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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

841–843

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Fuhrmann, Horst

Titel/Untertitel:

Die Päpste. Von Petrus zu Johannes Paul II.

Verlag:

München: Beck 1998. 305 S. m. 191 Abb. 8. Lw. DM 48,-. ISBN 3-406-43695-1.

Rezensent:

Georg Denzler

Das jetzt als Leinenausgabe vorliegende Buch "Die Päpste. Von Petrus zu Johannes Paul II." ist gegenüber der schon 1980 (leicht erweitert 1984) unter dem Titel "Von Petrus zu Johannes Paul II. Das Papsttum: Gestalt und Gestalten" vorgelegten Paperbackausgabe keineswegs, wie sein Autor Horst Fuhrmann in der Vorbemerkung betont, "in Wort und Bild erheblich erweitert". Tatsächlich neu sind, von einzelnen Sätzen abgesehen, nur die zusammenfassende Wiedergabe seines exzellenten Kolloquiumbeitrags "Papstgeschichtsschreibung" von 1988 - das von Philippe Levillain 1994 herausgebene Dictionnaire historique de la papauté (1759 Seiten) wird darin nicht einmal erwähnt - und die Fortsetzung der biographischen Skizze Papst Johannes Pauls II. Nahezu die Hälfte des Umfangs machen die dank dem neuen Buchformat vergrößerten Abbildungen aus, die an vielen Stellen eine umfangreichere Kommentierung erfuhren.

Im I. Teil (23-78) macht F. in aller Kürze mit einigen wenigen Aspekten der Gestalt des Papsttums bekannt: Papstname und Papsttitel, göttliche Stiftung, Petrusgrab, Papst und Konzil, Episkopalismus, Kirchenstaat, Papstweissagung. Im II. Teil (79-273) stellt er nicht, wie der Titel "Die Päpste" suggeriert, alle bisherigen Päpste vor, sondern nur herausragende Persönlichkeiten. Da der Autor Biographisches in bedeutende Zeitereignisse einbindet, werden große Päpste wie Gregor VII., Innocenz III., Bonifaz VIII. oder Pius IX. ausführlicher vorgestellt. Dass Pius X. (1903-1914) und mit ihm der bis heute nicht abgeschlossenen Periode der Bewegung des Modernismus und Antimodernismus nur ganze fünf Zeilen gewidmet sind, ist ein schweres Manko. Dasselbe gilt für Pius XII. (1939-1958), dessen fast 20-jähriger Pontifikat sich gewiss nicht im Schweigen zum Holocaust der Juden im Dritten Reich erschöpft, und nicht minder für Paul VI. (1963-1978), dessen Verdienste um die Fortsetzung und Beendigung des Konzils wie auch um die Regierung der Kirche in schwieriger nachkonziliarer Zeit angesichts des gegenwärtigen Pontifikats neu gewürdigt werden können.

Das den II. Teil abschließende Kapitel über Papstgeschichtsschreibung (239-273) wäre besser zusammen mit den Ausführungen über die Papstliste (277-286) im Anhang untergebracht worden.

Kleine, weil nicht vollständige Korrekturliste: Wer möche heute noch behaupten, dass der Apostel Petrus den römischen Bischofsstuhl innegehabt hat (226). - Falsch ist die Behauptung, die vom 1. Vatikanischen Konzil verkündeten Dogmen des päpstlichen Universalepiskopats und der päpstlichen Unfehlbarkeit stünden "am Ende einer in der Kirchenstruktur selbst angelegten Entwicklung" (201). Vielmehr trifft das Gegenteil zu, wenn wir das Neue Testament aufschlagen und sowohl die Theologie wie die Praxis der Kirche im ganzen ersten Jahrtausend betrachten. - Bei der Frage nach dem Wesen der Kirchen- und Papstgeschichte hätte sich der Autor nicht mit der Antwort eines Johann Adam Möhler und schon gleich gar nicht mit der völlig nebensächlichen Meinung von Francos Schwager Serrano Suner zufriedengeben dürfen (17 f.). - Die Legende zu Abbildung 162 ist fehlerhaft: Die Exkommunikationssentenz des Kardinals Humbert von 1054 richtete sich nur gegen den Patriarchen Michael Kerullarios (und seinen Anhang), nicht aber gegen die gesamte byzantinische Kirche (222). - Fehlerhaft ist auch die Legende zu Abbildung 108: Einen Index der verbotenen Bücher gab es schon vor 1571, dem Jahr, in dem die Index-Kongregation errichtet wurde (161). - Dass ein Protestant wie F. den Reformator Martin Luther als "Kirchenspalter" (10) hinstellt, ist schon verwunderlich. - Der Münchener Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger sprach sich in seinen berühmten Odeonsvorträgen (1863) nicht für den Verzicht auf den Kirchenstaat aus (194), wohl aber deutete er Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeit dessen Untergangs an. - Es ist ein Irrtum zu behaupten, das 1. Vatikanische Konzil (1870) habe die Gleichsetzung des Papstes mit der Kirche zum Dogma erhoben (21). - Nicht das 2. Vatikanische Konzil (257), sondern Papst Paul VI. schaffte im Jahr 1966 den Index der verbotenen Bücher ab. - Ein Bistum "Krems" (236) gab es noch nie; gemeint ist hier wohl Bischof Krenn von St. Pölten in Österreich . - Dass der Vatikan über seine Vermögensverhältnisse heute keine Auskunft gibt (39), kann man nicht mehr behaupten (vgl. H. Benz: Finanzen und Finanzpolitik des Heiligen Stuhls, Stuttgart 1993). - Dass ausgerechnet der jetzige Papst Johannes Paul II. "Abstinenz von politischer Verantwortung" (226) geübt haben soll, erscheint völlig unbegreiflich, wenn man bedenkt, wie sehr gerade dieser Papst auf politische Ereignisse, speziell in Ländern Osteuropas, eingewirkt hat und wie oft er zu politischen Vorgängen in aller Welt Stellung bezieht. - Die Altersgrenze für die Amtszeit des Bischofs (75 Jahre) setzte nicht das Konzil (217), sondern Papst Paul VI. nach dem Konzil fest.

Bei den Ausführungen über die Papstwahl (70) findet die derzeit gültige Apostolische Konstitution "Universi dominici gregis" vom 22.2.1996 keine Berücksichtigung, obwohl sie einige wichtige neue Bestimmungen enthält. Das Kardinalskollegium kann jetzt nach dem 33. Wahlgang beschließen, dass die absolute Mehrheit genügt oder dass eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl erfolgt. In Abänderung der Regelung Pauls VI. (Konstitution "Romano Pontifici eligendo" vom 1.10.1975) ist eine Wahl durch Akklamation bzw. Inspiration oder durch Beauftragung eines kleineren Wahlgremiums nicht mehr zulässig. Auf dem Wahlzettel findet sich das Wort "Card." nicht mehr, womit zum Ausdruck kommt, dass der neue Papst nicht unbedingt aus dem Kollegium der Kardinäle hervorgeht. Sollte der Gewählte noch nicht Bischof sein, muss seine Weihe zum Bischof noch, bevor er dem Volk präsentiert wird, erfolgen. Für die Unterkunft der Kardinäle während des Konklave dient das vatikanische Gästehaus "Domus S. Marthae."

Dem Buch ist schnell anzumerken, dass sein Autor kein Theologe ist. Der weithin bekannte und angesehene Mediaevist Horst Fuhrmann ist auch kein Katholik, sondern, wie er ausdrücklich schreibt, "Protestant, wenn auch ohne besonderen Bekenntnisdrang." Beides zusammen erklärt wohl auch, dass er sich mit dezidierten Urteilen zurückhält. Mit Vorliebe berichtet er witzige Anekdoten und amüsante Begebenheiten. So sind "Die Päpste" eine unterhaltsame Lektüre, zumal da F. ein Meister des Erzählens ist, und wegen der vielen (leider nur schwarz-weißen) Abbildungenen ein interessantes Bilderbuch. Ob aber diese "orientierende Übersicht" (273) einen tieferen Eindruck vom Wesen des Papsttums zu vermitteln vermag, bleibt als Frage.