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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

836–838

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen. Hrsg.: Comenius-Institut, Gesellschaft für Religionspädagogik, Deutscher Katechetenverein.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1997. 520 S. gr.8. Geb. DM 58,-. ISBN 3-579-02833-2.

Rezensent:

Gottfried Adam

Mit diesem Handbuch ist ein Werk erschienen, das für jede Person, die im Bereich des Berufsschulreligionsunterrichtes (=BRU) arbeitet, ein wichtiges Arbeitsinstrumentarium darstellt. 89 evangelische und katholische Autorinnen und Autoren haben die wesentlichen Aspekte des Handlungsfeldes BRU bearbeitet. Das Handbuch möchte das nötige Sachwissen zur Verfügung stellen, "um Orientierung zu ermöglichen, Planungen zu erleichtern und ein Weiterdenken zu fördern" (19). Dabei ist der Blick nicht nur auf die Schulen gerichtet, sondern auch auf die Menschen, die in Kultusverwaltung und Bildungspolitik arbeiten sowie für Fort- und Weiterbildung zuständig sind.

Der Band ist in ökumenischer Zusammenarbeit entstanden, will aber nicht die Unterschiede verdecken, sondern die verschiedenen Einsichten zueinander in Beziehung setzen. Als gemeinsame Leitperspektive wird herausgestellt, dass zukunftsweisendes Lernen und Lehren eine Chance hat, wenn die Beteiligten bereit sind, "sich in angemessenem Respekt vor der Tradition zu gemeinsamen Suchvorgängen zu verbinden, sich auf dialogische und kommunikative Prozesse des Aufeinanderhörens einzulassen und sich auf dem Weg nach vorn für Entdeckungen und Erfahrungen anderer zu öffnen" (19).

In Kap. 1 "Lehrende und Lernende" stehen die im Unterricht agierenden Personen im Mittelpunkt. Dabei geht es einmal um die Erfahrungen und Perspektiven der Unterrichtenden und zum andern um die Erfahrungen, die Religiosität und Moralentwicklung der Jugendlichen.

Kap. 2 "Bildung und Beruf" enthält Artikel über die allgemeinen Perspektiven beruflicher Bildung. Hier geht es um das duale System, Ausbildungsordnungen, die europäische Berufsbildung und die didaktischen Grundlagen. "Berufliche Handlungskompetenz" wird als Leitziel der beruflichen Bildung herausgestellt. Als ihre konstituierenden Dimensionen werden Fachkompetenz, Humankompetenz und Sozialkompetenz genannt. Berufliche Handlungskompetenz meint dabei "die Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen, in beruflichen Situationen sach- und fachgerecht, persönlich durchdacht und in gesellschaftlicher Verantwortung zu handeln sowie seine Handlungsmöglichkeiten ständig weiterzuentwickeln" ( 70).

Unter "Grundlagen und Bezüge" (Kap. 3) werden Grundlegungsfragen des BRU erörtert: Geschichte und Profil des BRU, Theologie als Bezugswissenschaft, allgemeinbildende Aufgaben des BRU, feministische Herausforderungen, ökumenisches Lernen und die Frage nach der Zukunftsfähigkeit, d. h. der Religion an den Grenzen der Moderne. Diese Themen belegen, dass das Handbuch überaus aktuell und an den brennenden Fragestellungen der Gegenwart orientiert ist. Es werden drei allgemeinbildende Aufgaben des BRU benannt: Behandlung der Sinnfragen, Persönlichkeits- und Identitätsbildung sowie ethische Bildung. Der Artikel Ökumenisches Lernen verdient ob seiner Prägnanz hervorgehoben zu werden. Es wird ökumenisches Lernen am Lernort Kirche und am Lernort Schule, ökumenisches Lernen im Kontext des konziliaren Prozesses und als interkonfessionelles Lernen sowie im Blick auf den Dialog mit den Religionen behandelt.

Unter der Überschrift "Situationen und Entwicklungen" stellt Kap. 4 eine Art Sammelkapitel für zehn Beiträge mit ganz unterschiedlicher Thematik dar. Es geht u. a. um den Charakter des BRU als ordentliches Lehrfach, um konfessionelle, überkonfessionelle und interreligiöse Perspektiven, um Europa, um fächerübergreifenden Unterricht, Ausbildungsfragen sowie das Fach Ethik an berufsbildenden Schulen.

Der interessanten Frage nach den "Erwartungen und Interessen" an den BRU ist das folgende Kap. gewidmet. Hier stehen der Gewerkschaftler neben dem Handwerksmeister, das Industrieunternehmen und die Sicht von Ausbildern neben der Sicht von Kirche und Religionslehrerverbänden.

Diese Beiträge sind spannend; es werden auch deutliche Interessenlagen artikuliert: Der Mensch hat Vorrang, er soll die 10 Gebote einhalten, mehr Mut zur Erziehung usw. Beispiele außerschulischer Art (Segelreisen, Orientierungstage in der Berghütte, Studienfahrten, Schulseelsorge usw.) sind im nächsten Themenkreis "Begleitung und Initiativen" zu finden. Fragen des Lehrplans und der Leistungsbeurteilung schließen sich unter "Pläne und Intentionen" an.

Im folgenden Kap. geht es einerseits um Inhaltsfragen und andererseits um unterrichtsmethodische Fragen. Inhaltlich geht es um Werte und Normen, Wirtschaftsethik, Schöpfung bewahren, biblische Gleichnisse, Okkultismus, Weltreligionen, Europa. In methodischer Hinsicht werden Gruppenarbeit, Bibliodrama, Planspiel, gestaltpädagogisches Lernen, Lernen in Projekten, Exkursion, musikalische Elemente sowie Arbeitsblätter, Bilder und Lehrbücher im BRU behandelt. Aus- und Fortbildungsfragen sowie "Hilfen" (Bücher, Materialien, Medien) und die notwendigen Register schließen den Band ab.

Die Übersicht konnte nur global sein. Die Nennung einzelner Autoren verbietet sich von daher. Diese große Zahl von Autoren und Autorinnen macht deutlich, dass in diesem Handbuch die Kompetenz all der Personen versammelt ist, die im Blick auf den BRU etwas zu sagen haben. Darunter befinden sich auch Personen aus Österreich, so dass die österreichische Situation mit im Blick ist. Man kann sicher den einen oder anderen Beitrag anders einsortieren. Die Reihung ist immer ein gewisses Problem bei einem Sammelband. Angenehm fällt aber auf, dass gegenwärtige Fragestellungen zu ihrem Recht kommen. Ich nenne nur einige Beispiele: Menschenrechte, Weltreligionen, feministische Herausforderungen, Zukunftsfähigkeit.

Etwas beliebig erscheint allerdings die Auswahl der Themen (368 ff.). Okkultismus ist zwar vorhanden, es fehlen aber die Jesusthematik und die Gottesfrage. Das ist angesichts dessen, dass die Gottesfrage in der religionspädagogischen Diskussion als das "Kern-Curriculum" (z. B. Nipkow, Lachmann) bezeichnet worden ist, etwas überraschend. Aber man darf sagen, dass insgesamt die entscheidenden Aspekte und besonderen Perspektiven des BRU im Blick sind und sachgemäß behandelt werden. Von daher ist dieses Buch durchaus mit Recht als ein "Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen" und damit als ein Standardwerk zu bezeichnen.