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Ausgabe:

Oktober/2000

Spalte:

1026–1028

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Dassmann, Ernst

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte. II/2: Theologie und innerkirchliches Leben bis zum Ausgang der Spätantike.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1999 272 S. gr.8 = Kohlhammer Studienbücher Theologie, 11,2. Kart. DM 37,95. ISBN 3-17-012845-0.

Rezensent:

Wolfgang A. Bienert

Mit dem vorliegenden Band II/2 der Kirchengeschichte aus der Reihe "Studienbücher Theologie" des Kohlhammer Verlags bringt der Bonner Patrologe und Kirchenhistoriker E. Dassmann seine Darstellung der Alten Kirche zum Abschluss (zu Bd. I: "Ausbreitung, Leben und Lehre der Kirche in den ersten drei Jahrhunderten", 1991, vgl. meine Rezension: ThLZ 118, 1993, 236-238; zu II/1: "Konstantinische Wende und spätantike Reichskirche", 1996, vgl. ThLZ 123, 1998, 157-158). Die Stofffülle hatte den Autor dazu veranlasst, Bd. II zu teilen, was Fragen nach dem Gesamtkonzept aufwarf. In II/1 hatten "die kirchenpolitischen Ereignisse, die Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat sowie das Verhältnis der Kirche zu anderen gesellschaftlichen Gruppen" im Vordergrund gestanden, wobei die Entwicklung der Kirche im Westen stark betont wurde. Es ist aufschlussreich, dass - wie der Vf. selbst betont - bei der Behandlung der Themen Theologie und Frömmigkeit der "Blick verstärkt auf die östlichen Kirchen" gerichtet wird (11). Diese Aspekte spielten in den westlichen Kirchen in der Tat eine eher untergeordnete Rolle. Von daher handelt es sich in Bd. II/2 um jene notwendige Ergänzung, die die Bedeutung der östlichen Kirchen für Theologie und Frömmigkeit der Christenheit insgesamt nun deutlicher hervortreten lässt.

Die Darstellung in Band II/2 gliedert sich in zwei etwa gleich große Teile, die relativ unverbunden nebeneinander stehen. Der erste Teil mit dem Thema "Glaube und Dogma" (14-123) gibt einen dogmengeschichtlichen Überblick von den Anfängen der Kirche bis zum Ausgang des Bilderstreites. Er orientiert sich in seinem historischen Verlauf an den grundlegenden Lehrentscheidungen der altkirchlichen Konzilien, von Nizäa (325) über Konstantinopel (381), Ephesus (431) zunächst bis Chalkedon (451). Es folgt ein relativ kurzer Abschnitt über "Die Zeit nach Chalkedon" (101-114 - mit einem kurzen Blick auf die Entscheidungen der Konzile von Konstantinopel 553 und 680/81). Den Abschluss bildet der Bilderstreit, in Verbindung mit den Entscheidungen des 7. allgemeinen Konzils von Nizäa 787.

Der zweite Teil behandelt das innerkirchliche Leben und ist in vier größere Themenbereiche unterteilt: 1. Liturgie und religiöses Leben (124-154), 2. Mönchtum (154-198), 3. Volksfrömmigkeit (198-225), 4. Bildung und Kultur (225-251). In diesem Teil nimmt der Vf. immer wieder Bezug auf die Anfänge, geht aber auch auf die gegenwärtige Praxis des kirchlichen Lebens ein, wobei die römisch-katholische Sicht des Vf.s, die immer wieder auch in anderen Teilen des Werkes erkennbar ist, hier verständlicherweise besonders hervortritt. In einem kurzen "Fazit" (250 f.) deutet der Vf. leider nur sehr kurz an, wie vielfältig die "Christentümer" in der Spätantike waren - auf Grund der zahlreichen Sprachen und Kulturen, in die das antike Christentum eindrang. - Es folgt ein knapper aber wichtiger Anmerkungsteil, der vor allem die Zitate belegt (252-264) und dann ein nicht weniger nützliches Register (265-272).

Recht ansprechend ist vor allem der zweite Teil des Buches. Er enthält trotz der Reduzierung auf die wichtigsten Lebensformen viele eigenständige Beobachtungen über die Entstehung und Entwicklung der altkirchlichen Frömmigkeit, nicht nur aus der Geschichte des Mönchtums, sondern auch aus dem gottesdienstlichen Leben, den Kasualien, dem Fasten, den Wallfahrten, der Reliquien- und Heiligenverehrung u. a., die in übersichtlicher Form und mit Quellenstücken belegt anschaulich geschildert werden. In den neueren Darstellungen der Alten Kirche wird dieser Bereich oft nur sehr knapp und recht summarisch behandelt. - Der dogmengeschichtliche Abschnitt beschränkt sich auf eine knappe Skizze der Lehrentwicklung vor dem Hintergrund der altkirchlichen allgemeinen (ökumenischen) Konzilien. Die Darstellung orientiert sich vorwiegend an Personen und den mit ihnen verbundenen theologischen Auseinandersetzungen (Arius, Athanasius, Nestorius, Cyrill, Eutyches usw.). Die politischen und kirchenpolitischen Interessen werden immerhin angedeutet und die wichtigsten Lehrentscheidungen vorgestellt und erläutert. Aber die Darstellung dringt nur bedingt zu den theologischen Problemen selbst vor. Manche theologischen Positionen werden im zusammenfassenden Urteil sehr vereinfacht wiedergegeben: Athanasius wird vom Vf. ein urchristlicher "Glaubensinstinkt" (37) zugesprochen. Dem Erzketzer Arius wird immerhin bescheinigt, er habe "nicht klein und abfällig von Christus gedacht". Doch er blieb für ihn "ein Mittelwesen und wie die Menschen durch einen Abgrund von Gott getrennt. Das aber widersprach eindeutig dem Neuen Testament" (35). Person und Schicksal des Nestorius umgibt "ein Hauch von Tragik" (81). In seiner Christologie darf man aber auch "die Defizite" nicht übersehen (83). Die römische Position erscheint dagegen als ein stabiler Faktor der Orthodoxie.

Insgesamt ist der Vf. stets um ein ausgewogenes Urteil bemüht, das auch den neueren Erkenntnissen der Forschung Rechnung trägt (vgl. z. B. 103). Und so gelingt dem Bonner Kirchenhistoriker aufs Ganze gesehen eine anschaulich geschriebene, abgewogene Darstellung der Alten Kirche, die allerdings nicht nur das römisch-katholische Interesse an der Alten Kirche erkennen lässt, sondern auch eine damit verbundene eigentümliche Sicht dieser für die Gesamtchristenheit grundlegenden Epoche der Kirchengeschichte.