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Ausgabe:

Oktober/2000

Spalte:

1007–1009

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rösel, Christoph

Titel/Untertitel:

Die messianische Redaktion des Psalters. Studien zu Entstehung und Theologie der Sammlung Psalm 2-89*.

Verlag:

Stuttgart: Calwer 1999. IX, 241 S. 8 = Calwer Theologische Monographien. Bibelwissenschaft, 19. Kart. DM 98,-. ISBN 3-7668-3627-7.

Rezensent:

Claudia Süssenbach

Die unter Betreuung von J. van Oorschot entstandene Dissertation von C. Rösel ist ein weiterer, sehr umfassender Beitrag zu der in den letzten Jahren zunehmend behandelten Frage nach der Entstehung des Psalters. Mit der Sammlung Ps 2-89 wählt der Vf. dabei ein Wachstumsstadium als Gegenstand seiner Untersuchung, das zwischen der Entstehung kleinerer Teilsammlungen und dem Abschluss der vorliegenden Endgestalt des Psalters liegt. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die bereits vor über 100 Jahren von J. W. Rothstein vorgetragene These einer messianischen Redaktion von Ps 2-89. Nach einem kurzen Gang durch die Geschichte der Psalmenforschung des 20. Jh.s (ausführlicher dargestellt werden hier die Ansätze von H. Gunkel, C. Steuernagel, S. Mowinckel, C. Th. Niemeyer, C.Westermann, J. Reindl, G. H. Wilson, F.-L. Hossfeld/E. Zenger und M. Millard) kommt Rösel zu der methodischen Schlussfolgerung, dass sich das Wachstum des Psalters nur dann angemessen erfassen lässt, wenn Strukturbeobachtungen durch die Analyse einzelner Psalmen unter insbesondere literarkritischen, redaktions- und traditionsgeschichtlichen Fragestellungen ergänzt werden.

Dementsprechend beginnt die Untersuchung nach einem Einleitungskapitel mit Beobachtungen zur Makrostruktur des Psalters (Kap. 2.1). Anknüpfend an bisherige Forschungsergebnisse (Westermann, Wilson) bietet der Vf. eine umfassende Darstellung und Auswertung der strukturellen und formalen Hinweise auf ein mehrstufiges Wachstum des Psalters. Die detaillierten Angaben, die durch zahlreiche Tabellen ergänzt werden, machen dieses Kapitel zu einem wertvollen Hilfsmittel für jeden, der sich mit der Struktur und dem Wachstum des Psalters näher beschäftigen will. Dabei werden vor allem Beobachtungen zum Gebrauch der Gottesnamen im elohistischen Psalter, zur Ordnung der Überschriften, zur Schlussnotiz in Ps 72,20 und zu den Doppelüberlieferungen innerhalb des Psalters beschrieben und ausgewertet.

Ausgehend von den durch die Strukturbeobachtungen gewonnenen Ergebnissen wird im folgenden Abschnitt (Kap. 2.2) ein Modell der Entstehung des Psalters entwickelt, das Ps 2-89 als eine von verschiedenen Wachstumsstufen des Psalters und damit als ehemals eigenständige Sammlung nachweist. Demnach bildete der elohistische Psalter 42-83 den Kernbestand der Sammlung 2-89, der durch den Anhang Ps 84.85.87 erweitert wurde. Dem so erweiterten elohistischen Psalter wurden die Davidpsalmen 3-41 vorgeschaltet. Bedenkenswert in diesem Zusammenhang sind die Überlegungen des Vf.s, die hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden können und die ihn im Gegensatz zu Hossfeld/Zenger zu der Annahme eines stärker mit der Redaktionsgeschichte des gesamten Psalters verzahnten Wachstums von Ps 3-41 gelangen lassen. Die Sammlung Ps 2-87 wurde schließlich durch Ps 2 und 88/89 erweitert bzw. gerahmt. In einem Exkurs über das Verhältnis zur Chronik weist der Vf. die stärkere Nähe des zweiten Teils des Psalters zur chronistischen Geschichtsschreibung nach und kommt in Verbindung mit den aus den Strukturbeobachtungen gewonnenen Unterscheidungen zwischen Ps 2-89 und Ps 90-150 zu der Schlussfolgerung, dass Ps 90-150 eine spätere Erweiterung zu Ps 2-89 darstellt.

Der Frage, nach welchen inhaltlichen Kriterien die Sammlung von Ps 2-89 gestaltet wurde, widmet sich Kapitel 3 der Untersuchung. Im Sinne seiner Arbeitshypothese von einem messianischen Interesse der Redaktoren von Ps 2-89 analysiert der Vf. dabei vor allem die Belege der Wurzel msh im Psalter. Auch wenn es im Rahmen einer redaktionsgeschichtlich orientierten Arbeit angemessen ist, dass redaktionskritische Erwägungen zu einzelnen Versen in den Mittelpunkt der Analyse der Einzeltexte gestellt werden, wäre es in diesem Kontext sicherlich gewinnbringend gewesen, wenn der Vf. den theologischen Denkbewegungen der von ihm näher untersuchten Texten in ihrer Ganzheit etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätte als geschehen. Die Einzelanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass sich acht der zwölf Belege dieser Wurzel im Psalter auf den Textbereich Ps 2-41 und 84-89 und damit auf diejenigen Texte konzentrieren, die bei der Zusammenstellung der Sammlung 2-89 zu dem bereits vorliegenden elohistischen Psalter ergänzt wurden. Im Hintergrund der Salbungsvorstellung steht an allen acht Stellen die Salbung bei der Amtseinsetzung des Königs. Der Messiastitel wird in den betreffenden Psalmen vor allem im Zusammenhang der erlebten bzw. erbetenen Hilfe Gottes für den königlichen Gesalbten genannt. Vor diesem Hintergrund wäre eine stärkere Einbeziehung auch derjenigen Psalmen wünschenswert gewesen, in denen die Thematik des irdischen Königtums unabhängig vom Vorkommen der Wurzel msh begegnet. Angesichts des weiten Textrahmens von Ps 2-89 dürfte dies im Rahmen eines Dissertationsvorhabens jedoch kaum zu leisten sein. Von den acht Stellen in Ps 2-41.84-89 wurden nach der Analyse des Vf.s fünf durch eine Redaktion ergänzt, die nur punktuell in den Psalm eingriff. Fest in der Grundschicht des Textes verankert sind nur die Belege in Ps 89, so dass der Vf. zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Ergänzungen in Ps 2; 18; 20; 28; 84 und der Abschluss der gesamten Sammlung durch Ps 89 auf dieselbe Redaktion zurückgehen.

Die Exegese von Ps 18 und 89 kommt zu dem Ergebnis, dass die Salbungsvorstellungen im Psalter unlösbar mit der Davidtradition verbunden sind. Dementsprechend stellt der Vf. in Kapitel 4 seiner Untersuchung die Frage, welche Entwicklungen die im Psalter begegnenden Davidtraditionen erkennen lassen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich mit den verschiedenen Stationen des Wachstums des Psalters auch das Davidbild verändert. Der Hinweis auf die Person Davids in den Überschriften (ldwd) und die biographischen Situationsangaben in Ps 51-72 gehen demnach auf die Redaktion zurück, die Ps 50-83 zusammenstellte. Die Rettungserfahrungen des königlichen Beters David werden für die Redaktoren des elohistischen Psalters zum Hoffnungszeichen für das Israel der exilisch - nachexilischen Zeit. In ihrer Schilderung Davids knüpfen die Redaktoren dabei an die Funktion des Königs als Beter im vorexilischen Tempelkult an. In Ps 2-89 stehen die gewichtigen Aussagen über David nicht mehr nur in den Überschriften, sondern im Text der Psalmen selbst. David ist nun nicht mehr in erster Linie der königliche Beter, sondern der von Gott erwählte und gesalbte König und Gründer der Dynastie, dessen Vollmacht sich im Kampf gegen die Feinde erweist. Erst mit der Wiederherstellung des Königtums wird sich das Schicksal des Volkes zum Guten wenden. In den auf Ps 2-89 folgenden Redaktionsstufen des Psalters wurde das Davidbild durch neue Akzentsetzungen erweitert und umgedeutet. Die spezifisch königlichen Motive treten in den Hintergrund, statt dessen wird David zunehmend zum Vorbild der Tora-Frömmigkeit.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zur Makrostruktur, zu einzelnen Texten und zur Entwicklung der Davidtradition münden in Kapitel 5 in eine Darstellung der Redaktion von Ps 2-89, in der zusammenfassend die Eingriffe der Redaktoren auf den Ebenen der Einzelpsalmen, der Psalmengruppen und Teilsammlungen sowie der Großsammlungen beschrieben werden. Die Frage nach dem Sitz im Leben des messianischen Psalters beantwortet der Vf. abschließend in einer Verhältnisbestimmung von Einzelpsalm und Sammlung. Während die meisten Psalmen als Einzeltexte Gebete bzw. "Antwort Israels" (G. von Rad) auf die Erfahrung des Handelns Gottes sind, werden sie als Sammlung zur Anrede Gottes an Israel und gewinnen den Charakter der Unterweisung. Entsprechend schlägt der Vf. die Bezeichnung der Sammlung Ps 2-89 als "davidisches Erbauungs- und Gebetbuch" vor. Die Redaktoren dürften seiner Auffassung nach im Umfeld der Kultsänger des zweiten Tempels zu suchen sein.

Im abschließenden 6. Kapitel werden neben den gewonnenen Ergebnissen auch offene Fragen genannt. Ein umfassendes Literaturverzeichnis und ein Register der behandelten Bibelstellen, Qumrantexte und Personen schließen dieses Buch, dessen Antworten auf die Frage nach der Entstehung des Psalters für die weitere Forschung unverzichtbar sein dürften, ab.