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Ausgabe:

Dezember/1998

Spalte:

1246 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Winkler, Ulrich

Titel/Untertitel:

Vom Wert der Welt. Das Verständnis der Dinge in der Bibel und bei Bonaventura - Ein Beitrag zur ökologischen Schöpfungstheologie.

Verlag:

Innsbruck-Wien: Tyrolia 1997. 512 S. 8 = Salzburgr Theologische Studien, 5. Kart. DM 98,-. ISBN 3-7022-2076-3.

Rezensent:

Werner Dettloff

Romano Guardini hat es in einem privaten Gespräch einmal sehr bedauert, daß die Welt von der Theologie doch fast nur als Schauplatz für Bewährung und Versagen des Menschen gesehen wird. Die theologische Bedeutung der Welt sieht man nicht. Der Begriff "Welt" ist gleichsam unter Verschluß genommen durch die Sünde und im Gegensatzgefühl zu Naturwissenschaften und Naturschwärmern. Es müßte eine Epoche kommen, so Guardini, in der die theologische Frage nach der Welt und von der Welt nach Gott neu gestellt wird.

Die Arbeit von Winkler liefert den Beweis, daß es im Laufe der Theologiegeschichte sogar eine sehr bedeutsame Theologie der Welt, nämlich bei Bonaventura, gegeben hat, und seine Darstellung berücksichtigt zudem noch den heute höchst aktuellen ökologischen Aspekt.

W. informiert zunächst mit großer Sach- und Literaturkenntnis über die ökologische Gegenwartsproblematik, die darin gipfelt, daß aus unserer Gesellschaft eine Risikogesellschaft geworden ist, in der die Natur zum bloßen Material menschlicher Zwecksetzung wurde. Demgegenüber bringen "Naturromantik, Meditation, die Geschichten und Weisheiten der höchst selektiv und verfremdet importierten östlichen Meister" keine echte Lösung. "Neben dem alten und neuen Mythos einerseits und dem Materialismus andererseits gibt es (jedoch) die Antwort der christlichen Theologie, genauerhin des Schöpfungsglaubens" (43 f.).

Wenn W. vom Wert der Welt spricht, geht es ihm darum, auch den Eigenwert der einzelnen Dinge zu sehen, ohne diese aus dem Gesamtgefüge der Welt herauszulösen. Um einen schöpfungstheologischen Beitrag zur Ökologieproblematik zu gewinnen, gibt W. zunächst einen sehr gewissenhaften Überblick, wie die Dinge in der Bibel erscheinen. Den Weg durch die Bibel nennt W. selbst "eine lange und auch garantiert trockene Reise", die einige Geduld abverlangt (71). Sie lohnt sich jedoch.

Das Material wird mit großer Akribie gesichtet. W. zählt etwa 250 Dinge auf, mit deren Hilfe "Wirklichkeit erschlossen, Welt gedeutet, Gott und sein Wille erahnt und erkannt wird" (258). Gott ist Schöpfer und Herr der Dinge. Diese sind Gegenstand des Heils, aber auch Gegenstand und Quelle des Unheils für den Menschen. Sie sind Lebensunterhalt, sie können Reichtum sein. Sie sind Mittel des Kultes, Symbole und Zeichen der Liebe.

Als Beispiel für die theologisch-systematische Sicht des Wertes der Dinge wählt W. die Vestigium-Dei-Lehre Bonaventuras. Die maßgeblichen Quellen sind für ihn vor allem das Breviloquium, das Intinerarium und die Collationes in Hexaemeron. Es sind Werke, die nicht nur Bonaventuras besondere Handschrift tragen, sondern deren Konzept auch nicht durch das vorgegebene Schema der Sentenzen des Petrus Lombardus eingeengt ist. W. läßt Bonaventura ausführlich zu Wort kommen und ist immer um eine sorgfältige Interpretation bemüht. Hervorzuheben ist, daß er sich bei den Texten der Collationes in Hexaemeron nicht mit der Zitation aus der großen Quaracchi-Ausgabe (Red. B) begnügt, sondern immer auch die zuverlässigere Red. A (Ed. Delorme) heranzieht.

Der Vestigium-Begriff erweist sich - zusammen mit umbra, imago und similitudo - als ein Schlüsselbegriff der gesamten Theologie Bonaventuras und dies eben besonders im Hinblick auf die Werthaftigkeit der Dinge. Den Dingen kommt ein Wert zu, weil sie als Geschöpfe Gottes Spuren Gottes sind, weil ihr Sein in der ewigen Zeugung des Sohnes durch den Vater begründet ist und sie deshalb Ausdruck des Vaters sind; und vielen Dingen kommt Wert zu, weil Gott ihnen auch eine eschatologische Zukunft gewährt.

Die Untersuchung von W. ist ein höchst erfreulicher Beitrag zur Bonaventura-Foschung. Der Vf. verfügt über eine umfassende Quellen- und Literaturkenntnis, seine Interpretationen stimmen, und er zeigt nicht nur Bonaventuras theologische Sicht der Welt, sondern vermittelt zugleich Einblick in das Gesamt der Theologie Bonaventuras, die ja wie eine gotische Kathedrale ist, bei der es nicht darauf ankommt, ob man sie vom Haupteingang oder von einem Seitenportal aus betritt: man bekommt immer das Ganze in den Blick.