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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

805––810

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Troeltsch, Ernst

Titel/Untertitel:

Kritische Gesamtausgabe. 5: Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1902/ 1912). Hrsg. von T. Rendtorff in Zusammenarb. mit St. Pautler.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1998. XV, 317 S. gr.8. DM 268,- (bei Fortsetzungsbezug DM 228,-). ISBN 3-11-016114-1.

Rezensent:

Hermann Fischer

Mit der Kritischen Gesamtausgabe (= KGA) der Schriften Ernst Troeltschs ist ein großes editorisches Unternehmen anzukündigen. Die Publikationen dieses anregenden und vielseitigen Autors, der als Theologe, Religionsphilosoph, Geschichtsphilosoph, Religionssoziologe und Kulturwissenschaftler im letzten Dezennium des 19. und im ersten Viertel des 20. Jh.s eine phänomenale Produktivität und Wirksamkeit zu entfalten vermochte, sind nur noch in wenigen Nachdrucken greifbar. Eine heutigen wissenschaftlichen Standards entsprechende Ausgabe der Werke Troeltschs ist schon lange als dringende Notwendigkeit der Forschung und Wissenschaftsgeschichte empfunden worden. Mit der jetzt ins Werk gesetzten KGA wird einem überlangen Missstand abgeholfen. Herausgeber dieser von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften betreuten Edition sind Friedrich Wilhelm Graf, Volker Drehsen, Gangolf Hübinger, Trutz Rendtorff. Die nach chronologischen und sachbezogenen Gesichtspunkten gegliederte Ausgabe ist auf 20 Bände angelegt und wird mit den vorgesehenen Teilbänden 23 Bände umfassen.

Bd. 1: Schriften zur Theologie und Religionsphilosophie (1888-1902). - Bd. 2: Rezensionen und Kritiken (1894-1900). - Bd. 3: Beiträge zu Enzyklopädien und Lexika (1897-1914). - Bd. 4: Rezensionen und Kritiken (1901-1914). - Bd. 5: Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1901/1912). - Bd. 6: Schriften zur Religionswissenschaft und Ethik (1903-1912). - Bd. 7: Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit (1906/1909/1922). - Bd. 8: Schriften zur Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt (1906-1913). - Bd. 9: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen (1912) (In zwei Teilbänden: 9/1-2). - Bd. 10: Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik (1913) (In zwei Teilbänden: 10/1-2). - Bd. 11: Schriften zur Theologie und Kulturgeschichte (1913-1922). - Bd. 12: Schriften zur Politik (1914-1918). - Bd. 13: Rezensionen und Kritiken (1915-1923). - Bd. 14: Spectator-Briefe (1919-1922). - Bd. 15: Schriften zur Politik und Kulturphilosophie (1919-1923). - Bd. 16: Der Historismus und seine Probleme (1922) (In zwei Teilbänden: 16/1-2). - Bd. 17: Amtliche Schriften, Reden und Gutachten. - Bd. 18: Briefe I. - Bd. 19: Briefe II. - Bd. 20: Nachgelassene Texte und Diktate. Dazu sind ein "Register und Werkverzeichnis Ernst Troeltschs" vorgesehen.

Wie die überzeugende Gliederung dokumentiert, wird das Corpus der auf Troeltsch selbst zurückgehenden drei Bände der Gesammelten Schriften beibehalten und in jeweils zwei Teilbänden ediert. Besonders begrüßen muss man es, dass für die amtlichen Schriften, Reden und Gutachten Troeltschs ein eigener Band vorgesehen ist, da diese vielfach verborgene Seite prominenter Gelehrter in Gesamteditionen oft nicht hinreichend berücksichtigt wird - wie etwa die Akademieausgabe der Werke Kants zeigt. Mit der Edition des Briefwechsels, der bisher nur sehr bruchstückhaft publiziert ist und durch Kriegseinwirkungen ohnehin empfindliche Lücken aufweist, werden der Troeltsch-Forschung die notwendigen Hintergrund-Informationen für Anlass, Motive und kulturgeschichtliche Kontexte der Veröffentlichungen Troeltschs vermittelt werden. Wie der Überblick weiter zeigt, bleiben Nachschriften zu Vorlesungen Troeltschs aus der Edition ausgeschlossen. Vielleicht sollte dafür die Devise gelten: kommt Zeit, kommt Rat - und vielleicht auch Geld!

Die Ausgabe erscheint im Verlag Walter de Gruyter, Berlin/New York. Das ist insofern hervorzuheben, als Troeltsch einen Großteil seiner Werke, vor allem die drei Bände der Gesammelten Schriften, im Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, hat erscheinen lassen. Dem Verlag de Gruyter ist sehr zu danken, dass er sich dieses editorischen Großunternehmens angenommen und es nun mit der Publikation eines ersten, auch in ästhetischer Hinsicht höchst ansprechenden Bandes realisiert hat. Mit der Betreuung der Kritischen Gesamtausgabe der Werke Schleiermachers (die Abkürzung auch dieser Ausgabe mit der Sigle "KGA" wird vermutlich für einige Irritation sorgen) und der Publikation der (zum großen Teil vom Evangelischen Verlagswerk übernommenen) Gesammelten Werke und der Ergänzungs- und Nachlassbände zu den Gesammelten Werken sowie der 6-bändigen Ausgabe der Main Works/Hauptwerke von Paul Tillich sind jetzt die Gesamtausgaben der klassischen Repräsentanten moderner protestantischer Theologie verlegerisch unter einem Dach versammelt, und man wünscht dem Verlag de Gruyter, der am 29. Oktober 1999 sein 250-jähriges Jubiläum gefeiert hat, mit dem Dank für die Betreuung dieser großen Ausgaben nun auch das notwendige Durchstehvermögen in den Stürmen rasanter medientechnischer Entwicklungen.

Mit der Edition der Absolutheitsschrift in einem ersten Band, dem damit zugleich die Funktion eines Musterbandes zukommt, haben die Hgg. einen guten Griff getan. Es handelt sich bei dieser Schrift, auch nach Troeltschs Selbstverständnis, um einen Schlüsseltext, mit dem er eine vorausgegangene Entwicklung zum Abschluss bringt und neue Problemhorizonte aufreißt. Überdies liegt dieser Text in zwei Auflagen vor, ist zudem mit handschriftlichen Marginalien Troeltschs vor allem zur ersten Auflage überliefert, so dass sich an ihm die Entwicklung und die Verlagerung der Problemwahrnehmung in Troeltschs Konzeption genauer verfolgen lässt. Ganz allgemein schlägt sie sich in einer zunehmenden Historisierung und Problematisierung der Begriffe "Absolutheit des Christentums" bzw. "absolute Religion" nieder.

Der Band wird - in römischer Seitenzählung - mit den notwendigen Informationen über den Aufbau der einzelnen Bände, über die "Editorischen Grundsätze" sowie über die Indizes und Zeichen eröffnet (IX-XV). Schon diese Ausführungen lassen den besonderen Zuschnitt der Ausgabe erkennen. Jeder Band enthält eine "Einleitung" des Herausgebers, die "über den Text bzw. die Texte des Bandes und deren Anordnung, über wissenschaftsgeschichtliche Bezüge und zeitgeschichtliche Hintergründe" informiert (IX), und "editorische Berichte", die die Entstehung, Entwicklung und Überlieferungslage sowie editorische Entscheidungen erläutern. Die Troeltsch-Texte werden nach der Ausgabe letzter Hand publiziert, frühere Textfassungen im textkritischen Apparat dokumentiert. Die Besonderheit der Ausgabe zeigt sich u. a. darin, dass die Hgg. statt von Sachapparat von "Kommentaren" sprechen, die Funktion der notwendigen Text-Erläuterung also weit fassen, wie der vorliegende Band auch zeigt, selbst wenn es von diesen Kommentaren heißt, dass "das Prinzip der knapp dokumentierenden, nicht interpretierenden Edition" gilt (XII). Die Leser werden diese Kommentare dankbar begrüßen, weil ihnen damit in konzentrierter Form das angespeicherte Troeltsch-Wissen des Hg.s bzw. der Hgg. vermittelt wird. Andererseits werden sie es wohl bedauern, dass "Erläuterungen zur nachfolgenden Wirkungs- und Forschungsgeschichte" ausgespart bleiben (XIII). Vielleicht lässt sich dieser Rigorismus partiell revidieren, weil das unmittelbare Echo auf die Publikationen Troeltschs in Rezensionen wichtige Hinweise auf die jeweilige Debattenlage geben kann. Jeder Band enthält des weiteren Biogramme, also knappe Informationen über die wichtigsten Lebensdaten, den Beruf bzw. die gesellschaftliche Stellung derjenigen Personen, auf die Troeltsch sich bezieht. Ebenso hilfreich ist das Literaturverzeichnis, das in einem ersten Teil die von Troeltsch zitierte, in einem zweiten Teil die vom Hg. angeführte Literatur genau ausweist. Schließlich werden die Texte durch Person- und Sachregister und durch eine Seitenkonkordanz über die bisherigen Editionen der Absolutheitsschrift erschlossen. Eigentümlicherweise haben die Hgg. den Überblick über die Gliederung der Kritischen Gesamtausgabe ans Ende des Bandes gesetzt, obwohl er als wichtige Information doch an den Anfang gehört hätte.

In einer glanzvollen und grundgelehrten "Einleitung" (1-50) entfaltet Trutz Rendtorff, der Herausgeber des vorliegenden Bandes (in Zusammenarbeit mit Stefan Pautler), unter intensiver Berücksichtigung der damaligen Briefwechsel die vielschichtige Bedeutung der Absolutheitsschrift, die er bereits 1969 als Siebenstern-Taschenbuch Nr. 138 herausgegeben hatte. In dieser Einleitung, die vom Charakter her eine luzide Abhandlung über die Absolutheitsschrift darstellt, macht er zunächst (1-4) darauf aufmerksam, dass Troeltsch in dieser Schrift eine Problemstellung entfaltet, die ihn zeitlebens bewegt hat und insofern für sein wissenschaftliches Werk repräsentativ ist. Hier skizziert Troeltsch ein Verständnis des Christentums unter der Voraussetzung radikal historischen Denkens und versucht gleichzeitig die dadurch heraufbeschworene Gefahr eines bodenlosen Relativismus zu bannen. Methodisch leistet er die Bewältigung dieser Doppel-Aufgabe durch die Unterscheidung zwischen historisch-individuellen Ereignissen und normativ-wertenden Allgemeinbegriffen. Inhaltlich führt er den methodischen Ansatz als Einordnung des Christentums in den Kreis der großen Weltreligionen und folgeweise als Kritik am Absolutheitsanspruch des Christentums durch. Da die historische Methode und die Frage nach normativ-wertenden Allgemeinbegriffen aber nicht nur für Theologie und Religionswissenschaften, sondern für die Kulturwissenschaften insgesamt von prinzipieller Bedeutung sind, überschreitet Troeltsch mit der Absolutheitsschrift indirekt bereits die Grenzen der Theologie und öffnet sich nicht nur den Fragestellungen der Religionswissenschaft, sondern wird darüber hinaus zum Gespräch mit der Geschichtswissenschaft und Geschichtsphilosophie, mit der sich etablierenden Soziologie und mit der Philosophie gedrängt. Hier wie dort stehen die Wissenschaften vor der Frage, wie sich historisch Relatives und sachlich Absolutes sollten zusammendenken lassen können.

Diesen Themenkomplexen wird Troeltsch dann in weiteren geschichts- und religionsphilosophischen Studien sowie in seiner unvollendet gebliebenen großen Monographie "Der Historismus und seine Probleme" (1922) nachgehen. In einem zweiten Abschnitt (4-15) umreißt Rendtorff Troeltschs Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Theologie und zeichnet hier die Entwicklung des Theologen Troeltsch nach, der allmählich aus dem Schatten der Theologie seines Lehrers Albrecht Ritschl heraustritt und zunehmend, zeitgleich mit dem Entstehen der religionsgeschichtlichen Schule, in Gegensatz zur sog. Ritschlschen Schule gerät. Das breit angelegte Interessenspektrum Troeltschs führt ihn, wie Rendtorff in einem dritten Abschnitt darlegt (15-33), "zur Verknüpfung des theologischen Diskurses mit den Diskursfeldern der zeitgenössischen Kulturwissenschaften" (17). Dabei hat Troeltsch vor allem die "Zusammenbestehbarkeit" von Christentum und moderner Wissenschaft im Blick. Dieses Problem erörtert er einerseits im innertheologischen Dialog mit den Schülern Albrecht Ritschls, andererseits im Gespräch mit den modernen Wissenschaften, deren Hauptströmungen er vornehmlich in Naturwissenschaft, Neuhumanismus und Positivismus wirksam sieht. Für diese Auseinandersetzung kommt dem Entwicklungsbegriff eine Achsenfunktion zu.

Das Ergebnis dieser Erörterungen lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass Troeltsch bereits vor seiner Absolutheitsschrift den Begriff der Absolutheit verabschiedet (31. Zum Entwicklungsgang Troeltschs von seinen Anfängen bis 1901 vgl. das Resümee 31-33). Im vierten Abschnitt (33-40) bietet Rendtorff eine Kurzfassung der wesentlichen Gedanken der Absolutheitsschrift und hebt hervor, dass die Auseinandersetzung mit dem Absolutheitsanspruch des Christentums für Troeltsch von exemplarischer Bedeutung für eine dem historischen Bewusstsein verpflichtete moderne Denkweise ist. Mittels geschichtsphilosophischer Absicherung stellt Troeltsch einem skeptischen Begriff von Relativität "deren konstruktive Bedeutung entgegen" (36). Das theologische Interesse, das die Suche nach Absolutheit und die Überwindung eines grenzenlosen Relativismus leitet, wird Rendtorff zufolge von Troeltsch nicht verabschiedet, sondern "umformuliert und in die reflektierte Geschichtsauffassung eingeholt" (a. a. O.). Am Verhältnis der zweiten zur ersten Auflage der Schrift kann dieser Prozess verdeutlicht werden (40-50). Obwohl Troeltsch im Vorwort zur zweiten Aufl. versichert, er habe nur "wenige Änderungen" vorgenommen, und die seien lediglich stilistischer Art (88), ergibt sich durch den Vergleich der beiden Auflagen ein anderes Bild, das der Hg. an ausgewählten Problemfeldern eindrücklich - und auch interpretierend - vor Augen führt.

Troeltsch versucht dem Tatbestand, dass sich die Diskussionslage seit dem ersten Erscheinen der Absolutheitsschrift "ganz ungeheuer verschärft" hat (83), dadurch Rechnung zu tragen, dass er die dogmatischen Begriffe auf geschichtliche umstellt (42 f.). Außerdem nimmt er eine Präzisierung des Geschichtsbegriffes vor, da dieser immer schon von einem historischen und also individuell bedingten Standort aus formuliert ist (43). Durch die Verlagerung des Interesses von der spezifisch religiös-theologischen Fragestellung auf die allgemeine Problemlage der Kultur wird Troeltsch sodann zu einer zugespitzten Auseinandersetzung mit der Relativismuskritik seiner Gegner gedrängt. Unbefangen verfolgt er die Probleme des Relativismus bis in kosmologische Dimensionen hinein (44; 172: "Polschwankungen"!) und erwägt in einem Einschub für die zweite Auflage sogar ein mögliches Ende des heutigen Christentums, meint aber, dass auch unter dem Vorzeichen solcher radikaler Veränderungen die "personalistische Erlösungsreligion" in anderen geschichtlichen Formen wiederkehren würde (199). "Personalistische Religiosität" als Deutekategorie des Christentums (37; 195) ersetzt die alten dogmatischen Begriffe und gewinnt für Troeltsch zunehmend auch kulturphilosophische Bedeutung. Zu Recht urteilt Rendtorff: "Personalismus kann insofern als der zentrale Begriff für den inhaltlichen und strukturellen Zusammenhang zwischen dem geschichtlichen Christentum und der durch das historische Bewußtsein geprägten Moderne identifiziert werden" (37). Ansatzweise werden die mit der Relativierung des christlichen Absolutheitsanspruches drohenden Gefahren auch schon mit sozialgeschichtlichen Argumentationen aufgefangen, die Troeltsch gerade in den gleichzeitig fertiggestellten "Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen" in großem Stil entwickelt hatte. Fundament der Auseinandersetzung mit einem ins Chaos der Werte und Normen ausufernden Relativismus bleibt allerdings eine mit starken metaphysischen Voraussetzungen operierende Geschichtsphilosophie, die Troeltsch in Abgrenzung gegen die "Metaphysik des Absoluten" im deutschen Idealismus und in Anlehnung an Schleiermacher als "Metaphysik der Geschichte" konzipiert (28). Freilich hat Troeltsch, was ergänzend zu den Ausführungen Rendtorffs nachgetragen werden kann, damit die Radikalität des rückhaltlos historischen Denkens wieder ermäßigt und seinem eigenen Werk einen gefährlichen Sprengsatz ganz anderer Art eingebaut. Hinsichtlich dieser Problemkonstellation wird die wissenschaftliche Bemühung bis zu seinem Lebensende darin bestehen, dieser Geschichtsmetaphysik eine solche Fassung zu geben, die sie gegen Einsprüche geschichtswissenschaftlicher und philosophischer Kritik resistent macht.

Rendtorff hat mit dieser "Einleitung" nicht nur die nötigen Informationen für das Verständnis der Absolutheitsschrift geboten, sondern material- und perspektivenreich die Fragestellungen der Schrift rekonstruiert und einen produktiven Dialog mit den weiterhin virulenten Themen und Einsichten der Schrift angestoßen, dies zumal in einer Zeit, in der sich multikulturelle Entwicklungen zu bedrängenden lebenswirklichen und -praktischen Problemen ausgewachsen haben. - Als kleines Versehen sei am Rande angemerkt, dass es S. 7, Anm. 28 heißen muss: am "3. August 1893 berichtet Rade" (statt Harnack).

Der Text der Absolutheitsschrift wird zusammen mit 14 Thesen Troeltschs zu seinem am 3. Oktober 1901 vor den "Freunden der Christlichen Welt" gehaltenen Vortrag über "Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte", die zuvor schon in der Christlichen Welt veröffentlicht waren, in mustergültiger Weise ediert, beide Texte jeweils mit einem instruktiven und materialreichen "Editorischen Bericht" versehen (51-53; 57-80). Der Band erhält dadurch ein besonderes Gewicht, dass er erstmals die 126 Randbemerkungen Troeltschs in seinem Handexemplar der ersten Auflage der Schrift zugänglich macht (vgl. 48). In einem Anhang kommen Thesen von Max Christlieb zu seinem ebenfalls am 3. Oktober 1901 in Mühlacker gehaltenen Vortrag über "Die Absolutheit des Christentums und die Mission" zum Abdruck (245 f.) sowie Thesen von Adolf Deißmann, die er im Zusammenhang einer Diskussion mit Troeltsch formuliert hatte (246-248).

Der vorliegende Band, der die KGA der Schriften Troeltschs vielversprechend eröffnet, dokumentiert als Musterband die Prinzipien der Edition. Darüber wird es im Herausgeberkreis lange und heiße Debatten gegeben haben. Mit erneuten Erwägungen zu diesem Thema wird man vermutlich zu spät kommen. Dennoch sollen zumindest zwei Vorschläge unterbreitet werden.

Die jetzige Platzierung der "Gliederung der Ernst Troeltsch. Kritische Gesamtausgabe" am Ende des Bandes ist sehr unglücklich und sollte zu Gunsten einer Umstellung an den Anfang revidiert werden. Das ließe sich auch mühelos bewerkstelligen. Die zweite Anregung greift weiter. Im vorliegenden Band werden die herausgeberischen Teile (Einleitung, Editorische Berichte) ebenso wie die edierten Texte mit arabischen Ziffern gezählt und finden sich über den Band verteilt vor und zwischen den Original-Texten (1-50; 51-53; 57-80). Bei Band 5 handelt es sich nur um zwei Troeltsch-Texte, aber in anderen Bänden, etwa in Bd. 6 oder Bd. 8, wird es mehrere Original-Texte geben, die dann nach der "Einleitung" ebenfalls im Wechsel von "Editorischem Bericht" und Text zum Abdruck kommen. Das ist außerordentlich verwirrend, selbst wenn andere prominente Editionen nach dem gleichen Prinzip verfahren. Vielleicht gieße ich Öl aufs Feuer, wenn ich vorschlage, "Einleitungen" und "Editorische Berichte" insgesamt mit römischer Zählung jeweils an den Anfang des Bandes zu setzen, um dann die Troeltsch-Texte selbst mit arabischer Zählung zu publizieren. Die Unbequemlichkeit der römischen Zählung scheint mir ein geringeres Übel zu sein als die jetzige unübersichtliche Anordnung.

Dessen ungeachtet ist der erste Band der Troeltsch-KGA nach Anlage und Durchführung vorzüglich gelungen und lässt mit Spannung die nächsten Bände erwarten. Man kann dem Herausgeber des vorliegenden Bandes und den Herausgebern der Ausgabe nur Dank und Bewunderung bezeugen für ein Editions-Projekt, das überfällig war und beim Übergang vom 20. ins 21. Jh. vermutlich dafür sorgen wird, dass die "unerledigten Anfragen" an die Theologie auf der Tagesordnung bleiben.