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Ausgabe:

Dezember/1998

Spalte:

1250–1252

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Worthing, Mark William

Titel/Untertitel:

Foundations and Functions of Theology as Universal Science.Theological Method and Apologetic Praxis in Wolfhart Pannenberg and Karl Rahner.

Verlag:

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1996. XIV, 413 S. 8 = European University Studies. XXIII: Theology, 576. Kart. DM 98,-. ISBN 3-631-30101-4.

Rezensent:

Walter R. Dietz

Bei dem in gut verständlichem Englisch abgefaßten Werk handelt es sich um die Buchversion der Doktorarbeit (1994, bei Hans Schwarz, Regensburg) des nunmehr südaustralischen Pfarrers Mark Worthing. Es eignet sich nicht nur als Themenstudie zum Topos "Universalität der Theologie", sondern auch sehr gut als grundlegende Einführung in das Werk zweier bedeutender Theologen des 20. Jh.s, Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg. Beide Autoren werden auch von ihrem Frühwerk (um 1940 bzw. 1960) her eingehend beleuchtet. Mit der dreibändigen Systematischen Theologie (die Vf. vollständig zugrundelegt) kann auch das Werk Pannenbergs im wesentlichen als abgeschlossen gelten. Der Vergleich beider erscheint legitim, ökumenisch interessant und vom Thema her gerade am Ende unseres Jahrhunderts provozierend aktuell. Denn postmoderne Regression vermag Universalität (absolute Religion, objektiver Wahrheitsanspruch, Gott als das Absolute) nur noch als historisches Zitat, d. h. der Sache nach gar nicht mehr zu begreifen. Das "Ende der Metaphysik" wurde immer wieder angesagt (im Interesse origineller Selbststilisierung), hier nun bei Pannenberg und Rahner andererseits die Unaufgebbarkeit einer Metaphysik, die elementar mit der Thematik des Religiösen am und im Menschen zusammenhängt. W. versteht es, gerade diesen Zusammenhang (Metaphysik - Religion - Anthropologie) sehr profund zu beleuchten (Kap. 2+3). Er geht dabei nicht thematisch-synchron im Sinn einer Synopse vor, sondern behandelt beide je für sich, eingangs (Kap. 1+2) sogar kapitelweise separiert.

Am Anfang der sechs Kapitel steht Pannenbergs wissenschaftstheoretische Fragestellung: Inwiefern artikuliert Theologie ein argumentatives, wissenschaftlich fundiertes Wahrheitsbewußtssein? Für W. ist der Universalitätsanspruch im Sinne Pannenbergs jedoch nicht rein wissenschaftstheoretisch zu erheben (durch das Postulat vorläufiger Falsi-/Verifikation, 1973), sondern ist "based upon the universality of its object, God the creator of all things" (67, vgl. 306 u. 394: Die Gotteslehre "holds the key to the claim of theological universality for both theologians"). Diese These hat eine thematische Öffnungsfunktion zum 4. Kapitel hin (Gott als Macht der Zukunft und die alles bestimmende Wirklichkeit, 205-239; Trinität 209-214) und wird dann noch einmal sehr schön in Kap. 6 exemplifiziert am schöpfungstheologischen Dialog mit der Physik (spekulative Kosmologie und Feldtheorie, Zeitverständnis, Vorrang der Kontingenz vor Naturgesetzlichkeit). Dieser Teil ist sehr stark in seiner differenzierten und kritisch-fairen Darstellung auch der umstrittensten Theoreme Pannenbergs (Feldtheorie 377-390), aber sehr schwach in der Herausstellung der hier doch fundamentalen Differenz zu Rahners Ansatz. Denn selbst hier noch will W. "similar positions" sehen und einen "similar apologetic approach to the natural sciences" (391). Das wirkt zu harmonistisch eingepaßt in das "cetero censeo" des ganzen Buches: Es gebe zwar methodische Differenzen, aber bei beiden käme am Ende sehr Ähnliches heraus - aufgrund des übergreifenden Grundinteresses ("Leitmotif" 396 f.), Theologie als Universalwissenschaft zu begreifen. Naturwissenschaftlich verfolgt W. P. vielmehr m. E. einen quite different approach, wie der Vf. eigentlich auch selber aufzeigt, z. B. durch Rahners These, "natural science may and should be methodologically atheistic" 342; ferner 341: jede naturwissenschaftliche Erkenntnis ist notwendig begrenzt, ding-verhaftet und aspektiv-"regional" (schade, daß der Vf. in 6.2 fast nur Rahners Stellung zur Evolutionstheorie in Teilhards de Chardin kosmo-christologischer Mystifizierung behandelt 346-356).

Im Verhältnis zu nicht-christlichen Wahrheitsansprüchen kommt dem interreligiösen Dialog eine zentrale Stellung zu (Kap. 5). Bedauerlich, daß die Einordnung von Rahner und Pannenberg in religionstheologische Modelle (Inklusivimus statt Exklusivismus oder Pluralismus) nicht behandelt wird; es fehlt auch die Auseinandersetzung Pannenbergs mit J. Hick in dem Aufsatz Religious Pluralism and Conflicting Truth Claims (in: G. D’Costa [ed.]: Christian Uniqueness Reconsidered, NY 1990, 96 ff.; vgl. ferner ThQ 169, 1989, 99 ff.). Das zentrale Thema "Absolutheit des Christentums" - seit Hegel, Schleiermacher und Troeltsch die unvermeidliche Grundfrage einer sich universal begreifenden forma Christianismi - wird nur sporadisch behandelt (277 Anm., 283 f., 291 ff., 299, 334) und taucht im Inhaltsverzeichnis gar nicht auf (Register von Namen und Sachen fehlen übrigens). Gut gelungen scheint mir allerdings Worthings Auseinandersetzung mit Rahners These eines anonymen Christentums (279-290, 328 ff.). Richtig ist auch, daß für Pannenberg wie Rahner Christus "the only possible criterion of salvation" bleibt (332), wenngleich sie die Möglichkeit von Heil außerhalb der Kirche nicht bestreiten (nur daß für Pannenberg christliche Mission noch leichter begründbar ist, denn "only in the explicit faith in Christ" haben wir explizite Heilsgewißheit 333).

Nun würde die Universalität des Gottesgedankens vermittels einer natürlichen Erkennbarkeit Gottes bereits genügen, um die Universalität der Theologie als "queen of sciences" zu behaupten (was beide eigentlich nur hinter weltoffen-vorgehaltener Hand tun; 356, stark relativiert 369). Hinzu kommt allerdings die zentrale Bedeutung der Anthropologie, die der Vf. zurecht in ihrer methodisch grundlegenden Funktion (auch im Blick auf Universalität) für Pannenberg wie Rahner herausstellt: "Starting with the human" (203)! Rahner erhebt sie aufgrund der Annahme einer "transzendentalen Erfahrung" (Kap. 2; die philosophisch-kritische Würdigung dieses Theorems in Beziehung auf Kant kommt - trotz 102 ff. - zu kurz, z. B. wäre bezug zu nehmen auf Nikolaus Knoepffler: Der Begriff ’transzendental’ bei K. R., Innsbruck 1993), Pannenberg ausgehend von neuzeitlicher Anthropologie (Herder) und Feuerbachs Religionskritik: Die Wahrheitsfrage muß eben dort gestellt werden, wo sie kritisiert wird, d. h. auf dem Boden der Anthropologie (Kap. 3). Hier nun geht es um Freiheit, Weltoffenheit und Selbsttranszendenz im Horizont eigener Endlichkeit.

Rahner bindet die Sünde an die Sozialbedingungen des Daseins, Pannenberg primär an dessen Naturbedingungen (168, 192; der Linie von Melanchthon und Leibniz folgend). W. hat wohl ganz recht, Rahner in seiner Verniedlichung der Sündenmacht und des Bösen eine Art "Anthropo-optmistic view of humanity" anzulasten (168 cf. 164 ff.), wobei er der Sache nach auch von Semipelagianismus reden könnte (164 f., 167 f., 172, 204), was er aus Höflichkeit jedoch nicht tut. Jedenfalls bringt Pannenberg die Erbsündenlehre als Theorie der Universalität der Sünde wesentlich angemessener und auch radikaler zum Ausdruck, weil er eine sozio-kontextuelle Ätiologie der Sünde (166 f.) für ungenügend hält. Auch im Blick auf die heilsoptimistische Behauptung einer Freiheit gegenüber Gottes Heilshandeln bleibt Pannenberg lutherisch-skeptisch, während Rahner anthropo-optimistisch "the human’s will ability" annimmt "to ultimately say yes to God" (171 - schön wär’s). Hier werden die fundamentalanthropologischen Differenzen als anthropologische Fundamentaldifferenzen von W. sehr gut herausgestellt, ebenso wie die grundsätzlich unterschiedliche Rolle der Anthropologie: für Pannenberg als starting-point, für Rahner als durchgängige foundation (172).

W.s Studie erreicht voll ihr Ziel, das Thema Universalität unter verschiedenenen Aspekten in deren wechselseitigem Zusammenhang differenziert zu beleuchten. Er bietet eine sehr gute, belesene und im Urteil redliche Behandlung der Thematik. Massivere Kritik wird gelegentlich hinter unkommentierten Zitaten verborgen, das eigene Urteil bleibt wohltuend sachlich sowie weitgehend leidenschaftslos und unpolemisch. Gut ist, daß die Textstellenbelege oft englisch und deutsch gegeben sind, so daß auch der deutsche Leser die Herkunft der Zitate leichter verfolgen kann. Das Literaturverzeichnis ist durchaus umfassend und übersichtlich. Sehr gewinnbringend für Kap. 6 war es, daß W. den von Ted Peters hrsg. Sammelband Toward a Theology of Nature (USA 1993) intensiv ausgewertet hat (dieser Sammelband mit Beiträgen Pannenbergs zur Thematik Schöpfungsglaube und moderne Naturwissenschaft existiert leider nur auf englisch).

Fazit: Ein durchaus lesenswertes und (trotz einiger Wort- und Tippfehler) sehr gediegen und beherzt wirkendes Buch, das weniger durch völlig neue Einsichten oder Thesen besticht, als vielmehr durch die systematische Konsequenz und Stringenz, mit der hier in eindrucksvoller, solider und stimmiger Weise das Thema "Universalität der Theologie" im Horizont des ausgehenden 20. Jahrhunderts (wieder) ans Licht geführt wird.