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Ausgabe:

September/2000

Spalte:

937–939

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Greiner, Dorothea

Titel/Untertitel:

Segen und Segnen. Eine systematisch-theologische Grundlegung.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 1998. 383 S. gr.8. Kart. DM 59,-. ISBN 3-17-015583-0.

Rezensent:

Monika Schwinge

Der Segen gehört wesentlich zum kirchlichen Handeln. Er wird ganz selbstverständlich praktiziert, er wird bei den verschiedensten Anlässen ungebrochen, auch von Kirchenfernen, begehrt. Diese selbstverständliche Wertschätzung des Segens im kirchlichen Leben mag der Grund dafür sein, dass es an theologischer Reflexion des Segens lange mangelte. Wenn sie überhaupt erfolgte, dann immer nur unter einem speziellen Aspekt. Eine systematisch-theologische Grundlegung wurde erst jüngst in zwei Arbeiten geleistet. Die eine ist die Dissertation von D. Greiner.

Der Vfn. geht es darum, die reiche Segenspraxis und die darin gemachten vielfältigen und vielschichtigen Erfahrungen theo-logisch zu deuten und zu verorten. Dies geschieht dadurch, dass 1) das in den einzelnen theologischen Disziplinen zum Segen Erarbeitete systematisch-theologisch erfasst wird; 2) ein eigenes "segenstheologisches Reflexionsmodell" (23) in die Systematische Theologie eingebracht wird; 3) das Aufeinanderbezogen-Sein von Theorie und Praxis des Segens verdeutlicht wird.

Zunächst (Kap. I-VI) wird der Segen von ganz verschiedenen Seiten her beleuchtet. Es wird herausgearbeitet, als was er erfahren wird, was er bewirkt, wie er sich vollzieht, in welchem Verhältnis der segnende Gott, der in seinem Namen segnende Mensch und der Gesegnete zueinander stehen, wie sich Segen und Magie, Segen und Macht zueinander verhalten. Hier wird nicht nur viel biblisch-theologische, praktisch-theologische und humanwissenschaftliche Literatur verarbeitet und ausgewertet, es finden sich auch wichtige Beobachtungen, Reflexionen, Erkenntnisse der Vfn. selbst, die von einem hohen Maß an Sensibilität für religiöse und menschliche Phänomene zeugen. Hier werden aber auch bereits entscheidende Aussagen für die spätere systematisch-theologische Grundlegung gemacht: Zum einen wird die Nähe des Segensaktes zu den Sakramenten betont. Zum anderen wird (Kap. IV), in Auseinandersetzung mit Westermanns Unterscheidung zwischen dem segnenden, dem Schöpfergott zugewiesenen Handeln und dem rettenden Handeln Gottes, wie es in der Soteriologie offenbar wird, herausgestellt, dass im Segen die ganze, umfassende Zuwendung Gottes zum Menschen zum Ausdruck kommt.

Schon in den ersten Kapiteln wird jedoch auch ein Mangel der Arbeit deutlich. In zahlreichen Randbemerkungen, klein-gedruckten exkursartigen Ausflügen, in einer Fülle von Anmerkungen versucht die Vfn., ihre Beobachtungen und Thesen nach möglichst allen Seiten hin abzusichern. Dazu wird eine Reihe von nicht unbedingt zum Thema gehörenden Nebenschauplätzen der theologischen oder humanwissenschaftlichen Diskussion eröffnet. Das erschwert die Lektüre, führt aber vor allem zu gedanklicher Zerfaserung und Verzettelung.

Im weiteren (Kap. VII und VIII) werden die systematisch-theologischen Darstellungen von Luther und M. Fox dargestellt und gewürdigt. Besonders ausführlich beschäftigt sich die Vfn. mit Luther, zumal sie in ihrer eigenen Grundlegung an Luthers trinitarischen Ansatz anknüpft. Kritik übt sie an Luthers Unterscheidung von leiblichem und geistlichem Segen, an der Zuordnung des leiblichen Segens zum Schöpfer und des geistlichen Segens zu Christus und der Abwertung des leiblichen Segens gegenüber dem geistlichen Segen.

Es folgt schließlich (Kap. IX) die eigene systematisch-theologische Grundlegung, mit der die Vfn. beansprucht, Neuland zu betreten. In ihrer Entfaltung des trinitarischen Segensverständnisses geht die Vfn. an den loci der Dogmatik entlang. Sie versucht zu zeigen, dass die Rede vom Segen in allen dogmatischen loci ihren Ort hat, ja dass die Einbeziehung der Rede vom Segen prägende Wirkung auf systematisch-theologisches Reden überhaupt hat, und zwar in allen loci gleichermaßen. In den Ausführungen über den Segen des Schöpfers (266 ff.) wird mit Hilfe einer schönen Interpretation der Schöpfungsgeschichte der Segen als Bejahung der Schöpfung und als Akt der Liebe bezeichnet. Aber es wird nicht explizit gemacht, in welcher Weise hier der trinitarische Ansatz zum Tragen kommt. In den Ausführungen zur Christologie (285 ff.) wird die Bedeutung des Segens für die Person und das Werk Jesu Christi aufgezeigt. So wie der Segen des Schöpfers Wohl und Heil beinhaltet, umfasst der Segen Jesu Christi Heil und Heilung. "Gott segnet seine Geschöpfe durch Christi Person und Werk. Gott bestätigt unverrückbar in ihm: Das Ziel seiner Geschichte mit den Menschen ist Segen"(292). Die Bezogenheit von Schöpfungssegen und Christussegen aufeinander wird in besonderer Weise in den Ausführungen zur Soteriologie deutlich. Im Segen kommen für die Vfn. die schöpfungstheologische Dimension der Soteriologie und die soteriologische Dimension der Schöpfungstheologie zusammen. Mit Recht insistiert die Vfn. deshalb darauf, dass die Rede vom Fluch Gottes nicht losgelöst vom Kreuzesereignis geschehen kann.

Auf die Frage, ob Segen ein "Medium Salutis" sei, zielt die gesamte Arbeit. Den Ausführungen ist anzumerken, dass die Vfn. Mühe hat, hier klare Aussagen zu machen. Zum einen möchte sie den Segen nicht als weiteres Sakrament kreieren, andererseits tendiert sie dazu, ihn als Sakrament zu bezeichnen: "Im Segen haben wir eine die Testamente übergreifende und zusammenhaltende sakramentale Handlung" (322). Einschränkend heißt es dann aber wieder, dass vom Segen als Sakrament nur dort gesprochen werden könne, wo er mit dem Zeichen der Berührung oder der erhobenen Hände oder mit dem Kreuzschlagen verbunden sei. Schon die Vielfalt der hier genannten Zeichen zeigt, wie problematisch es ist, vom Segen als Sakrament zu sprechen. Vollends fragwürdig scheint es mir, den Segen als das Christentum und Judentum verbindende Sakrament anzusehen (324). Gerade der trinitarische Ansatz bei der Interpretation des Segens wie auch des Fluches im AT lässt hier eine Differenzierung notwendig erscheinen. Theologisch angemessen scheint es mir hingegen, vom Segen als einem Akt zu sprechen, der, im Kontext der Sakramente, in jeder gottesdienstlichen Feier und auch mitten in Lebensvollzügen gespendet, das Bleiben und Bewahrtsein unter den Augen des dreieinigen Gottes erfahrbar macht. Diese Deutung scheint das Schlusskapitel über den Segen in der kirchlichen Praxis (Kap. X) geradezu zu bestätigen. Hier nämlich zeigt die Vfn., dass der Segen in allen Feldern kirchlicher Arbeit seinen Ort hat.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Gerade diese Arbeit, die darauf zielt, den Segen systematisch-theologisch zu verorten, macht, den eigenen Intentionen entgegen, deutlich, dass der Segen als Phänomen und Handlung sich letztlich einer derartigen systematisch-theologischen Einordnung entzieht. Er ist als Zeichen der sorgenden, bergenden und rettenden Zuwendung Gottes im Leben der Kirche und im persönlichen Leben die "Grundgeste des Glaubens" an den dreieinigen Gott.1 Als solche hat er ganz selbstverständlich in allen dogmatischen loci ihren Ort. Am Ende bleibt die Frage, ob es für die Beschreibung des Phänomens Segen und die theologische Durchdringung des Segens dieser umfänglichen, ausufernden und daher auch wiederholungsreichen Darstellung bedurft hätte. Weniger wäre wohl auch hier mehr gewesen.

Fussnoten:

1) F. Steffensky, Die Grundgeste des Glaubens - Der Segen in: F. Steffensky, Das Haus, das die Träume verwaltet, Würzburg 1993, 28-41.<