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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

813–815

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

(1) Jacobi, Friedrich Heinrich (2) Jacobi, Friedrich Heinrich

Titel/Untertitel:

(1) Briefwechsel 1775-1781, Nr. 381-750. Hrsg. von P. Bachmaier, M. Brüggen, R. Lauth u. S. Sudhof in Zusammenarb. mit P.-P. Schneider.
(2) Briefwechsel 1775-1781, Nr. 381-750. Kommentar von M. Brüggen, R. Lauth, A. Mues u. G. Schury.

Verlag:

(1) Stuttgart: Frommann-Holzboog 1983. 422 S. m. 3 Taf. gr. 8 = Friedrich Heinrich Jacobi Briefwechsel, Gesamtausgabe, Reihe I, Bd. 2. Lw. DM 295,-. ISBN 3-7728-0861-1.
(2) Stuttgart: Frommann-Holzboog 1997. XXV, 444 S. m. 4 Abb., 1 Farbkte gr. 8 = Friedrich Heinrich Jacobi Briefwechsel, Reihe II, Bd. 2. Lw. DM 493,-. ISBN 3-7728-1537-5.

Rezensent:

Wolfgang Sommer

Seit 1981 wird als Teil der Jacobi-Gesamtausgabe der umfangreiche Briefwechsel Friedrich Heinrich Jacobis (1743-1819) historisch-kritisch ediert. Das aufwendige Unternehmen, das von der Jacobi-Forschungsstelle an der Universität Bamberg durchgeführt wird und zunächst von der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben und unterstützt wurde, ist inzwischen bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt und wird herausgegeben mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie und des Freistaates Bayern. In der ThLZ ist schon der Briefwechsel 1782-1784, Reihe I, Bd. 3, Stuttgart 1987, rezensiert worden (ThLZ 113, 1988, 605-607; s. auch ThLZ 116, 1991, 289-291).

Mit den beiden hier vorliegenden Bänden des Briefwechsels 1775-1781 des Bandes 2 in der Briefeditionsreihe I und dem dazugehörigen Kommentar in Reihe II eröffnet sich der Einblick in eine besonders wichtige Lebensphase Jacobis, in der er auf dem Höhepunkt seiner beruflich-politischen Wirksamkeit wie auch seines literarischen Schaffens steht. Auch in privater Hinsicht waren diese Jahre glücklich im Zusammenleben mit seiner Frau Helene Elisabeth und seinen Kindern. Für eine kurze Zeit konnte Jacobi seine wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen 1779/1780 in die Tat umsetzen. Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz ernannte ihn zum Geheimen Rat und berief ihn zum Ministerialreferenten für das pfalzbayerische Zoll- und Handelswesen nach München. Jedoch schon nach kurzer Zeit musste er diese einflussreiche Stelle aufgeben, in der er an der Neuordnung des Zollwesens und der Abschaffung der Leibeigenschaft und der Frondienste entscheidend mitwirkte. Mit seinen von Adam Smith angeregten wirtschaftspolitischen Vorstellungen konnte sich Jacobi bei der kurfürstlichen Regierung in München nicht durchsetzen.

Dieser Verlust des politischen Einflusses Jacobis geht in etwa parallel mit demjenigen Franz Friedrich Freiherr von Fürstenbergs, mit dem Jacobi in Verbindung stand und der die Verwaltung und das Bildungswesen im Fürstbistum Münster im Sinne der Aufklärung wesentlich erneuerte und beförderte. Auch er wurde 1780 als Minister entlassen, als Erzherzog Maximilian Franz zum Coadjutor der Fürstbistümer Köln und Münster gewählt wurde. Der Verbindung zu Fürstenberg verdankte Jacobi die persönlich-tiefe Freundschaft zu Amalia Fürstin von Gallitzin. Die umfangreiche Korrespondenz mit ihr und dem Kreis von Münster bildet einen wesentlichen Schwerpunkt dieses Briefbandes.

Vor allem aber stehen die Briefe dieser Jahre in engem Zusammenhang mit den beiden dichterischen Hauptwerken Jacobis: "Eduard Allwills Papiere" (1775) und "Woldemar" (1777/1779). "Es sind die ersten im prägnanten Sinne des Wortes ,philosophischen Romane' in deutscher Sprache" (Reinhard Lauth, Einleitung, VI). Jacobi lebte inzwischen als Privatgelehrter von seinem und dem Vermögen seiner Frau auf seinem Landsitz Pempelfort bei Düsseldorf, der in den letzten Jahrzehnten des 18. Jh.s zum Treffpunkt der geistigen Elite der Zeit geworden war. Aber der empfindsame Jacobi, der auf eine Antwort von Seiten Goethes oder Herders auf seine literarischen Werke gewartet hatte, wurde durch deren langes Schweigen bitter enttäuscht. Nur mit Wieland konnte er sich darüber austauschen. Die persönliche Freundschaft mit Goethe ging schließlich durch dessen "Kreuzigung" des "Woldemar" in für Jacobi tiefverletzender Weise in die Brüche. Im Sommer 1779 hatte Goethe im Ettersburger Schlosspark in einer Gesellschaft aus dem "Woldemar" vorgelesen und den Schluss so parodiert, dass der Verfasser der Lächerlichkeit preisgegeben war. Jacobi stellte im Brief vom 15. September 1779 Goethe zur Rede und hörte dann auch im Brief von Johanna Schlosser, dass Goethe über Jacobis "Woldemar" gesagt habe: "So schöne Dinge, so viel großer herrlicher Sinn auch darin sey, so könne er nun einmahl für sich, das was man den Geruch dieses Buchs nennen möchte ..., nicht leiden." (Brief vom 31.10.1779, 119) Die Freundschaft zwischen Jacobi und Goethe war damit endgültig beendet. Aber die enge Verbindung mit Lessing gab Jacobi Mut, als Schriftsteller nicht gänzlich zu verzweifeln und den "Woldemar" zu vollenden. Vor allem aber hatte er in Lessing den adäquaten Gesprächspartner für seine philosophischen Gedanken gefunden. Im Juli 1780 führten beide das denkwürdige philosophische Gespräch, das den Spinozismus-Streit auslöste. Jacobi hatte sich in diesen Jahren intensiv mit Spinoza und Hemsterhuis beschäftigt.

Inmitten vieler Enttäuschungen, zu denen auch das Ende des Freundschaftsbundes mit Wieland gehört, war die enge Verbindung mit der Fürstin Gallitzin für Jacobi eine besonders wohltuhende Genugtuung. Jacobi schreibt der Fürstin: "Was soll ich Ihnen darüber sagen, liebe Amalie, dass Sie mir ein Engel des Himmels sind. Danken kann ich Ihnen nicht dafür dass Sie das sind was Sie sind; und Sie unendlich lieben zu müßen, das ist immer neue Wohlthat." (Brief vom 17. April 1781, 295). Weitere wichtige Korrespondenzpartner dieses Bandes sind u. a. der junge Naturforscher J. G. Forster, J. W. Gleim und J. J. Heinse mit anschaulichen Schilderungen seiner Reisen, besonders nach der Schweiz und Italien.

Neben einer instruktiven Einleitung und einer Aufstellung der Briefe von und an Jacobi enthält der Band auch ein Verzeichnis aller in den Briefen vorkommenden Personen sowie ein chronologisch angeordnetes Briefverzeichnis.

Der dazugehörige Kommentarband gibt die Hinweise zu den Briefen zunächst hinsichtlich ihrer Überlieferung bzw. ihrer Nachweise, sodann der Lesarten und schließlich in Form von zuweilen umfangreichen Erläuterungen. Die Arbeiten zu diesem Band waren schon redaktionell abgeschlossen, als es durch eine Veröffentlichung zur Wirtschaftspolitik Jacobis erforderlich schien, die Akten und Korrespondenzen im Nachlass Franz Karl von Hompeschs für die Kommentierung der Briefe Jacobis in diesem Zeitraum zu verwerten: Klaus Hammacher/Hans Hirsch: Die Wirtschaftspolitik des Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi. Amsterdam 1993 (= Fichte-Studien-Supplementa. Bd. 1). Nachdem Anton Bachmair im Jahre 1989 den Nachlass des Freiherrn von Hompesch im Mährischen Landesarchiv in Brünn ausfindig machte und dort auch 22 bisher unbekannte Briefe der Korrespondenz Jacobi-Hompesch entdeckte, war die Einarbeitung dieser Unterlagen in den Kommentar unerlässlich. Ein Abkürzungsverzeichnis zu den Briefen im Band I, 2 und zum Kommentar, ein Verzeichnis der Siglen für die Aufbewahrungsorte der Briefe und der Literatursiglen gehen dem Kommentar zum Briefwechsel voraus. Ein sehr hilfreiches Verzeichnis der im Briefwechsel erwähnten Literatur schließt sich an sowie ein Ortsverzeichnis des Briefwechsels und ein Personenverzeichnis zum Kommentar.

Mit diesen vorzüglich ausgestatteten Bänden, die freilich ihren nicht unerheblichen Preis haben, ist eine wichtige Quelle nicht nur für die Jacobi-Forschung, sondern auch für die Philosophie- und Literaturgeschichte, die Religions- und Geistesgeschichte und nicht zuletzt für die Politik- und Wirtschaftsgeschichte dieser Jahre neu erschlossen worden. Die Briefe von und an Jacobi dokumentieren nicht nur die intensive Zeitgenossenschaft Jacobis mit den anderen bedeutenden Gestalten dieser geistig so reich bewegten Epoche, sondern in ihnen schließen sich die geistigen Strömungen der Zeit wie selten sonst in einem persönlichen Profil zusammen. So ist das weitere Gedeihen dieses groß angelegten Unternehmens sehr zu wünschen.