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Ausgabe:

September/2000

Spalte:

946 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Miskotte, Kornelis Heiko

Titel/Untertitel:

God's Own Green Paradise.

Verlag:

New Zealand Churches and the Environment. Maastricht: Shaker 1997. XVIII, 228 S. gr.8. ISBN 90-423-0010-8.

Rezensent:

Dietrich Ritschl

Der Verfasser, Praktologe an der Universität Amsterdam, war etliche Monate auf der Nord- und Südinsel Neuseelands mit der Absicht, die individuelle Einstellung von Kirchenmitgliedern sowie ihre Wahrnehmungen der Positionen ihrer Kirchen zu ökologischen Problemen und Aufgaben zu erforschen (s. V.). Der Text liest sich bis zum Beginn des 5. Kapitels (120) wie eine nicht sehr sorgsam geordnete Sammlung von Reisenotizen und Gesprächen mit den ca. 60 mittels eines standardisierten Fragebogens befragten Personen. Nicht nur wegen der schwer erkennbaren Struktur der überaus kurzen Summierungen der Äußerungen der Befragten mit den somit unvermeidlichen Wiederholungen, sondern vor allem wegen des abenteuerlichen Gebrauchs der englischen Sprache - fast kein Satz oder Absatz ohne Fehler oder schwerwiegende stilistische Mängel - bereitet die Lektüre wenig Freude. Der Rez. möchte aber seine Sympathie mit dem Unternehmen Miskottes nicht verbergen, denn er teilt mit ihm die Liebe zu Land und Leuten Neuseelands und seinen Kirchen, wo er seit 1970 oft gewesen ist.

Neuseeland ist sozusagen von Hause aus in der Schönheit seiner Hügel und Berge, seiner klaren Seen und Flüsse "green" und stellt sich in der Werbung für Touristen auch so dar. M.s Frage ist nun, ob es auch im neuen Sinn des Wortes, in der Einstellung zur ökologischen Verantwortung - vielleicht auch mit theologischen Begründungen - "grün" ist und grün sein will. Obwohl Nichtchristen - etwa ein Fünftel der Bevölkerung schert sich nicht viel um die christliche Tradition (206, Anm. 8)- auch ökologische Organisationen und Initiativen unterstützen, kümmert sich M. in seinen Interviews nur um Kirchenmitglieder. Allerdings sind etliche von ihnen am Rand ihrer Kirchen, viele aber auch Pfarrer bzw. katholische Priester oder Ordensfrauen. M.s Interesse gilt ganz den Kirchen. Er konzentriert sich nur auf vier Denominationen (Angl., Presbyt., Röm.-Kath., Method.) und nennt die zahlreichen Baptisten - die immerhin ein feines College haben - nur einmal. Er erwähnt zwar Statistiken und staatliche Aktivitäten in Hinblick auf Forst, Fischerei und Wasserwirtschaft, strebt aber mit seinen fast monotonen Fragen immer wieder auf "Einstellungen" der Kirchenleute: inwieweit seid ihr an Ökologie interessiert? Reden eure Pfarrer im Gottesdienst darüber? Wie steht ihr zur Versenkung der "Rainbow Warrior" (des Greenpeace Schiffes)? Das ist alles mäßig interessant und wäre von einem professionellen Sozialwissenschaftler mit viel größerer Kompetenz und Stringenz angegangen worden.

Ein Hauptinteresse gilt den Maoris (ca. 12-15 % der Bevölkerung): Haben sie eine größere Nähe zur Natur und könnten sie die Kirchen des Landes besonders der "Pakehas", der weißen "Kiwis", positiv beeinflussen? Könnten sie eine "theology of nature", wie sie J. Moltmann so vorbildlich formuliert habe, gestalten? Böte ihre Schöpfungs-Mythologie (z. B. 69, 83, 85 ff., 121, 125, kritisch 176) zwar nicht einen legitimen "Ersatz" der alttestamentlichen Schöpfungstexte, aber doch eine Ergänzung? Hier liegt die größte Enttäuschung über dieses Buch, denn M. geht dieser Frage nicht wirklich auf den Grund. Er hätte dazu auch ganz andere und viel spezifischere Literatur konsultieren müssen als die in der Bibliographie (220-228) genannte. Die historischen Bemerkungen über die Maoris sind dürftig, teilweise wohl auch unrichtig.

Dass sie sich gegenseitig vor der Ankunft der Weißen abgeschlachtet haben, wird nicht erwähnt, und ihre enge Beziehung zur Mutter Erde wird nur statuiert, nicht wirklich analysiert. Es fehlen auch Informationen darüber, dass es eben die Anglos, die "Pakehas" waren, die (mit guten Gründen!) seit etwa 1980 mit Macht darauf gedrängt haben, die Identität der Maoris zu fördern und hochzuhalten, doppelsprachige Schilder anzubringen, die Maoris überhaupt wirklich ehrlich "ernst" zu nehmen: All das hat nach dem Urteil des Rez. und seiner neuseeländischen Kollegen aber trotzdem dazu geführt, dass in den Kirchen und theologischen Colleges auch- trotz der seit Jahren bestehenden Sonderförderung von Maori-Studenten - ein böser Streit um die neu geforderte "indigenous theology" (125, 127-129, 138 f.) entstanden ist, so böse, dass veritable Theologieprofessoren das Land verlassen haben und eine starke Gruppe eine neuseeländische "Barmen-Declaration" verfasst hat, die vor einer folkloristischen theologischen Idealisierung der Maori-Mythologien anstelle des Alten Testaments warnte. Es soll nicht gesagt sein, M. habe diese Kontroversen nicht wahrgenommen, aber weshalb erwähnt er sie nicht deutlich, obwohl er sich (168 f., u. ö.) für eine "biblical theology" stark macht? So bleiben leider die Antworten auf die hochinteressante Frage nach einem eventuell konstruktiven Beitrag der Maoris zu einer "green theology" recht blass.

Die beiden letzten Kapitel (120 ff., 154 ff.) machen die genannten Defizite etwas wett. Hier hört der notizenhafte Schreibstil auf, es beginnt eine einigermaßen klare Darstellung und auch Diskussion von drei Autoren, John Morton (eines Biologen), R. J. Eyles und Ray Galvin, die am ehesten in Frage kommen, Väter einer "green theology" werden zu können. Aber auch hier fehlt eine in die Tiefe gehende Nachfrage nach der Stellung der Schöpfungslehre im Gesamtgefüge christlicher Theologie. Alles bleibt aphoristisch und thesenhaft; hastige Bemerkungen über "liberation theology" (163 f.) und Verweise auf J. Moltmann ersetzen nicht eigene, klare Überlegungen. Historische Einschübe, z. B. über "Staat und Kirche" in Neuseeland (157) können so unmöglich stimmen und irritieren die Leser. Wer Neuseeland und seine Kirchen, mitsamt deren neuem Fundamentalismus und den entsprechenden Gegenbewegungen, seine alte englische und schottische Tradition und seine Maoris und die zugewanderten Inselbewohner aus dem Pazifik nicht kennt, nicht mit ihnen Gottesdienst gehalten hat oder sie in seinen Seminaren sitzen hatte - M. selbst soll dies alles natürlich nicht abgesprochen sein - erhält durch dieses Buch leider kein klares Bild.