Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

843 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Mantovani, Mauro, Thuruthhiyil, Scaria, u. Mario Toso

Titel/Untertitel:

Fede e Ragione. Opposizione, Composizione?

Verlag:

Roma: LAS 1999. 357 S. gr.8 = Biblioteca di Scienze Religiose, 148. ISBN 88-213-0412-4.

Rezensent:

Sergio Rostagno

Die päpstliche Enzyklika Fides et Ratio (1998) beschäftigt sich mit dem leidenschaftlichen Versuch, die Universalität des menschlichen Verstehens (Ratio) mit der Universalität der Religion, insbesondere der christlichen Religion, zu verbinden. Dieser Versuch beinhaltet eine Anforderung, jedem authentischen Denken eine universelle Richtung zu geben. Demnach wendet sich die Enzyklika gegen zwei Fronten: einmal gegen eine partikularistische Deutung des christlichen Glaubens, in der die christliche Botschaft ausschließlich als selbstreferentielle Wahrheit verstanden ist; sodann aber auch gegen eine relativistische Auffassung der philosophischen Wahrheit, die ein universelles Denken von vornherein ausschließt. Dass damit ein zentrales Problem des christlichen und menschlichen Denkens überhaupt aufgegriffen wird, wird niemand bezweifeln - gleichgültig, ob die vatikanische Lösung akzeptiert wird oder nicht.

Das vorliegende Werk illustriert die Intention des vatikanischen Dokumentes am Besten. Was noch einmal gründlich erforscht wird, ist das Verhältnis der universellen Ratio zum christlichen Glauben. Verschiedene Stimmen der römischen Päpstlichen Universitäten - Philosophen sowie Theologen, Pädagogen und Ethiker, Männer und Frauen - beschäftigen sich mit der von vornherein akzeptierten Behauptung, dass es kein hoffnungsloses Unternehmen sei, die Universalität der Vernunft und die des Glaubens in Einklang zu bringen. Ziel ist somit, dass das Spezifische der beiden Momente nicht verloren geht, es vielmehr hervorgehoben wird. Interessant ist hier aber nicht so sehr die jeweilige Lösung, die geboten und empfohlen wird, als vielmehr die Fragestellung, die wirklich niemand einfach entfernen kann.

Man könnte das Werk in drei Aspekte aufteilen: den historischen, den philosophischen und schließlich den humanistischen Aspekt.

Ausgehend von den Beiträgen, die das Verhältnis Christentum und Kultur seit den ersten Jahrhunderten untersuchen, kommt das Werk - durch einen wichtigen Aufsatz von M. Mantovani über die Thesen der Constitutio Dei Filius (Vatikanum I, 1870), die in der Enzyklika eine bedeutende Rolle gespielt haben - zur Diskussion mit der Thesen der vorliegenden Enzyklika. A. Molinaro, Professor der Metaphysik am Lateranum, meint, dass die Geschichtlichkeit des Denkens sowohl die Philosophie als auch die Theologie kennzeichnet, und dass die eine Wahrheit von dem jeweiligen, z. T. legitimen, historischen Gewand derselben zu unterschieden ist. In eine ähnliche Richtung weist Angela Ales Bello (Dekan der philosophischen Fakultät des Lateranum), mit ihrer Differenzierung zwischen negativem Pluralismus und positiver Pluralität hinsichtlich der Wahrheit (wobei auch die ,weibliche Dimension der religiösen Erfahrung' zur Sprache kommt). In seinem Beitrag "Philosophie als Aufgabe des Glaubens" behauptet F. Franco (Dozent der philosophischen Anthropologie an der regionalen theologischen Fakultät in Sardinien), auf der einen Seite, gegen relativistische Versuchungen, die Identität zwischen Formeln der Wahrheit und der Wahrheit selbst, meint aber auch, dass die Absolutheit des Wahren den Dialog ermöglicht und fordert: Ist letztendlich jede Person Mysterium, so ist Dialog auch Zugang zu diesem Mysterium (173, mit Hinweis an Fides et Ratio n. 92). Im Aufsatz setzt sich der Vf. mit Nédoncelle, Pannenberg, Pareyson, Ricoeur und anderen auseinander. A. Amato (Dekan der theologischen Fakultät der Pont. Univ. Salesianum) stellt die Enzyklika den Thesen entgegen, die der französische Philosoph Claude Geffré in der Zeitschrift Angelicum 74, 1997 artikuliert hatte (die christliche Wahrheit als zeugnishafte, antizipationsfähige und partizipative Wahrheit).

Die Suche nach einem Punkt der Identität zwischen Fides und Ratio ist überall auffallend. Der Personalismus bietet hier einen wichtigen Hinweis an. Glaube und Vernunft vereinigen sich in der Person. Die Person ist der "Punkt der Synthese" (S. Palumbieri im Aufsatz 331-352; anderwärts 214). Begriffen wird dann die Person als Absolutum. Der Philosoph A. Rigobello stellt die ,personalistische' Sicht des Wahrheitsproblems der ,hermeneutischen' (nicht einheitlichen) entgegen; gelegentlich erwähnt er polemisch die ,lutherische' Position: "reich an geistlichen Anregungen, aber ohne theologische Relevanz, spekulative Theologie, Dogmatik" (135).

Im personal-christlichen Projekt bietet sich das menschliche Projekt schlechthin an, und zwar sowohl in seiner allgemeinen Potentialität als auch in seiner individuellen Realisierung. Diese Behauptung liegt den Beiträgen des dritten Teil des Werkes zu Grunde. Hier werden existentielle, bioethische und missionstheologische Aspekte der Enzyklika untersucht und in ihrer Bedeutung herausgestellt.

In den meisten Beiträgen koinzidiert das Allgemeine mit einer einheitlichen, offenbaren und schließlich notwendigen Wahrheit der Vernunft, die endlich den Menschen anweist, sich dem Unendlichen und Göttlichen zu öffnen. Ratio der Ratio ist somit die Liebe. Durch die Liebe öffnet sich die Vernunft dem Universellen, das sich aber in Jesus Christus - universale concretum - inkarniert hat (104; 166) und sich kirchlich der Menschheit mitteilt.

Am Ende der Lektüre stellt sich die Frage, ob es erlaubt ist, ohne eschatologischen Vorbehalt von der Wahrheit überhaupt zu sprechen. Wo aber eine eschatologische Distanz zwischen Mensch und Wahrheit beibehalten wird, da kann man annehmen, dass die eine Wahrheit durch verschiedene Wege zu eröffnen und zu vermitteln ist, zumal das Denken nicht Identität, sondern Bewegung ist. Dann stellt sich die Frage, ob der Vatikan nicht gerade etwas anderes sagen wollte, nämlich, dass diese Wahrheit einheitlich zu suchen und in der Kirche vollkommen zu finden ist.

Ohne Zweifel dient das vorliegende Werk zum besseren Verständnis der Enzyklika. Ob damit auch die Aporien, die durch die vatikanische Deutung des Verhältnisses zwischen Glaube und Wissen entstehen, gelöst oder sie im Gegenteil vielmehr nur wiederholt werden, das lassen wir hier offen. Es ist auf jeden Fall notwendig - mit oder ohne Enzyklika - den Diskurs über die Universalität der menschlichen Vernunft und der ,besonderen' Allgemeinheit der christlichen Botschaft weiterzuführen.