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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

781–783

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schöllgen, Georg

Titel/Untertitel:

Die Anfänge der Professionalisierung des Klerus und das kirchliche Amt in der Syrischen Didaskalie.

Verlag:

Münster: Aschendorff 1998. VIII, 227 S. 4 = Jahrbuch für Antike und Christentum, Erg.Bd. 26. Lw. DM 98,-. ISBN 3-402-08110-5.

Rezensent:

Wolfgang A. Bienert

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Habilitationsschrift, die im Wintersemester 1991/1992 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn angenommen wurde und vor der Drucklegung leicht überarbeitet und ergänzte wurde. Sie steht im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von anregenden und weiterführenden Studien zur Sozialgestalt der frühen Kirche, die den Autor inzwischen als einen der besten Kenner auf dem Gebiet der Erforschung der frühchristlichen Kirchenordnungen ausweisen (vgl. das umfangreiche Literaturverzeichnis, 196-213; bes. 210). Neben den Pastoralbriefen, die in dem Werk vielleicht noch stärker hätte berücksichtigt werden sollen, und der Didache, aber auch anderen, kleineren Kirchenordnungen gehört die Syrische Didaskalie aus dem 3. Jh. zu den wichtigsten Quellen. Letztere ist allerdings von der neueren Forschung häufig vernachlässigt worden. "Sieht man von einer Dissertation aus dem Jahre 1906, die kaum mehr als eine inhaltliche Paraphrase bietet, und einem philologischen Kommentar zur lateinischen Übersetzung ab, ist der Kirchenordnung bis heute keine eigene Monographie gewidmet worden" (1). Das ist - trotz der besonderen philologischen Probleme, vor die dieser Text stellt, - umso überraschender, als es eine kommentierte Übersetzung des syrischen Textes schon seit längerer Zeit gab (H. Achelis/J. Flemming, Leipzig 1904) und A. Vööbus schon vor einiger Zeit eine kritische Edition des Textes veröffentlichte (CSCO 401/2-407/8, Löwen 1979).

Bemerkenswert ist, dass der Vf. seine Untersuchung mit einem Überblick über die paganen Priesterschaften beginnt (7-33) - mit dem Ergebnis, dass es trotz gewisser Ähnlichkeiten, z. B. zwischen heidnischen (kynischen) und christlichen Wandercharismatikern (Apostel, Propheten), deren gemeinsamer Niedergang im 2. Jh. zu beobachten ist, - deutliche Unterschiede gab. Vor allem war die "Professionalisierung des Klerus seit dem frühen 3. Jh. ... bei den konkurrierenden Religionen ohne Parallele" (33). Dieser aber, der "ausschließlich aus den freiwilligen Spenden der Gemeindeglieder" finanziert wurde (ebd.), erwies sich in den Zeiten der Verfolgung als entscheidendes Rückgrat der Kirche und trug wesentlich zur erfolgreichen Durchsetzung des Christentums in der antiken Welt bei.

Die Arbeit gliedert sich in zwei größere Teile. Der erste fragt nach den Anfängen der Professionalisierung des Klerus unter der Leitfrage nach dem "Unterhaltsanspruch der christlichen Amtsträger" (34-100), ausgehend von den Wandercharismatikern in der Didache, über die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Auf- und Ausbau des örtlich verankerten Bischofsamtes - Irenäus, Natalius, Kallist, Cyprian (epp. 1, 39, 34, 65) - bis hin zur Klärung des Umbruchsprozesses zu Beginn des 3. Jh.s bei Origenes (vgl. Homilien zu Numeri ; zu Josua 17; u. a.) und den Pseudoklementinen. Den Abschluss dieses Teils bildet ein Abschnitt über die Begründung des Unterhaltsanspruchs des Bischofs und des Diakons in der Syrischen Didaskalie (81-100).

Damit ist der Vf. unmittelbar bei seinem Thema, das dann in Teil II unter der Überschrift: "Amtstheologie und Gemeideorganisation in der Didaskalie" (101-194) im Einzelnen entfaltet wird. Dabei ist generell zu berücksichtigen: "Die Didaskalie ist - wie nahezu alle frühchristlichen Gemeindeordnungen - weniger ein Spiegelbild der tatsächlichen Verhältnisse als eine Tendenz-, ja fast eine Kampfschrift, deren Absicht es ist, ihr Programm im Gemeindealltag durchzusetzen" (4). Das amtstheologische Konzept entspricht der Tradition der Oikos-Ekklesiologie mit dem Bischof als zentraler Leitungsfigur (u. a. als oikonomos), auf den hin die gesamte Ordnung der Gemeinde ausgerichtet ist (monarchia) - einschließlich des Diakons und der Diakonisse (die u. a. die Aufgaben der Witwen nach und nach übernimmt). Methodisch geht der Vf. so vor, dass er zunächst den Bischofsspiegel (syr.Did. c.4; 101-115) und dann die ökonomische Konzeption des Bischofsamtes (c. 8-9; 116-145) untersucht. - Es folgt ein umfangreicher Abschnitt über die Witwen (146-172), ein Amt, das offensichtlich älter ist, ursprünglich aber zum Kreis der Unterstützungsempfänger der Gemeinde gehörte (vgl. 85), die Entwicklung der Gemeindeverfassung in Richtung auf den Monepiskopat im Laufe der Zeit aber offensichtlich behinderte. - Den Abschluss bildet ein Abschnitt über die Reichen als die vielleicht entscheidende Problemgruppe in der Gemeinde durch die mit ihnen gegebene Gefahr der "Prosopolepsie", der Parteilichkeit bzw. Bestechlichkeit - ein Problem, das nicht zuletzt das Bischofsamt selbst und seine Träger herausforderte. Das Wort, das aus der LXX übernommen wurde (vgl. Dtn 16,19; 173-194), erinnert auch daran, wie stark die frühe Kirche über die LXX direkt auf das AT zurückgriff, unabhängig von Erscheinungen im zeitgenössischen Judentum. Die Untersuchung zielt vor allem auf die sozialgeschichtliche Entwicklung der frühchristlichen Ämter (bis zum 3. Jh.) und ihrer Bedeutung für die frühe Kirche. Die Geschichte ihrer Entstehung tritt demgegenüber in den Hintergrund. Hier bleibt für die Forschung noch weitere Arbeit. Sozialgeschichtlich zeigt sich die Dominanz der Ämter in den großen Städten. Ein professionelles Bischofsamt auf dem Land stieß zwangsläufig, wie der Vf. zeigt, hinsichtlich der materiellen Ausstattung an Grenzen.

Mit dieser umsichtigen und gründlichen Untersuchung der Syrischen Didaskalia mit der präzisen Fragestellung nach den Anfängen der Professionalisierung der kirchlichen Ämter im Kontext der frühen Kirchengeschichte und im Zusammenhang mit den anderen frühchristlichen Kirchenordnungen hat der Autor ein wichtiges und die Erforschung der frühen Kirche und ihrer Strukturen ohne Zweifel weiterführendes Werk geschaffen, das schon bald als Standardwerk gelten dürfte. Dazu trägt sicherlich auch die sprachliche Form, die Nähe zu den Quellen, aber auch die sorgfältige Ausgestaltung mit mehreren Registern (Quellen; Sach- und Personenregister, 214-227) und einem umfangreichen Literaturverzeichnis bei.