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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

802 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Bachl, Gottfried [Bearb.]

Titel/Untertitel:

Eschatologie I u. II.

Verlag:

Graz-Wien-Köln: Styria 1999. 227 S. u. 320 S. 8 = Texte zur Theologie: Dogmatik, 10. ISBN 3-222-12588-0 u. 3-222-12667-4.

Rezensent:

Friedrich Beißer

Dieses Buch ist kein Lehrbuch der Eschatologie, sondern - wie es der Reihe entspricht - eine Textsammlung, eine Anthologie, zu diesem Thema. In einem ersten Teil werden Bibeltexte geboten aus dem Alten und dem Neuen Testament. Es folgt ein Teil mit Lehrentscheidungen der Kirche und endlich vereint ein dritter, umfangreichster Teil verschiedene Theologenaussagen von der Alten Kirche bis zur Gegenwart. Die Texte werden dabei durchweg in deutscher Sprache geboten (ein nicht geringer Teil ist von Bachl selbst übersetzt worden). Sie werden eingeleitet durch einen kurzen kommentierenden Hinweis des Bearbeiters und durch spezifische Literaturhinweise.

Vorangestellt ist dem Werk eine kurze Einleitung über den Begriff der Eschatologie und deren Grundzüge sowie eine kurze Übersicht über die einzelnen Epochen der Theologiegeschichte und deren Stellung zur Eschatologie. Abgeschlossen wird es durch eine Literaturübersicht und durch ein Sachregister, das eine vergleichende Lektüre der Texte sehr erleichtert.

Nach meinem Dafürhalten hat B. ein gutes Buch vorgelegt, sowohl seiner Idee und Anlage nach als auch in seiner Ausführung. Diese Reihe bietet gerade in unseren Zeiten, in denen der Zugang zu älteren Texten aus Gründen der Sprache immer schwieriger wird, ein nützliches Hilfsmittel. Die Textauswahl ist im Großen und Ganzen sinnvoll und gelungen. Eine besonders zu würdigende Leistung bilden aber die beigegebenen kurzen und prägnanten Einleitungen. Dies alles soll nicht zurückgenommen werden, wenn nun einige kritische Anmerkungen folgen.

Ein derartiges Buch besitzt etwas Verführerisches. Wie Kompendien in der Praxis leicht an die Stelle der ausgeführten Darstellung treten können, so könnte auch hier die Auswahl an die Stelle der weit mühsamer zu erarbeitetenden Texte selber treten. Darum verweist auch B. seinerseits darauf, dass das Buch nicht etwa die Orginaltexte ersetzen könne und wolle, sondern nur an sie heranführen. Man kann nur wünschen, dass diese Reihe so gebraucht werde. Dazu kommen noch die Einleitungen, die ja wichtige Akzente setzen und die damit das Verständnis der Texte nicht wenig bestimmen. Allerdings sind B.s Erklärungen in den meisten Fällen m. E. sehr wohl vertretbar. Gerade bei der Eschatologie, deren Umfang und Inhalt ja in neueren Zeiten besonders umstritten ist, muss eine Begriffserklärung an den Anfang gestellt werden, weil erst von da aus die getroffene Auswahl thematisch zu begründen ist. Der Begriff, den B. gibt, scheint mir sehr weit und etwas schwebend zu sein (s. u.).

Eine besonders schwierige Aufgabe ist natürlich die Auswahl der Texte selbst. Grundsätzlich ist zu entscheiden, inwiefern auch solche, die der offiziellen Lehrmeinung widersprechen, aufzunehmen sind. Was das Fegfeuer anlangt, so bietet B. auch Gegenmeinungen, etwa den scharfen Angriff von Calvin. Dadurch, dass Origenes breiten Raum erhält, wird seiner Lehre von der Allversöhnung ein stärkeres Gewicht gegeben. Ist dies kirchlich rezipierte Lehre? Man könnte auch fragen, ob nicht auch die heftigen Angriffe auf die christliche Eschatologie, die z. B. in der Aufklärungszeit vorgetragen worden sind, hier hätten dokumentiert werden sollen.

Bei der Einzelauswahl vermisse ich vor allem die Glaubensbekenntnisse sowie die Grundaussagen der evangelischen Bekenntnisschriften. Auch hätten m. E. die Texte des Johannes Damascenus und vor allem die des Petrus Lombardus aufgenommen werden müssen (P. L. war zweifellos der einflussreichste Autor des Mittelalters. B. weist in seiner Einleitung auch darauf hin, aber er zitiert ihn nicht.) Und sollte man nicht auch einen praktisch so bedeutsamen Text wie das "Dies irae" hier rezitieren? Schwer zu beantworten ist überhaupt die Frage, welche Texte denn als lehramtlich zu gelten haben, aber dies mögen die römischen Theologen klären.

In der Sache gibt B. einige Sympathie zu erkennen für die Allversöhnungslehre. Das stärkste Gegengewicht gegen sie bildet m. E. nach wie vor das Neue Testament selbst. Was das Neue Testament anlangt, so ist B.s Auswahl m. E. sinnvoll. Weniger kann ich mich befreunden mit seiner zusammenfassenden Kommentierung. Das bestürzend Neue gegenüber dem Alten Testament tritt nicht recht hervor. Vor allem findet die Naherwartung keine Erwähnung. Dies scheint vielleicht belanglos. Dem ist aber nicht so. Denn die Naherwartung ist es, die den Letzten Dingen den Charakter des zeitlichen Ereignisses und des geschichtlichen Eintreffens verleiht. Ohne diese Seite entsteht eine Sicht der Eschatologie Jesu (und wohl der Eschatologie überhaupt), die in der gegenwärtigen Erfahrung der liebenden Nähe Gottes jetzt schon Geschenktes und noch Ausstehendes miteinander vereint. Natürlich wird Eschatologie immer Glauben und Hoffnung zu verbinden haben. Aber wann und wie wird denn der Sieg Gottes reales Ereignis, wann trifft er ein? Wann und wie ist Gott wirklich voller Sieger über die Sünde und über den Tod? - Aber wie gesagt: alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch.