. israelitische Voll- oder Halbnomaden o.ä.), sondern als eine soziopolitische Dichotomie oder Diskontinuität definiert: Kanaanäer als Bezeichnung für "Administratoren", die als Funktionäre und Repräsentanten einer Herrschaft agieren, die nicht auf einem familiaren/tribalen Herrschaftssystem beruht. Die Bezeichnung Kanaanäer wäre somit bei der Abgrenzung der entstehenden israelitischen Gruppen im 13.-11. Jh. v. Chr. von den oppressiven spätbronzezeitlichen Stadtgesellschaften im traditionellen ägyptischen Kolonialgebiet Kanaan wie auch in Abgrenzung zu der wieder auflebenden zentralistischen staatlichen Gesellschaft und ihren Funktionären seit der Mitte der Eisenzeit in Israel und Juda anwendbar bzw. von dieser auf jene rückübertragbar. - M. Ottosson ("The Iron Age of Northern Jordan" [90-103]) zeichnet in eine Skizze bisheriger archäologischer Arbeit im Ostjordanland die ersten, vorläufigen Ergebnisse der schwedisch-dänischen Ausgrabungen auf dem Tell el-Fuhhar in Nordjordanien (Koord. 2387.2219) ein.

Es scheint (bisher) eine materielle (Keramik, Baureste) Bevölkerungskontinuität von Spätbronzezeit IIA zu Eisen IA bei Ausdehnung der befestigten Siedlung in der Eisenzeit IA zu geben. Von früheren Epochen fehlt bisher die Mittelbronzezeit. Für die Frühbronzezeit gab es nur sehr vereinzelte Scherben. Im einzelnen ist im Bereich der agrikulturell bestimmten Siedlung wohl ein 4-Raum-Haus festgestellt, die Keramik der Spätbronze- bis Eisenzeit I enthält mykenische Importstücke wie auch "collared rim jars". Ein Eisenwerkzeug und vor allem ein Schmelztiegelboden scheint Metallurgie am Ort bereits am En-de der Spätbronzezeit zu bezeugen. Während Eisen IIA-B (bisher) nicht vertreten ist, finden sich aus Eisen IIC gut gebaute Silos, aber anscheinend keine Stadtanlage. Erst wieder die hellenistische Zeit zeigte Besiedlung (Münzfund Ptolemäus' III. [254-221 v. Chr.]). Ottosson macht auf die Diskrepanz zwischen relativ vielen (weitgehend noch unausgegrabenen) Siedlungen der Eisenzeit im Ostjordanland einerseits und der relativ geringen Kenntnis bzw. Erwähnung von konkreten Sied-lung(snamen) der atl. Autoren für dieses Gebiet andererseits aufmerksam, ein Faktum, das der Deutung bedarf.

B. Otzen ("The Promoting Mother. A Literary Motif in the Ugaritic Texts and in the Bible" [104-114]) betrachtet vergleichend das Motiv in den Ähnlichkeiten, aber auch Differenzen der verschiedenen Ausprägungen. - M. Saebø untersucht vor den Hintergrund der gegenwärtigen intensiven Diskussion religionsgeschichtlicher Fragen (Früh-)Israels die "Divine Names and Epithets in Genesis 49:24b-25a" in methodologischer und traditionsgeschichtlicher Hinsicht (115-132), die für ihn in ihrer Konzentration "an old and important stepping-stone in the long traditio-historical process of the indigenous theological apprehension of God in ancient Israel" (132) darstellen. - J. A. Soggin ("Genesis Kapitel 34. Eros und Thanatos" [133-135]) schlägt vor, hinter Gen 34 nicht mehr sehr alte Darstellungen von Familienangelegenheiten einer "Erzväterzeit" und/oder "Stammesgeschichte" der vorstaatlichen Zeit zu sehen. Da Gen 34 mit der darin enthaltenen "Beschneidung als unverzichtbare(r) Bedingung für einen Bund" Gen 17 (P) voraussetze, sei Sinn und Ziel des Kap.s, Beschneidung als grundlegendes, Israeliten von den anderen Völkern unterscheidendes Merkmal herauszustellen: "...nur wer beschnitten... ist, darf mit einem weiblichen Mitglied eines israelitischen Stammes eheliche Beziehungen unterhalten". Ob und wieweit ältere Erinnerungen enthalten sind, ist nicht mehr festzustellen. Das Kap. führt somit in nachexilische Zeiten zahlenmäßig nennenswerter Konversionen zum Judentum, z. B. unter Johannes Hyrkan I. - J. Strange ("The Book of Joshua. A Hasmonaean Manifesto?" [136-141]) bietet mit seinem Aufsatz, dessen Themenfrage er mit fünf bedenkenswerten Begründungen bejaht, viel Diskussionsstoff. Er geht von der unbedeutend erscheinenden, freilich folgenreichen Beobachtung aus, daß das zentrale Bergland Ephraims und Manasses im Josuabuch nahezu völlig fehlt. S. bestreitet allerdings nicht, daß das Josuabuch dennoch historische Fakten enthalten kann.

M. Weinfeld ("The Ban on the Canaanites in the Biblical Codes and its Historical Development" [142-160]) arbeitet drei unterschiedliche Haltungen gegenüber "vorisraelitischen" Landesbewohnern heraus: a) Ex 23,20-33; 34,11-14 schreibt "Austreibung" (GRS) der Kanaanäer vor, Verbot des Bündnis-schließens, keinen Landbesitz. b) Num 33,50-56 (P) gebietet Enteignung (YRS Hi.) der Landesbewohner: Austreibung oder Vernichtung. c) Dtn 7,2; 20,16 f. befiehlt Vollzug des Bannes (h.erem), d. h. Totalvernichtung. Das ergibt, daß mit fortschreitender Zeit die "Gesetzes"-Vorschriften immer rigider werden, aber auch idealisiert und unrealistisch. Die letzte, extremste Position setzt W. in die Hiskia- und Josiazeit, ob mit Recht, scheint dem Rez. diskussionsbedürftig.

Der Band schließt nicht mit Registern, aber mit einer Bibliographie des Jubilars von J. H. Gronbaek (161-165).