Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

800

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Edelmann, Helmut, u. Niels Hasselmann

Titel/Untertitel:

Nation im Widerspruch. Aspekte und Perspektiven aus lutherischer Sicht heute. Eine Studie des Ökumenischen Studienausschusses der VELKD und des DNK/LWB. Hrsg. im Auftrag der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands.

Verlag:

Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1999. 320 S. gr.8. Kart. DM 29,80. ISBN 3-579-02643-7.

Rezensent:

Ulrich Kühn

"Die Erfahrungen der Deutschen mit ihrer Nation nötigen besonders nach dem Fall der Mauer zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Vorstellung von einer ,Nation' für eine gemeinsame Entwicklung taugt." So kennzeichnet Bischof Horst Hirschler in seinem Geleitwort (5) Kontext und Anlass des Bandes. ",Ist die Nation von Gott gewollt?' - so könnte man die Fragestellung dieser Studie zuspitzen" heißt es dann zu Beginn des eigentlichen Vorworts (7).

Der Band enthält die Ergebnisse der Arbeit am Thema "Nation", die der Ökumenische Studienausschuss der VELKD nach sechsjähriger Arbeit im September 1997 zum Abschluss gebracht hat. Der erste Hauptteil (17-109) bietet den gemeinsam verantworteten Abschlusstext des Studienausschusses mit 6 Kapiteln. Zwei weitere Hauptteile enthalten Einzelstudien (112-277) und Referate (281-317). Ein Register und eine Liste der Mitglieder und Gäste des Ausschusses beschließen den Band. Die Einzelstudien geben im Wesentlichen ideengeschichtliche Skizzen (von einer Begriffsanalyse über J. G. Herder, E. M. Arndt und Schleiermacher bis zu Formen der 2-Reiche-Lehre im 20. Jh.), bieten aber auch eine grundsätzliche Besinnung "Nation in lutherischer Sicht - Schritte zu einer sozialethischen Urteilsbildung" (J. Track) sowie eine sozialpsychologische Betrachtung (J. Ziemer).

Neben den begriffsgeschichtlichen und einer Reihe historischer Aspekte sind besonders die systematisch-theologischen Überlegungen für den gemeinsam verantworteten Text grundlegend geworden. Charakteristisch ist eine betonte Zurückhaltung gegenüber einer theologischen Bewertung von Volk und Nation als Schöpfungs- oder Erhaltungsordnung (80 - hier mit Kritik an einer andersgerichteten Interpretation von Apg 17,26; vgl. dieselbe Grundaussage bei J. Track, 264). Vielmehr sind Nationen (mit W. Joest) "Felder(n), in denen zu leben von Gott so vorgegeben ist, dass ihre strukturelle Gestaltung zugleich aufgegeben ist" (88). Nicht nach dem "Wesen", sondern nach "Grundfunktionen" der Nation sei zu fragen, und als solche werden ihre Funktion als "geschichtliche Erfahrungsgemeinschaft", als "Emanzipationsgemeinschaft", als "politische Verantwortungsgemeinschaft" und als "Sozialisationsgemeinschaft" genannt (89-94, vgl. Track 265-267). Zu diskutieren wäre darüber, ob ein solches rein funktionales Verständnis den Phänomenen und auch dem biblischen Befund wirklich zureichend gerecht wird.