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Ausgabe:

Oktober/2000

Spalte:

1032 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lilie, Ralph-Johannes [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Patriarchen der ikonoklastischen Zeit. Germanos I. - Methodios I. (715-847).

Verlag:

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1999. XXXVIII, 302 S. 8 = Berliner Byzantinistische Studien, 5. Kart. DM 89,-. ISBN 3-631-35183-6.

Rezensent:

Martin Tamcke

Die Autoren des vorliegenden Bandes haben ihn Friedhelm Winkelmann zu seinem 70. Geburtstag gewidmet, der als Projektleiter an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften für die Arbeitsstelle "Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit" (Leiter: Ralph-Johannes Lilie) fungiert. Die inhaltliche Brücke zwischen den von ihnen erhobenen "Biographien" zum Wirken des Jubilars sehen sie in der "Mischung aus Byzantinistik und Kirchengeschichte" (so im Vorwort, VII).

Nacheinander werden in chronologischer Reihenfolge behandelt: Germanos (Verfasser: Dietrich Stein, 5-21), Anastasios (Verfasserin: Ilse Rochow, 22-29), Konstantinos II. (Verfasserin: I. Rochow, 30-44), Niketas (Verfasserin: I. Rochow, 45-49), Paulos IV. (Verfasser: Ralph-Johannes Lilie, 50-56), Tarasios (Verfasserin für die Zeit bis zum Konzil: Claudia Ludwig, 57-97; Verfasser für die Zeit nach dem Konzil: Thomas Pratsch, 97-108), Nikephoros I. (Verfasser: T. Pratsch, 109-147), Theodotos I. (Melissenos "Kassiteras") (Verfasser: T. Pratsch, 148-155), Antonios I. ("Kassymatas") (Verfasser: T. Pratsch, 156-168), Ioannes VII. Grammatikos (Verfasser: R.-J. Lilie, 169-182), Methodios I. (Verfasserin: Beate Zielke, 183-260). Vor dem Abschnitt "Allgemeine Schlußfolgerungen" (Verfasser: Lilie, 277-288), finden sich zwei weitere Anhänge von Thomas Pratsch ("Die Beinamen der Patriarchen von Konstantinopel zur Zeit des zweiten Ikonoklasmus", 261-266, und "Die Erwähnungen der Patriarchen des ersten Ikonoklasmus im Synaxar von Konstantinopel", 267-276).

Auffallend ist, dass alle sechs Autoren (ausgewiesene und kompetente Fachleute) in der jeweiligen Darstellung eines Patriarchen "alle in den Quellen greifbaren Mitteilungen" zu ihm aufnehmen (so schon programmatisch S. 4 formuliert). Damit unterscheiden sie sich bewusst von dem 1972 von J.-L. van Dieten herausgegebenen Band "Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610-715)", der leider der einzige einer ursprünglich auf acht Bände angelegten Darstellung der Patriarchen von Konstantinopel blieb. Obwohl so in der Darstellung unterschieden, verstehen die Verfasser doch ihren Band als Anschluss an Dietens Werk. Immerhin entschädigen die durch diesen Ansatz zusätzlich erfassten Informationen für die teilweise recht karge und problematische Quellenlage, die die Autoren jeweils mit Zurückhaltung diskutieren. Wer von der Lektüre der umfangreichen Darstellungen einzelner der hier behandelten Patriarchen herkommt, wird unschwer eine Ursache für die überraschende Kürzung der Stofffülle ausmachen können: der programmatische Verzicht auf die Behandlung der theologischen Aspekte des sogenannten Ikonenstreits (die Vff. sind sich der Problematik der Begrifflichkeiten "Ikonoklasmus/Ikonodulie und Bilderstreit" bewusst, benutzen sie aber je nach Autor dennoch, S. 4), der aber dennoch nicht weitgehende Überlegungen in diese Richtung ausschliesst (2 f.).

Von diesem Ansatz her verwundert es nicht, wenn zu den ergebnishaften "allgemeinen Schlußfolgerungen" die wenig verblüffende Erkenntnis gehört, dass "nicht so sehr die Persönlichkeiten der einzelnen Patriarchen" erfassbar sind, "als vielmehr ihre Stellung zur Orthodoxie" und damit nicht die Tatsächlichkeit des Geschehens zu Tage tritt, sondern die "Zeugenfunktion", die für die ikonoklastischen Patriarchen "nicht möglich" war, da entsprechendes Material aus ikonoklastischer Feder fehlt (278 f.). Ikonoklastische Patriarchen waren ohnehin "mehr oder weniger Werkzeuge der jeweiligen Kaiser" (280). Doch gilt sowohl für ikonodule wie ikonoklastische Patriarchen, dass sie "weniger als eigenständig handelnde Personen vorzustellen" sind, "sondern vielmehr als Exponenten der jeweiligen kaiserlichen Kirchenpolitik" (284). Damit untermauern die Autoren, dass Byzanz eben nicht mit den Augen westlicher Begrifflichkeit und Verstehensraster im Kontext eines von der Zwei-Reiche-Lehre geprägten Denkens verstanden werden will, sondern aus der Einheit von Kaiser/Staat und Patriarch/Kirche heraus. Da müssten Leser geschützt werden vor dem Missverständnis, die Bestimmung durch die kaiserliche Politik sei profane Fremdbestimmung gewesen.

Wie in den jeweiligen Darstellungen historischer Kontext und gesellschaftlicher Hintergrund herangezogen werden, so endet das Werk in der weit hinausgreifenden Aussage, dass der Ikonenstreit "ein Symptom für die Reduzierung der ,ökumenischen' Bedeutung des oströmischen Kaisertums" sei (287). Wie auch immer man zu den weit über die Darstellung der Patriarchen hinausreichenden Linien stehen mag, das Buch wird ein wichtiges Hilfsmittel zukünftiger Beschäftigung mit dem Ikonenstreit sein und die Nutzung des in ihm präsentierten Materials für die Beschäftigung mit dieser Zeit kann nur anempfohlen werden.