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Ausgabe:

September/2000

Spalte:

910–914

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Heinrich, Gerd [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg.

Verlag:

Berlin: Wichern 1999, 1104 S. m. 181 Abb., Zeittafel, Register, Karte als Beilage gr.8. Geb. DM 128,-. ISBN 3-88981-045-4.

Rezensent:

Rudolf Mau

Zum Reformationsjubiläum 1989 sollte das Millenniumswerk vorliegen; Verzögerungen ermöglichten dann noch eine breite Berücksichtigung der jüngsten Zeitgeschichte. Das in der Westberliner Arbeitsgemeinschaft für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte von Propst Hollm angeregte Werk bietet 18 perspektivisch und stilistisch stark variierende Autorenartikel, die zu einem großen Teil aus dem Bereich der Freien Universität kommen, dazu Ergänzendes wie Zeittafel, Leitende Persönlichkeiten (seit 1945), Bibliographie, Personenregister. Zwei Beiträge stammen aus dem östlichen Bereich (Kunzendorf, Schmidt). Als Theologen sind Besier (mit drei umfangreichen Texten) und der Nestor der Kirchenhistoriker, Stupperich, beteiligt. Zahlreiche Bilder bieten willkommene Anschauung. Eine beigefügte Karte (Heinrich) zeigt die kirchliche Gliederung samt territorialem Wandel im 20. Jh. und weckt das Desiderat einer wenigstens skizzenhaften Veranschaulichung auch früherer Stadien territorialer Kirchenorganisation.

Anschaulich und differenziert beschreibt der Mediävist Dietrich Kurze die Anfänge und den Ausbau der Kirche im Mittelalter (15-146): scheiternde Ansätze einer Christianisierung in der Region konkurrierender politischer und kirchlicher Ansprüche; die noch um 1150 offene Situation zwischen Christen und Heiden, deren Veränderung zur Zeit der Askanier auf Grund der Einwanderung deutscher christlicher Siedler - die Entstehung des "Neustamms" der Brandenburger. Kundig geschildert werden das Wirken der verschiedenen Orden, die Entstehung eines Pfarrsystems, Frömmigkeitsgeschichtliches, kulturelle Einflüsse, dann der Machtzuwachs der hohenzollernschen Landesherren dank päpstlicher Konzessionen im Bereich des geistlichen Rechts. Die Darstellung beeindruckt durch Sorgfalt der Wahrnehmung und abwägendes Urteil. Verwegene Satzkonstruktionen mit endplatziertem Hauptsatz hemmen bisweilen das Lesen. Am Ende ist die Stiftungsurkunde Ottos I. samt deutscher Übersetzung dokumentiert (143-146).

Über "Kirchenrecht und Verkündigung im Jahrhundert der Reformation" (1517 bis 1598) berichtet Iselin Gundermann, gleichfalls aus großer Vertrautheit mit den Quellen (147-241), und weckt Verständnis für Territorialspezifisches: die Stellung des Hauses Brandenburg zum Reich, Anfänge der evangelischen Bewegung zur Zeit Joachims I. Unter dem Aspekt des konfessionsübergreifenden Zusammenhalts der Hohenzollern wird der Weg Joachims II. "über Reformen zu einer Reformation" als "kluges, überlegtes Handeln" gewertet (159). Facettenreich geschildert sind auch die folgenden Jahrzehnte mit dem Augsburger Interim 1548, der Profilierung einer lutherischen Landeskirche unter Kurfürst Johann Georg mit der Kirchenordnung von 1573. - Der Beitrag von Peter Schmidt über die märkischen Landkirchen in der Reformation (243-254) veranschaulicht unter der Devise "Umbau, kein Neubau" den "Zauber historischer Kontinuität".

Für die Jahre 1598 bis 1620 (Kurfürsten Joachim Friedrich und Johann Sigismund) thematisiert Rudolf von Thadden den konfliktträchtigen Vorgang der "Zweiten Reformation": "Die Hinwendung des Kurhauses zum reformierten Bekenntnis" (255-265), die das märkische Luthertum von allem "Götzenwerk" säubern sollte, provozierte dauerhaften Widerstand, so dass diese Reform Sache einer politisch-akademischen Elite blieb und nur zur Bildung von Hofprediger-Gemeinden führte.- Wolfgang Ribbe beschreibt für 1620 bis 1688 den Weg "zum polykonfessionellen (sic!) Staatswesen" (267-292): die katastrophalen Verhältnisse während des Dreißigjährigen Krieges, die Situation nach dem Westfälischen Frieden, die Konflikte mit den Lutheranern zur Zeit des Großen Kurfürsten, Konsensbemühungen, die Aufnahme von Hugenotten, auch aus Wien ausgewiesener Juden (samt Folgeproblemen), das Faktum neuer, katholischer Landesteile im expandierenden Staatswesen.- Mit interessanten Details thematisiert Thomas Klingebiel "Pietismus und Orthodoxie" in der Zeit von (Kurfürst) König Friedrich (III.) I. und Friedrich Wilhelm I. (293-324). Für die fest verwurzelte lutherische Orthodoxie wurden jetzt durch die enge Bindung an den Landesherrn die Hugenotten und (lutherische) Pietisten zur Konkurrenz. Der Berliner Beichtstuhlstreit (mit vergeblichem Schlichtungsbemühen Speners als Propst) erweitert die "Bresche in den orthodoxen Traditionsbestand der Landeskirche" (303). Als Zäsur (gar "Umsturz") beginnt das Regiment Friedrich Wilhelms I. mit dem Ziel, die Institutionen durchgreifend zu reorganisieren. Die Universität Halle wird zum auch für Theologen obligatorischen Bildungszentrum; die Potsdamer Garnisonkirche als lutherisch-reformiertes Simultaneum (1722) ist als Vorbild gedacht. Doch am Ende scheitert der Soldatenkönig mit dem Versuch (1736), liturgische Konformität zu erzwingen.

Horst Möller behandelt unter dem Motto "Toleranz als ,zärtliche Mutter'" (Friedrich d. Gr.) die Zeit von 1740 bis 1797 (325-333). Im Stil eines Enzyklopädieartikels zum Stichwort "Aufklärung" findet der Leser viel Geläufiges; dazwischen gibt es Brandenburg-Preußisches, dessen territorialgeschichtliche Einbindung aber zu wünschen übrig lässt.

Zu Lessing bleibt gerade dessen Berliner Zeit außer Betracht. Der "Montagsklub der Mittwochsgesellschaft" lässt an Beliebiges denken. Der Begriff "Neologie" wird erst nach mehrfachem Gebrauch (336 u. ö.) erläutert (347 f.). Zum "berüchtigten Wöllnerschen Religionsedikt" (354) erwartet man Genaueres. Unerwähnt bleibt Semler in Halle, auch das Allgemeine Landrecht von 1794, auf das sich spätere Beiträge wiederholt beziehen. Da in Brandenburg-Preußen die enge Beziehung zum Landesherrn eher ein Proprium der Reformierten war, verwundert die Rede (335) von der "lutherischen Deutung", "es sei keine Obrigkeit, denn sie sei von Gott" (Bibelzitat Röm 13,1!).

Auf festem Boden ist man wieder mit den Kapiteln von Hans-Dietrich Loock über den Weg "Vom ,Kirchenwesen' zur Landeskirche" (1798 bis 1840; 363-427) und das "Zeitalter der Berliner Märzrevolution und der Restauration" (1840 bis 1860; 429- 498). Ausgiebige Quellen-Referate und -Zitate vermitteln Eindrücke von der Reformdebatte des Jahrhundertbeginns und den Anfängen der Union unter Friedrich Wilhelm III., dem Agendenstreit und seinen Folgen, vom "Sommernachtstraum" Friedrich Wilhelms IV., den Kirchenverfassungs- und Diakonieprojekten im Vormärz, der Revolution und der Situation danach.

Ausführlich wird der Erlass vom 6. März 1852 behandelt, der konfessionelle Bekenntnistreue voraussetzte (479-481). Weshalb bleibt der den Fortbestand der Union betonende vom 12. Juli 1853 unerwähnt? Wohl durch einen Fremdeingriff wurden Schleiermachers "unvorgreifliche Gutachten" von 1804 zu "unvergleichliche[n]" (423, Anm. 48. 51!). Seltsam klingt das Votum, die ausgiebig benutzte Darstellung von E. Foerster von 1905/07 sei "unüberholbar" (422, Anm. 2); dass Loock "Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Union" (3 Bde., Leipzig 1992/94/99) ignorierte, dürfte mit frühzeitiger Manuskriptabgabe des 1996 verstorbenen Autors zusammenhängen.

Über den "Kirchenbau in Berlin-Brandenburg im 19. Jahrhundert" schreibt Eva Börsch-Supan auf Grund der Materialfülle in kompendienhafter Dichte (499-528). Die Leistungen bedeutender Baumeister wie Schinkel, Persius, Stüler werden gewürdigt, auch der italienisch-neubarocke Berliner Dom als angesichts der Vorgaben beachtliche Lösung Raschdorffs. - Über "Königliche Theologen. Die Provinzialkirche in der Politik der Altpreußischen Union" unterrichtet Gerhard Besier für die Zeitspanne von 1861 bis 1918 (527-560). Kontemporär (für 1888 bis 1918) bietet Klaus Erich Pollmann unter dem Motto "Thron und Altar" gute Einblicke in das Leben von Kirche und Gesellschaft: "Kirchenregiment, Pfarrerschaft, evangelisches Vereinsleben und Kirchenvolk in Wilhelminischer Zeit" (561-612).

Der thematischen Fokussierung fiel ein wichtiger Vorgang zum Opfer: Weder hier noch in der Zeittafel erfahren die Leser etwas über das Kirchenverfassungswerk von 1873/76, dessen frühe und mittlere Projektstadien eingehend behandelt wurden (s. o., Loock). Die Angabe, von 1870 bis 1890 habe sich die Einwohnerzahl Berlins "um etwa 70.000 Seelen vermehrt" (546), wirkt angesichts des Millionenzuzugs in der Gründerzeit kurios. Ausführungen Besiers über den 1. Weltkrieg findet man seitenweise (550-554) wortgleich schon in Bd. 2 (1994) der "Geschichte der EKU" (s. o.).

Das Kolorit der Zeitzeugenschaft (des damals 14- bis 28-Jährigen) trägt Robert Stupperichs Darstellung der Jahre 1918 bis 1932: "Von der Staatskirche zur freien Volkskirche. Konservatismus, Kirchenentfremdung und Reformströmung" (613-646). Er berichtet anschaulich und mit kräftigen Stellungnahmen über den kirchlichen Verfassungsneubau 1918 ff., kirchliche Werke und das Gemeindeleben, Medien, Weltanschauungen und den "Geist der Zeit".

Manches klingt absonderlich, so (zur Gefahr, "die Kirche nach politischen Gesichtspunkten zu gestalten") die Meinung, die "politische Klausel" des preußischen Kirchenvertrags von 1931 habe "den Weg zu diesem Verhängnis gebahnt" (613, auch 619 f.). - Im Biogramm (1052) hätte zwischen den akademischen Graduierungen Stupperichs auch dessen Wirken als brandenburgischer BK-Pfarrer 1934/35 genannt werden sollen.

Eine lebendig-facettenreiche Darstellung über "Die katholische Kirche im 19. und 20. Jahrhundert" bietet der Landeshistoriker Felix Escher (647-702). Er schildert die fast rechtlose Stellung der Katholiken noch im 18. Jh., nach der Übereinkunft von 1821 ("De salute animarum") den Ausbau des dem Fürstbischof von Breslau unterstellten Delegaturbezirks, die Kulturkampfsituation (ohne allerdings die Kraftprobe schon 1837 in der Mischehenfrage zu erwähnen), den Weg zur Gründung des Bistums Berlin (1930), die Verhältnisse im NS-Staat und zur Zeit der DDR: strikte Trennung von Staat und Kirche, Beauftragung von Ordinariatsräten für Kontakte mit staatlichen Stellen, auch dem MfS ("Erst im Oktober 1989 begannen auch in der St.-Hedwigs-Kathedrale regelmäßige Montagsgebete ,für Gerechtigkeit und Frieden'", 693). - Befindlichkeiten in der Evangelischen Kirche während der NS-Zeit 1933 bis 1945 markiert Besier durch die Überschrift "Begeisterung, Ernüchterung, Resistenz und Verinnerlichung" (703-761). Trotz Kirchenkampf und "Aufbau kirchlicher Doppelstrukturen in Berlin und Brandenburg" (713 ff.) "rissen die internen Kontakte zum [DC-dominierten] Konsistorium nie ganz ab" (725). Auch die zur "Spaltung der Bekennenden Kirche" (725 ff.) führende Zeit der Kirchenausschüsse und die Jahre bis zum Kriegsende werden eingehend geschildert.

Etwa ein Viertel des Darstellungsteils gilt der Zeitgeschichte ab 1945. Heinrich thematisiert "Alte Ordnungen und neue Anfechtungen. Die Kirche Berlin-Brandenburg im zerteilten Deutschland (1945 bis 1968)" (763-842). Besiers dritter Beitrag (gleich lang wie die Darstellung zum Mittelalter insgesamt) fokussiert kirchenpolitisch ",Kirche im Sozialismus'. Zur Transformation einer Großinstitution (1969 bis 1990)" (843-974).

Heinrich schildert die Situation des Kriegsendes und die Anfänge kirchlichen Aufbaus unter der sowjetischen Besatzung und würdigt einzelne Personen (so den von den Russen verschleppten und hingerichteten Pfarrer Reinhard Gnettner, Heinrich Grüber, Siegfried Ringhandt, auch Landpfarrer). Überwiegend ist von den frühen Jahren 1945-1950 die Rede; eine Wegbeschreibung für die Berichtszeit ist nicht erkennbar. Thematisch bestimmend ist (neben wenigen Seiten über Westberlin, 826-830) die Konfrontation mit dem kommunistischen Regime samt Verurteilung kirchlicher Anpassung. Zur ersten Nachkriegssynode werden die Hinnahme des Erlöschens ländlicher Patronatsrechte als "peinlicherVorgang" und das Schweigen Niemöllers zur Bitte, in die Dahlemer Gemeinde zurückzukehren, notiert (775 f.787); andere Synoden, auch die gesamte diakonische und die katechetische Arbeit ("Christenlehre"), kommen nicht vor. Als "Glücksfall" für die Kirche (766), "Beispiel der Distanz und Kritik gegenüber pseudostaatlicher Hybris" (798) wird Otto Dibelius gerühmt. Aus dessen Sicht tadelt H. die "ebenso eifersüchtigen wie kurzsichtigen Einsprüche westdeutscher Gliedkirchen der Union" gegen eine Wiederherstellung des EOK als zentrale kirchenleitende Behörde (774), lobt aber, dass die EKU (seit 1951 bruderrätlich verfasst; unerwähnt) "standhaft" die Ost-West-Einheit wahrte (824). Viele Äußerungen des Abscheus gelten den "ideologischen Idiotien" der SED (808), "bösartigen Feinden" (814). Heftig wendet sich H. auch gegen "Introvertiertheiten und theologische Klaustrophobien", die "Abgehobenheit" von BK-Theologen "in die seligen Höhen eines Karl-Barthschen Urchristentums" (770 f.). Kritiker der umstrittenen Dibelius-Obrigkeitsschrift trifft der Vorwurf mangelnden Ernstes hinsichtlich des Verhaltens zum totalitären Staat (814). Es habe auch "klardenkende", "einsichtsvolle" Persönlichkeiten und unterhalb der Kirchenleitungsebene tapfere "Neinsager" gegeben. Doch "Parteigängern des Staates" mit ihrem "anpassungsbereiten, changierenden und lavierenden Kurs" (einer fiktiven "Gruppe" um Stolpe und Schönherr) "gelang" es, den "Schritt ... zur Spaltung zu vollziehen" (824). Solchen Urteilen folgen bisweilen Sätze des Erwägens: "Nach dem jetzigen Quellenstand" wäre wohl "Schweigen und Abwarten" (nach Art der katholischen Kirche) angemessener gewesen; doch sei "hier nicht zu entscheiden", ob die letztere "für den SED-Staat eine erhebliche Gefahr bedeutete" (825). - Abseits der thematischen Zeitspanne votiert H. gegen das derzeitige (1996ff.) Brandenburgische Unterrichtsfach LER (831-834).

Aus gleichartiger Sicht, aber anders in Stil und Methode, Interna der Kirchenleitungsebene breit dokumentierend (u. a. an Hand von MfS-Akten mit deren Kategorien wie "progressiv", "gemäßigt", 844), behandelt Besier die Zeit von 1969 bis 1990 (faktisch ab 1961): "Spaltung als ,Regionalisierung'?" (843 ff., bis 1972); "Die Ära Schönherr" (881 ff., doch schon seit 1967 war er Bischofsverwalter in der Ostregion) bis 1981; "Opposition [sc. politische gegen das Regime] innerhalb der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg in der Ära Forck" (910 ff.). In der Materialfülle, erschöpfendem Registrieren von Äußerungen nach verschiedenartigen Quellen, fehlt die Kennzeichnung des tiefgreifenden Situationswandels (1981 anders als 1961 oder 1967!) oder der Tatsache, dass sich Forck so wie Schönherr und andere auf die am 6. März 1978 getroffenen Staat-Kirche-Vereinbarungen bezogen.

Die entscheidende kirchliche Orientierung - "Zeugnis und Dienst" in der gegebenen Situation - bleibt außer Betracht. Was der Titelbegriff "Kirche im Sozialismus" besagt, erfährt der Leser nicht, auch nicht, was B. unter der "Transformation einer Großinstitution" - etwa abgesehen von der Minorisierung unter dem kirchenfeindlichen Regime - versteht. "Rechte" Kritiker innerhalb der Kirchenleitung erfreuen sich größtmöglicher Beachtung (R. Steinlein auf 33 Seiten). Weshalb wird die extrem schwierige Zeit 1961 bis 1966, in der Generalsuperintendent Jacob Bischofsverwalter der Ostregion war, mit "Der ,Fall' Günter Jacob ..." betitelt? Die plausible Erwägung zur Weigerung Jacobs, nach der Wahl Kurt Scharfs zum Bischof 1966 erneut nebenamtlich als Bischofsverweser zu fungieren (847), versieht B. unbegründet mit dem Vermerk "Gegen Mau" (939, Anm. 42, mit dem Vorwurf des Rückfalls in die frühe "legendenumwobene Kirchenkampfgeschichtsschreibung"): Mein Protest galt der (neuerdings nicht wiederholten) Redeweise B.s, wonach die SED Jacob und Schönherr instrumentalisierte (in: Der SED-Staat und die Kirche, 1, 606. 608). Kritischen, zumal mit DDR-Situationen vertrauten Lesern ermöglicht schon das von B. gebotene Material eine andere als die vor allem durch Überschriften suggerierte Lesart.

Heinrich würdigt in einem Epilog (975-984) - mit dem Bekenntnis zur "Wahrheit der Bibel und der großen Glaubensschriften" angesichts von "Jammertäler[n] mit Urkirchentheologie" und "dreist verbreiteten Weltanschauungen" (982) - nachrufartig Gottfried Forck zu Recht als einen Bischof, den Administration und Repräsentationspflichten nicht "von lebenswichtigen ursprünglichen pastoralen Aufgaben ... unvertretbar oft" abgehalten hätten (980). Dasselbe gilt, von vielen bezeugt, für Albrecht Schönherr, dessen Wirken in extenso, doch ohne Erwähnung dieses Aspekts, behandelt wurde. Neben Erfreulichem, sehr Lesenswertem zeigt der voluminöse Band auch manches, was berechtigten Erwartungen nicht genügt.

Die Zeittafel (985-995; warum erst im 12. Jh. beginnend?) verlangt kritische Aufmerksamkeit. Der Eintrag zu 1968 (Schönherr "zum Bischof ... gewählt") ist frei erfunden (richtige Daten in der sorgfältigen Aufstellung von Kunzendorf, 998). Zu 1981/82: Von einer "Vereinigten Evangelisch Lutherischen (!) Kirche der (!) DDR" (als Gesamtinstitution) war nie die Rede; das vermutlich Gemeinte (Scheitern der VEK, des Projekts der Auflösung von EKU und VELK in eine "Vereinigte Evangelische Kirche" in der DDR) geschah 1984. Wichtiges (wie die preußische Kirchenverfassung von 1873/76) bleibt ungenannt.- Die Bildbeigaben sind bisweilen seltsam platziert (Kögel 563 statt 527; Wöllner 366 statt 353). Der geistliche Trauerzug zur Beisetzung von Kaiserin Auguste Viktoria kommt gleich zweimal ins Bild (624 f.). Für die stark veränderte Domkuppel (547; Wiederaufbau 1982!) genügt nicht die Legende "Der Berliner Dom (1893-1905)". Zu beklagen sind auch zahlreiche Versehen bei Seitenverweisen und Namen.