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Ausgabe:

Oktober/2000

Spalte:

1060–1066

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

(1) Ewald, Günter (2) Krafft, Fritz (3) Kropac, Ulrich (4) Schröder, Wilfried

Titel/Untertitel:

(1) Die Physik und das Jenseits. Spurensuche zwischen Philosophie und Naturwissenschaft.
(2) "... denn Gott schafft nichts umsonst!" Das Bild der Naturwissenschaft vom Kosmos im historischen Kontext des Spannungsfeldes Gott - Mensch - Natur.
(3) Naturwissenschaft und Theologie im Dialog. Umbrüche in der naturwissenschaftlichen und logisch-mathematischen Erkenntnis als Herausforderung zu einem Gespräch.
(4) Naturwissenschaft und Religion. Versuch einer Verhältnisbestimmung, dargestellt am Beispiel von Max Planck und Werner Heisenberg.

Verlag:

(1) Augsburg: Pattloch 1998. 288 S. m. Abb. gr.8. Lw. DM 39,90. ISBN 3-629-00836-4.
(2) Münster: LIT 1999. X, 234 S. m. Abb. gr.8 = Natur - Wissenschaft - Theologie, 1. DM 49,80. ISBN 3-8258-4219-3.
(3) Münster: LIT 1999. XVII, 394 S. gr.8 = Studien zur systematischen Theologie und Ethik, 13. Geb. DM 69, 80. ISBN 3-8258-3727-0.
(4) Potsdam-Bremen: Science Edition 1999. 60 S. 8. DM 15,-. ISSN 0179-5658.

Rezensent:

Wolfgang Achtner

Ist es möglich, eine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod zu haben, die nicht den Ergebnissen der Naturwissenschaft widerspricht, mehr noch, die vielleicht sogar von ihnen nahegelegt wird? Dieser Frage geht Günter Ewald nach, vor seiner Emeritierung Professor für Mathematik an der Universität Bochum. Man kann erfreut feststellen, daß der Autor weder eine physikalische Theologie treiben will, etwa im Stile Frank Tiplers, dessen Unsterblichkeitsphantasien in einem kosmischen Supercomputer er mit guten Argumenten zurückweist, noch esoterischem Obskurantismus erliegt. Vielmehr kommt es ihm darauf an, aus der Gesamttendenz der naturwissenschaftlichen Entwicklung, speziell der Physik, Biologie und Gehirnforschung, naturphilosophische Folgerungen zu ziehen, die als Basis für eine transkulturelle und transreligiöse Auferstehungshoffnung dienen können. Zu diesem Zweck ist das Buch in zwei Teile unterteilt. Im ersten Teil zeichnet der Autor ein Bild der Entwicklung der drei genannten Wissenschaften, argumentativ, ausgewogen geschrieben - mit persönlichen Reminiszenzen immer wieder aufgelockert. Für die Physik stellt er aufgrund der Struktur der Relativitätstheorien, der Quantenmechanik, sowie der Chaostheorie vor allem ihren Charakter der zeitlichen Offenheit, sowie ihre mathematische Formulierung in höheren Dimensionen heraus. Diese Gesamttendenz wird noch durch die seit einigen Jahren verfolgte Superstringtheorie verstärkt. Eine besondere Bedeutung mißt er dabei - ausgehend von Faraday - dem physikalischen Feldbegriff bei. Beide Gesamttendenzen legen die Vermutung nahe, daß unser sichtbarer Kosmos in einen höherdimensionierten unsichtbaren Kosmos eingebettet ist. Diese physikalische Sichtweise wird abgerundet durch das Plädoyer des Autors für das schwache anthropische Prinzip, sowie durch eine Plausibilitätserklärung für das starke anthropische Prinzip. Die teleologischen Motive des anthropischen Prinzips aufnehmend, kann der Autor sodann für einen christlich motivierten Schöpfungsglauben eintreten. Diese Tendenz der physikalischen Sichtweise zeigt sich nach Ansicht des Autors auch in der modernen Biologie, speziell der Evolutionstheorie, wobei er einen reduktionistischen Darwinismus als überholt ablehnt. In der Evolution sind noch deutlicher teleologische Tendenzen sichtbar, vor allem im "Drang" der Evolution nach komplexeren Strukturen. Auf die immer wieder aufflammenden Diskussionen um teleologische Erklärungsmuster in der Biologie eingehend, in denen die Teleologen bisher immer verloren haben, zeigt er auf, dass die Teleologie in der Biologie wissenschaftlich vertretbar ist, wenn man sie aus dem engen Konnex zur linearen Kausalität löst, in die sie ihr stärkster und einflußreichster Kritiker, Nikolai Hartmann, mit seiner Schichtentheorie gebracht hatte, und sie mit der Chaostheorie verbindet, die auf einer abgeschwächten Form der Kausalität beruht. Die evolutionäre Erkenntnistheorie lehnt er als zu simplizistisch ab. Der Autor vermutet, daß dieser Drang nach komplexeren Strukturen auch durch den Tod nicht beendet wird. Diese Vermutung motiviert auch seine Darstellung der Gehirnforschung, die sich nicht am reduktionistisch-materialistischen Mainstream der Gehirnforschung orientiert, deren Kurzschlüssigkeit er an der Computeranalogie des Gehirns verdeutlicht, sondern eine dualistische Sichtweise des Geist-Leib-Problems in den Mittelpunkt stellt. Ausgehend von Eccles Leib-Geist-Dualismus, plädiert er für einen modifizierten und abgeschwächten Dualismus, in dem quantenmechanische Prozesse, etwa im Stil von Roger Penrose' Theorie, eine vermittelnde Rolle zwischen Leib und Geist spielen. Insgesamt kommt es also dem Autor darauf an, die Nichtleibgebundenheit des Geistes wissenschaftlich plausibel erscheinen zu lassen.

Von dieser hirnphysiologischen Konzeption aus betrachtet, könnten dann die nun im zweiten Teil des Buches geschilderten Erkenntnisse und Berichte über Nahtoderlebnisse (Trennung vom Leib, Weg durch einen dunklen Tunnel ins Licht, direkter Kontakt mit einem Lichtwesen, Lebensrückblick im Zeitraffer) gedeutet werden. So lehnt der Autor sowohl tiefenpsychologische wie auch gehirntoxische Interpretationen ab, sondern versteht die Nahtoderlebnisse als reale Übergangsstationen auf dem Weg ins Jenseits. Die eingangs erwähnte naturphilosophische Basis für einen allgemeinmenschlichen Jenseitsglauben sieht der Autor nun in einem physikalisch motivierten, aber darüber hinaus erweiterten Feldbegriff. Von diesem zunächst religiös neutralen Feldbegriff ausgehend, kommt Ewald dann zu einer christlichen Deutung des Jenseitsglaubens, also zur Auferstehungshoffnung. Dieser erweiterte Feldbegiff dient ihm nämlich dazu, anknüpfend an W. Pannenbergs Konzeption, die Wirkung des Heiligen Geistes universal, also auch physikalisch, und eschatologisch als Kraft der Schöpfung und Neuschöpfung aussagen zu können. Auf diese tragfähige Brücke der Naturphilosophie als Bindeglied zwischen Physik und Theologie kommt es dem Autor an: "Die Klammer zwischen Weltwirklichkeit und Gotteswirklichkeit bedarf eines begrifflichen Rahmens, der an physikalisches Verstehen anknüpft".

Insgesamt stellt das Buch durch seine Stringenz und synthetische Kraft einen lesenswerten Beitrag zum Dialog Naturwissenschaft-Theologie dar, nunmehr erweitert um den Bereich Tod und Auferstehung. Der Autor bezieht bei philosophischen Schlüsselfragen (Leib-Geist-Beziehung; Reduktionismus/Teleologie; anthropisches Prinzip/Zufall) klar Stellung und liefert plausible Argumente. Allerdings besteht bei der naturphilosophischen Verwendung des Feldbegriffs im Spannungsfeld von physikalischer Präzision, philosophischer Terminologie und theologischer Metapher noch erheblicher Klärungsbedarf, was der Autor auch einräumt. Erfreulich ist, daß der Autor der christlichen Auferstehungshoffnung mehr Glaubwürdigkeit einräumt als gelegentlich die Fachtheologen. Und egal wie man die Nahtoderlebnisse einschätzt, ihre wissenschaftliche Erforschung und theologische Deutung ist in jedem Fall ein wichtiges Anliegen.

Die Arbeit von Fritz Krafft ist der erste Band einer neuen Reihe "Natur - Wissenschaft - Theologie", in der es darum geht, das Spannungsfeld zwischen Naturwissenschaft und Theologie im jeweiligen historischen Kontext auszuloten. Insbesondere hat sich der Autor zum Ziel gesetzt, angesichts einer zu eindimensionalen wissenschaftstheoretischen Sichtweise den positiven Beitrag des Christentums zur Wissenschaftsentwicklung anhand verschiedener geschichtlicher Fallstudien herauszustellen. Er verfolgt diese Absicht ohne Bezug auf die umfangreiche und kontroverse Diskussion (A. Maier, A. Koyré, M. Clagett, E. Grant, S. Jaki, H. Blumenberg, T. F. Torrance) dieser Frage in der Wissenschaftsgeschichtsschreibung, die von dem epochalen Werk von Pierre Duhem um die Jahrhundertwende angestoßen wurde. Seine Fallstudien konzentrieren sich vor allem auf den innovativen Beitrag des Christentums im Kontext teleologischen Denkens. Dieser ist je nach historischer Konstellation verschieden gelagert. So ist es bei dem spätantiken Theologen Philoponos vor allem die Überwindung der ,internen Finalität' der aristotelischen Bewegungslehre, ein neues Raumkonzept, die Konzeption einer einheitlichen Naturkonzption gegen den aristotelischen kosmischen Dualismus (sublunar-supralunar) und die Hinordnung der Schöpfungswirklichkeit auf ein Ziel des Schöpfers ("externe Finalität"), die den Fortschritt des Christentums in der Naturerkenntnis gegenüber der Antike signalisieren, auch wenn er sich aufgrund Philoponos' Monophysitismus in der Gesamtchristenheit nicht durchsetzen konnte. Anhand zweier weiterer Fallstudien, deren Themen im Übrigen bereits gut erforscht sind - "vom horror vacui zum atmosphärischen Luftdruck" und "vom Impetus zur allgemeinen Gravitation" -, verdeutlicht der Autor die Verdrängung der "internen Finalität" als Erklärungsmodell durch die kausale Betrachtungsweise. In beiden Fällen ist es letztlich der theologische Voluntarismus des spätmittelalterlichen Nominalismus - so bereits die These von Pierre Duhem, der diesen Innovationsschub in verschiedenen Etappen seit dem Beginn der Diskussion um diese Fragen durch spätmittelalterliche naturphilosophisch arbeitende Theologen, z. B. Buridan und Oresme, ausgelöst hat. Freilich schließt sich der Autor der These Duhems nicht an, die wissenschaftliche Revolution bereits mit diesen frühen naturphilosophischen Theologen des 14. Jh.s beginnen zu lassen. Der innovative Beitrag des Christentums in dieser Epoche erschöpft sich in der zeitgeschichtlich sinnvollen Überwindung aristotelisch-teleologischen Denkens. Interessanterweise ist es auch nicht Galileis Programm eines methodischen Reduktionismus, das den Beginn der wissenschaftlichen Revolution markiert, sondern Keplers umfassenderes Wissenschaftskonzept, das sich an der "externen Finalität" des Schöpfungsplans Gottes orientiert, der sich im "Buch der Natur" lesen läßt, das in mathematischen Lettern geschrieben ist. Diese um den Harmoniegedanken gruppierte einheitliche Naturkonzeption, neuplatonisch und stoisch inspiriert, stellt mit ihrem Kraftbegriff und ihrer platonisierenden Mathematisierung der Natur die eigentliche Schaltstelle zur modernen Naturwissenschaft dar. Um zu dieser neuen Konzeption einer Mathematisierung der Natur zu gelangen, mußte Kepler nicht nur die pythagoräische und aristotelische Konzeption des Verhältnisses von Mathematik und Natur überwinden, sondern auch das statische platonische Verständnis. Die Natur ist also in den Lettern eines dynamisierten Plato geschrieben. Für den Autor ist demnach der christliche Renaissancehumanismus, nicht das reduktionistische Wissenschaftskonzept Galileis und Descartes' der Wurzelgrund der modernen Naturwissenschaft. Darüber läßt sich trefflich streiten. Damit erschöpft sich allerdings auch schon der innovative Beitrag des Christentums. Denn die im Anschluß an Newton noch folgende Physikotheologie erweist sich doch als eine geschichtliche Sackgasse, was der Autor anhand des Endes der ,externen Finalität' innerhalb der Physikotheologie als Erklärungs- und Sinnhorizont durch die Kritik Kants am physikotheologischen Gottesbeweis 1760 auch klar macht. Diesen Verlust der ,externen Finalität' verdeutlicht der Autor zum Schluß noch einmal am langen Prozess der Erkenntnis kosmischer Unendlichkeit in Raum und Zeit, beginnend bei Newton über beispielsweise Herschel, Bessel bis zu Hubble. ,Verlust der Mitte' bedeutet zugleich Verlust eines theologisch plausiblen und legitimen Sinnhorizonts.

Abgesehen von einigen interessanten Details, z. B. dem Legitimierungszwang der Mechanik vor der wissenschaftlichen Revolution, bietet das Buch keine neuen wissenschaftsgeschichtlichen Erkenntnisse und auch keine neuen Argumente. Theologisch bleibt es bei der Klage um den ,Verlust der Mitte' bzw. beim Appell zur Wahrnehmung der Schöpfungsverantwortung stehen. Da das Buch auch aus verschiedenen bereits vorher gehaltenen Vorträgen bzw. Aufsätzen zusammengestellt ist, fehlt gelegentlich der rote Faden bzw. kommt es zu nicht notwendiger Redundanz. Insbesondere hätte man gerne etwas mehr über die heute wissenschaftlich genauer beschreibbare ,interne Finalität' des Aristoteles erfahren, die zu Beginn des Buches angekündigt wird. Insgesamt aber stellt das Buch durch seine Konzentration auf den Aspekt der Teleologie einen lesenswerten und interessanten Aspekt des Dialogs Naturwissenschaft - Theologie dar.

Der Titel von Ulrich Kropac nun ist ein ebenso orgineller wie fundierter Beitrag zu dem - wie man sieht - auch in Deutschland intensiver werdenden Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie. Als studierter Theologe und Mathematiker bringt der Autor die Voraussetzungen mit, die beiden Gefahren zu vermeiden, die in diesem Dialog lauern: Dilettantische Rezeption naturwissenschaftlicher Sachverhalte einerseits und kurzschlüssiges theologisches Denken andererseits. Entscheidend für die Motivation des Dialogs sind die aufgebrochenen Grundlagenfragen in der Quanten-Mechanik (QM), der Chaostheorie und der modernen Mathematik, die zunächst bei den betreffenden Fachwissenschaftlern selbst das religiöse Interesse weckten. Diese Ausgangslage führt auch zum gut lesbaren, mit einem angemessenen Ausmaß an Redundanz versehenen dreigeteilten Aufbau des Buches, einem naturwissenschaftlichen, philosophischen und einem theologischen Teil.

Im ersten Teil (240 Seiten = 65 % des Umfangs) nimmt der Autor den Leser didaktisch geschickt an die Hand und zeigt ihm den Weg durch die Verschiebungen in den Grundlagen in den drei genannten Bereichen. Es gelingt ihm dabei, einen mittleren Weg zu steuern: zwischen kryptischer Fachsprache einerseits und gefährlichen Simplifizierungen andererseits. Vom Leser wird auf diesem Weg Ausdauer verlangt, denn - so stellt der Vf. klar - für einen ernsthaften Dialog kommt man "nicht an der Anstrengung naturwissenschaftlicher Arbeit vorbei". Dabei ist die Darstellung der naturwissenschaftlichen Grundlagen von vornherein vom Autor so konzipiert, dass in ihnen die philosophischen Probleme thematisiert werden. Insbesondere wird deutlich, dass alte philosophische Probleme in einem neuen Gewand erscheinen, in der Sprache der Naturwissenschaft bzw. der Mathematik zu einer präziseren Formulierung gelangen, so dass in ihnen Differenzierungen aufscheinen, die bis dahin auf Grund der sprachlichen Unschärfe rein philosophischer Begrifflichkeit nicht gesehen werden konnten. Dies zeigt sich insbesondere an den Begriffen der Quantisierung (versus "natura non facit saltus"), gebunden an angebbare Größen wie die Lichtgeschwindigkeit c und das Plancksche Wirkungsquantum h, Kausalität/ Determinismus, Komplementarität und dem Welle-Teilchen-Dualismus. So ist beispielsweise Kausalität nicht mit Determinismus zu verwechseln, auch in der QM gilt eine schwache "statistische Kausalität" der Wahrscheinlichkeit, nicht aber der Determinismus. Der Autor bekennt sich mit guten Argumenten zur Kopenhagener Deutung der QM und lehnt die Rettung des Determinismus durch "hidden parameters" ab. Damit wird als Ergebnis eine in der Natur begründete für den Menschen nicht übersteigbare Erkenntnisgrenze festgehalten, die durch die Unschärferelation festgelegt ist.

Die neuen philosophischen Differenzierungen werden auch in der Chaostheorie deutlich, wenn anhand der einfachsten Gleichung der Chaostheorie, der logistischen Gleichung, die auch dem Nichtmathematiker zugänglich ist, deutlich gemacht wird, dass Determinismus nicht Prognostizierbarkeit impliziert. Anhand der Rückkopplungsmechanismen und der "Sensitivität gegenüber Anfangsbedingungen" wird erklärt, wie in der Chaostheorie die bis dato zusammengedachten Komplexe Determinismus und Prognostizierbarkeit auseinanderfallen. Zusätzliche informationstheoretische Überlegungen zur Nichtalgorithmisierbarkeit chaotischer Prozesse verdeutlichen auch hier die prinzipiell nicht überschreitbare Erkenntnisgrenze des Menschen, wie sie sich in der Nichtprognostizierbarkeit chaotischer Prozesse manifestiert. Besonders verdienstvoll ist, daß der Autor die genannten Erkenntnisgrenzen auch in der sogenannten Grundlagenkrise der modernen Mathematik aufzeigt. Ausgehend von der von Cantor begründeten Mengenlehre, die erstmals mit aktual unendlichen Mengen operierte und so das Antinomieproblem heraufbeschwor, beschreibt der Vf. das Scheitern der drei Lösungsstrategien für die Antinomien: des Russellschen Logizismus, des Brouwerschen Intuitionismus und des Hilberschen Formalismus, die ihrerseits mathematische Variationen des philosophischen Universalienstreits darstellen. Die philosophische Bedeutung der Grundlagenkrise der Mathematik wird aber neben dieser philosophiegschichtlichen Reminiszenz bzw. Neuformulierung eines alten Problems noch deutlicher im Gödelschen Unvollständigkeitstheorem. Anhand dieses Theorems verdeutlicht der Autor eine weitere wichtige Differenzierung, die durch die moderne Mathematik möglich wurde: Wahrheit und Beweisbarkeit fallen auseinander, es gibt in einem hinreichend strukturreichen mathematischen System Wahrheiten, die nicht bewiesen werden können. Damit ist die dritte prinzipielle Erkenntnisgrenze des Menschen markiert.

Von dieser dreifach motivierten und begrifflich präzisierten prinzipiellen Erkenntnisgrenze des Menschen und der damit ermöglichten Offenheit der naturwissenschaftlichen Grundlagensituation gegenüber philosophischer Deutung ausgehend, beschreibt der Autor im zweiten Teil (241-324 = 22 % des Buchumfangs) idealtypische philosophisch-religiöse Interpretationen durch drei Forscherpersönlichkeiten. Anhand von Max Planck wird die Kantsche Interpretation, anhand von Werner Heisenberg die Platonsche und anhand des Theologen und Mathematikers Heinrich Scholz die Leibnizsche Interpretation diskutiert. Besonders verdienstvoll ist es, dass der letztgenannte Autor auf diese Weise wieder in Erinnerung gerufen wird. Insbesondre ist die Korrespondenz seines doppelten Metaphysikbegriffs (signifikative/meditative Metaphysik) mit Gödels Unvollständigkeitstheorem interessant. In der Diskussion werden auch die theologischen Defizite Plancks und Heisenbergs deutlich.

Der dritte, theologische Teil (325-372 = 13% des Buchumfangs) nimmt die im ersten angeklungenen und im zweiten Teil vertieften philosophischen Implikationen der naturwissenschaftlichen Grundlagenfragen wieder auf und identifiziert nun die Philosophie als Metaebene, speziell die Metaphysik, als das angemessene Forum, auf dem der Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft stattfinden soll. Dabei plädiert Kropac für eine Metaphysik, die durch Empirie korrigierbar ist, so wie sich dies bereits in den genannten drei Erkenntnisgrenzen gezeigt hat. Als Themen des Dialogs nennt er gemäß der vorhergegangenen Diskussion "Revision universeller Kausalgesetzlichkeit", "Unberechenbarkeit und Komplexität" und "Grenzen wissenschaftlicher Theorien". Erfreulicherweise vermeidet er nach Darstellung der besagten Erkenntnisgrenzen die Zuflucht zu einem "peinlichen Lückenbüßergott", ohne indes diese Erkenntnisgrenzen als solche theologisch zu reflektieren. Interessant sind in diesem Zusammenhang seine Überlegungen zum zeitlichen Anfang der Welt und zur zufallsgesteuerten bzw. teleologisch gesteuerten Entstehung des Lebens.

Die theologische Aufnahme der philosophischen Deutungen bleibt auf den wenigen Schlußseiten indessen in Andeutungen stecken und ist eher als ein zukünftiges Arbeitsprogramm formuliert. So sieht der Autor in der Unbestimmtheitsrelation der QM eine Spontanität am Werk, die ihrerseits wieder als eine elementare Form von Freiheit im Sinne der Hierarchie des Seienden gedeutet werden kann. In der Chaostheorie erkennt er Anknüpfungspunkte für eine creatio continua, ohne dass dies näher präzisiert wird. Auch der Hinweis auf das Entstehen neuer Strukturen, die die Chaostheorie erklären sollen, wird nicht weiter erläutert. In den Unvollständigkeitstheoremen und den prinzipiellen Schwierigkeiten einer Axiomatisierung, einen regressus ad infinitum zu vermeiden, macht er die Notwenigkeit einer nicht mehr hinterfragbaren Setzung aus, die letztlich auf Glauben beruht.

Das Buch zeigt exemplarisch die prinzipiellen Schwierigkeiten eines Dialogs zwischen Naturwissenschaft und Theologie. Für den Theologen ist ein ungeheuer langer Anlaufweg notwendig, um überhaupt gespächsfähig zu werden. Es ist dem Autor gelungen, diesen langen Weg durch seine kompakte Darstellung verkürzt zu haben. Auch wenn zum Schluß die theologische Verarbeitung etwas blass ausfällt, hat der Autor das Verdienst, mit seinem philosophischen Dialogmodell eine sinnvolle Gesprächsebene herausgearbeitet zu haben.

Auch der vierte Titel von Wilfried Schröder stellt sich die Aufgabe, einen "Beitrag zum Gespräch zwischen Theologie und Naturwissenschaft" zu leisten. Der Autor dieser Broschüre geht Äußerungen der Physiker Max Planck und Werner Heisenberg sowie der Theologen Paul Tillich, Herbert Braun, Helmut Gollwitzer und Heinz-Horst Schrey nach. Im Stil einer Stoffsammlung werden Aussagen der genannten Autoren aneinandergereiht. Im ersten Teil nennt der Autor Plancks Formulierung einer "vernünftigen Weltordnung", die als Konvergenzpunkt eines gemeinsamen Interesses von Naturwissenschaft und Theologie gelten könne, der sich aber Theologie und Naturwissenschaft auf unterschiedliche Weise nähern, symbolisch-bildlich erstere, mit Messungen letztere. Ferner wird die Frage der Christlichkeit Plancks diskutiert und auf seine Abhängigkeit von Kant kurz hingewiesen. Mit wenig systematischer Kraft werden auch Heisenbergs Äußerungen zum Thema aufgezählt: Heisenbergs Wortschöpfung von der "zentralen Ordnung der Dinge", seine ausgewogene Darstellung des Falls Galilei, seine Reflexionen zur Sprache, seine von der Atomrüstung motivierten ethischen Überlegungen. Man vermißt allerdings vollkommen Heisenbergs theologischen Platonismus in dieser Aufzählung. Neue Erkenntnisse über Plancks und Heisenbergs Verhältnis zur Religion werden dabei nicht gewonnen. Nachdem im zweiten Teil die genannten Theologen mit einigen Äußerungen zitiert wurden, stellt der Autor noch einmal die Bedeutung Plancks und Heisenbergs für den beginnenden Dialog heraus und sieht in der Ethik bzw. im Begriff der Komplementarität mögliche Berührungspunkte des Dialogs. Verwunderlich ist, daß ein Autor, der einen Beitrag zum Dialog Naturwissenschaft - Theologie leisten will, die Auswahl weiterer Literatur mit dem Jahr 1974 enden läßt und katholische und angelsächsische Literatur völlig ausblendet.