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Ausgabe:

Oktober/2000

Spalte:

1020 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kuula, Kari

Titel/Untertitel:

The Law, the Covenant and God's Plan. 1: Paul's Polemical Treatment of the Law in Galatians.

Verlag:

Helsinki: The Finnish Exegetical Society in Helsinki. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1999. X, 231 S. gr.8 = Publications of the Finnish Exegetical Society, 72. DM 72,-. ISBN 951-9217-27-4 u. 3-525-53650-X.

Rezensent:

Dieter Lührmann

Die Debatte um die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre zeigte, wie wenig sicher sich die lutherischen Kirchen ihrer Grundlagen noch sind. Wie könnten sie auch, wenn doch international seit längerem die Luthersche Paulusinterpretation als verfehlt und durch den Zusatz "Bultmannsche" noch weiter diskreditiert wird. An die Stelle tritt ein Paulus, dessen theologisches Denken nicht von der Rechtfertigung her bestimmt wird, sondern von der Teilhabe (participation) an Christus als der erfahrenen Macht (power) und dem von ihm ausgehenden Geist.

Stärken und vor allem Schwächen solcher Gegenpositionen zeigt die vorliegende Dissertation, angefertigt in Helsinki bei Heikki Räisänen, bisher nur ein erster Teil, dem ein zweiter zum Römerbrief folgen soll. In sechs Schritten wird das Gesetzesverständnis und mit ihm der Bund und Gottes Plan im Gal aufgezeigt. Sinnvoll ist es natürlich, die Aussagen des Gal zunächst für sich zu behandeln und nicht einfach aufgehen zu lassen in einem Gesamtbild paulinischer Theologie, sinnvoll ist auch der Aufbau, der sich orientiert an den Hauptbelegstellen, freilich nun sozusagen ex negativo, denn für alle drei Punkte wird eine Systematik eben nicht gefunden, sondern im Gegenteil bestritten.

Vorangestellt ist nach einer Einleitung die grundlegende oben bereits genannte Bestimmung der paulinischen Theologie von Geist und Macht her. Es folgen Kapitel über die Trennung von Gesetz und Bund, über den Bruch zwischen Gesetz und Gott, über das Gesetz und die Übertretungen, die es bewirkt, und schließlich zur positiven Rolle des Gesetzes, wenn auch mit negativem Ergebnis.

Paulus erscheint insgesamt als wenig präzise, als überfordert, sofern man eine in sich stimmige Theologie sucht, überfordert aber auch durch die Unmöglichkeit, aus dem Gesetz selbst die negative Rolle herauszuinterpretieren, die er ihm zumisst. Verständlich werde das alles nur, wenn man Paulus ernst nehme in seiner Erfahrung der Macht des Geistes. Entwickelt wird das zwar durchaus in der Interpretation der Texte, aber Auseinandersetzungen gibt es eigentlich nur mit E. P. Sanders und J. D. G. Dunn, gelegentlich mit H. Hübner, auffälligerweise schon gar nicht mehr mit Bultmann oder der älteren Generation der Paulus-Forscher. Im Übrigen finden sich in den Anmerkungen im Wesentlichen Ketten von pro- und contra-Notierungen der Kommentare; Quellen werden nur über die Sekundärliteratur herangezogen, nicht selber dargestellt.

Was könnte gewonnen sein mit solcher Pauluslektüre? Vielleicht mag schon die Widerlegung einer allzu mächtig scheinenden Luthertradition, wie Vf. sie im Vorwort andeutet, ein begrenzter biographischer Gewinn sein. Es bedarf aber nur eines kleinen Schritts über die historische Rekonstruktion hinaus, um bei fatalen Konsequenzen zu landen: Wie geschieht denn die Vermittlung der Teilhabe am Geist, etwa durch die Kirche? Jedenfalls könnte, vermutlich ganz gegen den Willen des Autors, sein Ergebnis zu einer solchen Lesart führen. Exegese neutestamentlicher Texte kommt nicht so schnell heraus in das Land scheinbar unvoreingenommener Religionswissenschaft!