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Ausgabe:

September/2000

Spalte:

974–976

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

(1) Mtaita, Leonard A. (2) Parsalaw, Joseph Wilson

Titel/Untertitel:

(1) The wandering shepherds and the good shepherd. Contextualization as a way of doing mission with the Maasai in the Evangelical Lutheran Church in Tanzania, Pare Diocese.
(2) A History of the Lutheran Church, Diocese in the Arusha Region, from 1904-1958.

Verlag:

(1) Erlangen: Erlanger Verlag für Mission und Ökumene 1998. 303 S. 8 = Makumira Publications, 11. Kart. DM 40,-. ISBN 3-87214-290-9.
(2) Erlangen: Erlanger Verlag für Mission und Ökumene 1999. 403 S. 8 = Makumira Publications, 12. Kart. DM 50,- ISBN 3-87214-299-2.

Rezensent:

Friedrich Durst

Bei dieser an der Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegten Dissertation kann der Vf. auf eigene sechsjährige aktive Missionsarbeit (59) im genannten Gebiet aufbauen. Das Inhaltsverzeichnis gibt einen detailliert gegliederten Aufriss, der zeigt, wie der Vf. sein Thema entwickelt. Die Methode der Kontextualisierung, als Weiterführung von Indigenisierung und Inkulturation (72) wird ausführlich begründet und stellt in den einzelnen Kapiteln den roten Faden dar.

Die Notwendigkeit der Kontextualisierung ergibt sich aus der soziokulturellen Situation und aus einer dem Evangelium selber innewohnenden Erfordernis (74 f.). Der Vorgang der Kontextualisierung und der dialogischen Mission (137 ff.) vollzieht sich um zwei Brennpunkte: Das Evangelium auf der einen Seite und die kulturelle Situation derer, denen das Evangelium angeboten wird, auf der anderen. Dabei handelt es sich um einen fortschreitenden Prozess, ein sich gegenseitiges "Durchweben". Den Ansatzpunkt sieht der Vf. bei Enkai, Gott im traditionellen Verständnis der Massai. Enkai soll Enkai bleiben, auch im christlichen Glauben der Massai, allerdings so, dass Enkai nun im Licht der Offenbarung Jesu Christi gesehen und verstanden wird (90) und diese Offenbarung die Trinität enthüllt (88-107).

Die theoretischen Abhandlungen werden immer wieder mit eigenen Erfahrungen belebt: Der Autor hat nie erlebt, dass alle Mitglieder einer Boma gleichzeitig Christen wurden, wie es sich Warneck vorgestellt hat. Oder an gleicher Stelle: In der Regel sind die Bomaältesten am Gespräch mit Missionaren interessiert. Die Massai sind geschickte Fragensteller. Es gibt keine törichten, unbedachten Bemerkungen. Jede Frage muss daher ernsthaft und ehrlich beantwortet werden (143). Einen Schwerpunkt der Arbeit stellt Kapitel VI dar, in dem der Vf. Massai-Riten im Licht des christlichen Glaubens interpretiert und kontextualisiert. Dabei lässt er die Theorie von Beyerhaus gelten: Auswahl, Verwerfung und Interpretation (182), wobei die Massaichristen bei diesem Prozess einbezogen sein müssen (183). Im Einzelnen untersucht der Vf. die inneren, sozusagen geistlichen Kraftfelder, die den traditionellen Riten zugrunde liegen. Diese geistlichen Aspekte sollen durch christliche Vorstellungen und Inhalte ersetzt werden, so dass die Riten selber, soweit sie nicht ausdrücklich gegen grundsätzliche christliche Werte verstoßen, bestehen bleiben. Das besondere Augenmerk des Vf.s richtet sich dabei auf den fest verwurzelten Brauch der Beschneidung und die wirtschaftliche Notwendigkeit der Polygamie. Während er hofft, dass die Mädchenbeschneidung durch bessere Unterrichtung und Einsicht überwunden wird (231 ff.), kann die Knabenbeschneidung als gesellschaftliches Ereignis für Massaichristen fortgeführt werden (200). Im Blick auf die Polygamie stellt der Vf. fest, dass sie als Problem von den früheren Missionaren geschaffen wurde (222). Er empfiehlt, zur Monogamie bei jungen Massaichristen zu ermutigen, Polygamie aber nicht als sündhaft zu verurteilen und zu verbieten (229). Im Schlusskapitel wird u. a. die Frage diskutiert, inwieweit die kontextuelle Mission das Überleben der Massai in der modernen Welt fördert, in dem sie die kulturellen Wurzeln der Massai annimmt und durch eine christliche Identität entfaltet oder ob, wie Kritiker behaupten, auch dies zu einer Zerstörung der Massai-Kultur beiträgt.

Die Arbeit untersucht die Erfahrung der lutherischen Kirche im Gebiet der Pare Diözese. Diese Begrenzung ermöglicht eine sehr tiefgehende, an der Wirklichkeit und Praxis ausgerichtete Untersuchung, die die gegenwärtige wissenschaftliche Diskussion zum Thema einbezieht.

Das zweite anzuzeigende Buch behandelt die Geschichte der lutherischen Mission im Gebiet der Maa-sprechenden Völker (Aruscha und Massai) in der Region Aruscha in Tansania von 1904-1958. Die Zeit bis einschließlich des 1. Weltkriegs bildet einen Schwerpunkt der Untersuchung.

Für diesen ersten Teil hat der Vf. auch persönliche Erinnerungen von Einheimischen aus der Aruscha-Region ausgewertet, denen die Geschichte der jüngeren Vergangenheit bewusst ist. Er bemüht sich, die Gefühle, Eindrücke und Reaktionen der lokalen Bevölkerung aufzuzeigen. Die gewissenhafte, namentliche Auflistung aller Getauften bis in die Zeit des 1. Weltkriegs, mag für den europäischen Leser belanglos sein, stellt aber eine gute Basis dar für weitere Forschungen in Tansania über die Rolle und den Beitrag der ersten afrikanischen Christen zum Wachstum und zur Gestaltung ihrer Kirche. Mit Recht spricht der Vf. diesen Aspekt in seiner Arbeit immer wieder an. Ausdrücklich sieht er das Ziel seiner Untersuchung darin, soweit wie möglich die wichtige Rolle der afrikanischen Evangelisten und Lehrer zu würdigen (29).

Es fällt auf, dass der Vf. den von ihm untersuchten Teil der modernen Missionsgeschichte differenzierter, existentieller und insgesamt wesentlich positiver bewertet, als dies im deutschen Umfeld gemeinhin geschieht (24 ff.). Mitunter hat man den Eindruck, dass der Vf. das apologetische Nebenziel verfolgt, gegen festzementierte modische Vorurteile über Mission und Christen in Afrika anzukämpfen (137 f.). Diese Einstellung hindert ihn allerdings nicht daran, berechtigte Einwände an westlichen Missionaren zu äußern, wenn sie angebracht sind. So kritisiert er die häufige Zusammenarbeit von Missionar Fokken mit den Offizieren der deutschen Kolonialverwaltung (107 f.), die uneinsichtige Haltung von Missionar Blumer gegenüber den sozialen Veränderungen in den 30er Jahren (216 ff.) und die Machtposition, die sich Superintendent Dr. Reusch in der "Vorläufigen Kirchenverfassung" von 1942 schuf auf Kosten der afrikanischen Führungspersönlichkeiten (338).

Für die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen beschreibt der Vf. ausführlich den Beginn der Missionsarbeit im Massaigebiet. Dabei stellt er die tragende Rolle der Aruschaevangelisten heraus. Ein Kennzeichen dieser Zeit im Aruschagebiet sind Probleme, die sich aus dem Zusammenstoß zwischen autoritären Vorstellungen einzelner europäischer Missionare und dem erwachenden Selbstbewußtsein der afrikanischen Christen ergaben (217 ff.). Die folgenreichen Entwicklungen, die der 2.Weltkrieg mit sich brachte und der Weg zur Selbstverwaltung der Kirche durch einheimische Leiter wird ausführlich beschrieben. Weitgehend schließt sich der Vf. dabei den Untersuchungen von H. Smedjebacka an (Lutheran Church Autonomy in Northern Tanzania). Mit Recht beschreibt der Vf. ausführlich die Sonjo-Mission (ab 1948), die allein von einheimischen Christen getragen wurde. Hier hat, auch formal, ein charakteristischer Zug der lutherischen Christen in Tansania Gestalt gewonnen, der für die weiteren Jahrzehnte prägend wurde.