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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

772–778

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kinzig, Wolfram, Markschies, Christoph, u. Markus Vinzent

Titel/Untertitel:

Tauffragen und Bekenntnis. Studien zur sogenannten "Traditio Apostolica", zu den "Interrogationes de fide" und zum "Römischen Glaubensbekenntnis".

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1999. IX, 484 S. gr.8 = Arbeiten zur Kirchengeschichte, 74. Lw. DM 188,-. ISBN 3-11-016302-0.

Rezensent:

Volker Henning Drecoll

"Tauffragen und Bekenntnis" - unter dieser Überschrift liegen in diesem Band drei Einzelbeiträge vor, die mit der Symbolforschung und der Geschichte der Taufliturgie in engem Zusammenhang stehen. Christoph Markschies beschäftigt sich mit der Verfasserfrage der normalerweise Hippolyt zugeordneten "Traditio apostolica", Wolfram Kinzig mit der interrogatorischen Form des Taufbekenntnisses und Markus Vinzent mit der Entstehung und Verfasserschaft des sog. "Romanums", der Vorform des Apostolicums.

Für die Liturgiegeschichte wie für die Frage nach der Kirchenstruktur im 3. Jh. ist bislang die "Traditio apostolica" des Hippolyt eine der wichtigsten Quellen. Diese Verwendung der "Traditio apostolica" basiert dabei auf der Rekonstruktion einer "Grundschrift", die den verschiedenen, späteren Übersetzungen und Bearbeitungen zu Grunde liegen soll und die mit der (an sich nicht erhaltenen) "Traditio apostolica" des Hippolyt identifiziert wird. Besonders Bernhard Botte hat in seiner Ausgabe eine solche (an der lateinischen Fassung des Codex Veronensis orientierte) Rekonstruktion der sog. "Grundschrift" vorgelegt ("Sources Chrétiennes" Bd. 11bis; diese Ausgabe bildet wiederum die Grundlage für die deutsche, 1991 von W. Geerlings bearbeitete Ausgabe in den "Fontes Christiani" Bd. 1).

In seinem Beitrag "Wer schrieb die sogenannte Traditio apostolica? Neue Beobachtungen und Hypothesen zu einer kaum lösbaren Frage aus der altkirchlichen Literaturgeschichte" (1-74) sichtet Markschies zunächst die verschiedenen Übersetzungen (sahidisch, bohairisch, äthiopisch, arabisch) und Bearbeitungen (Apostolische Konstitutionen Buch VIII sowie die "Epitome" dazu, Testamentum Domini) (3-13). Er prüft dann, ob überhaupt gesichert ist, dass Hippolyt ein Werk mit dem Titel "Traditio apostolica" geschrieben hat (wahrscheinlich ja), und fragt danach, inwieweit sich dieser Werktitel mit der rekonstruierten "Grundschrift" in Verbindung setzen lässt (21-39). Hier ist der eigentliche Angelpunkt, an dem Markschies ansetzt, denn die verschiedenen Übersetzungen und Bearbeitungen der Grundschrift zeigen an keiner Stelle eindeutig, dass das Werk den Titel "Traditio apostolica" getragen hat. Zusätzlich trägt das Werk, wenn es nicht anonym überliefert ist, entweder die Verfasserangabe "Hippolyt" oder "Clemens von Rom", ist also auch von den Handschriften her nicht eindeutig als Werk Hippolyts ausgewiesen. Die Verfasserangabe "Hippolyt" scheint zudem gegenüber "Clemens von Rom" sekundär zu sein (so nennt die Epitome "Hippolyt", ist aber literarisch wohl von den Apostolischen Konstitutionen Buch VIII abhängig, wo Clemens genannt wird; vgl. 13-20). Beide Verfasserangaben sind schließlich erst für das 4. Jh. nachweisbar. Dies führt Markschies zu der These, dass die Grundschrift im Laufe des 4. Jh.s erst "clementisiert" und dann "hippolytisiert" wurde, sozusagen im Zuge einer voranschreitenden Apostolisierung, die die Autorität des überlieferten, bearbeiteten und erweiterten Materials erhöhen sollte (39f.).

Markschies bestreitet nicht die Existenz der Grundschrift, sondern die Verfasserschaft Hippolyts. Er plädiert dafür, konsequent die Übersetzungen und Bearbeitungen heranzuziehen und sich nicht auf den rekonstruierten Wortlaut der Grundschrift als Zeugnis des 3. Jh.s zu verlassen. Was dies praktisch bedeutet, zeigt ein Anhang, in dem Markschies das in "Traditio apostolica", 21 erhaltene Taufsymbol untersucht. Wenn die Grundschrift nicht Hippolyt zugeschrieben werden muss, entfällt die Sicherheit dafür, das in der "Traditio apostolica" erhaltene Taufsymbol in das 3. Jh. zu datieren (und damit als Beleg für ein römisches Taufsymbol aus dem 3. Jh. anzusehen) (57-74). Die Anfrage an die Verfasserschaft des Hippolyt bedeutet damit unter dem Strich, dass die "Traditio apostolica" "als selbständige Quelle für historisch und theologische Argumentationen" ausscheidet (56). Sie kann also nur ergänzend zu eindeutig früher zu datierenden Belegen herangezogen werden bzw. unter Berücksichtigung der Datierungen der Übersetzungen und Bearbeitungen.

Markschies gelingt es in seinem Beitrag, den komplizierten Forschungsgegenstand auf gut 70 Seiten zu verdeutlichen. Mit der Frage nach der Verbindung zwischen dem Namen Hippolyts, dem Titel "Traditio apostolica" und dem gemeinhin so bezeichneten Werk trifft er den entscheidenden Punkt, an dem sich die historische Verortung der "Traditio apostolica" entscheidet. Zu Recht wirft er die Frage auf, inwiefern es sich bei der "Traditio apostolica" um ein Werk handelt, für das Verfasserschaft, Datierung und Lokalisierung überhaupt im herkömmlichen Sinne diskutierbar sind (43-53). Markschies dürfte somit die Verfasserfrage der "Traditio apostolica" auf eine neue Grundlage gestellt haben. Sein Beitrag ist aber auch für die Hippolytforschung immens wichtig. Wenn nämlich a) Hippolyts Verfasserschaft von "Contra Noetum" zweifelhaft ist (so die These von J. Frickel), b) die "Traditio apostolica" nicht ein Werk Hippolyts ist und c) eine Tradition erkennbar ist, in der Hippolyt frühdatiert und als Apostelschüler angesehen wird, mit dem sich späteres Material "apostolisieren" lässt (vgl. 40-42), ergibt sich die Aufgabe, das (ohnehin schon umstrittene) Hippolytbild erneut zu überdenken.

Wolfram Kinzig beschäftigt sich in seinem Beitrag ",... natum et passum etc.' Zur Geschichte der Tauffragen in der lateinischen Kirche bis zu Luther" (75-115; Anhang 116-183) mit den interrogatorischen Taufbekenntnissen. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass im Taufbüchlein Martin Luthers von 1526, das ab 1529 in verschiedenen Drucken dem Kleinen Katechismus als "Anhang" beigegeben wurde und so in die "Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche" gelangte (= BSLK 532-541), der zweite Artikel des Glaubensbekenntnis wie folgt lautet: "Gläubest du an Jesum Christ, seinen einigen Sohn, unsern Herrn, geporn und gelitten?" (BSLK 540, Z. 21-33). Kinzig stellt die Frage, ob dies nur eine Abkürzung eines eigentlich längeren Artikels ist, der ganz analog zu dem Apostolicum gebildet sein könnte, verneint dies aber, weil er die "Kurzform" des 2. Artikels gerade in den interrogatorischen Glaubensbekenntnissen seit der Alten Kirche nachweisen kann (75-79). Kinzig gibt sowohl für die Kurzform wie für die Langform jeweils eine "Übersicht", in der er die verschiedenen Zeugen für die Kurz- wie für die Langform des 2. Artikels zusammenstellt. Für die Kurzform kann er 43, für die Langform nur 8 Zeugen anführen (80-84). Aus diesen Übersichten leitet Kinzig ab, dass eher die Langform eine Überarbeitung des 2. Artikels auf Grund des Apostolicums ist als umgekehrt die Kurzform eine Ausdünnung eigentlich längerer, nach dem Apostolicum gebildeter Aussagen. Das bedeutet, dass die im sog. "Sacramentarium Gelasianum Vetus" erhaltene Kurzform des 2. Artikels ein hohes Alter aufweist und wahrscheinlich bis in das 3. Jh. zurückgeht (84-87).

Dies macht Kinzig auch dadurch wahrscheinlich, dass die Formel "natus et passus" im Rahmen der Theologie des 3. Jh.s durchaus als "Zusammenfassung" von Christi Heilswerk verstanden werden kann (97-108). Dabei ist zu berücksichtigen, "dass das Gedächtnis an den Tod des Herrn ... in weiten Teilen der frühen Christenheit der zentrale Inhalt des Osterfestes" gewesen ist und dass das Osterfest in der Alten Kirche zu dem zentralen "Tauffest" (103 f.) wurde. Die Formel "natus et passus" könnte genau diesem Zusammenhang von Leidensgedächtnis und Taufe an Ostern entsprechen (105). Die These einer Frühansetzung des im "Sacramentarium Gelasianum Vetus" belegten Symbols stützt Kinzig zusätzlich durch Vergleiche mit der zeitgenössischen Theologie (87-91). Diese Frühdatierung bedeutet für die Symbolforschung, dass die interrogatorischen Taufbekenntnisse gegenüber den deklaratorischen ursprünglich und älter sind und die deklaratorischen, wahrscheinlich mit der Taufe ursprünglich nicht verbundenen Bekenntnisse erst später in die Taufliturgie Eingang gefunden haben (111-115). In einem Anhang (116-183) ediert Kinzig 131 Texte, die für die Frage des Taufbekenntnisses wichtig sind. Dieser Anhang ist insgesamt sehr praktisch, weil viele in ihm enthaltene Texte sonst mühsam zusammenzusuchen wären. Die Gegenüberstellung von Kurz- und Langform und die theologische Verortung der Kurzform im 3. Jh. machen Kinzigs Überlegungen zu einem wichtigen Beitrag für die Symbolforschung, der auch theologisch ansprechend ist, weil er auf die historische Verbindung von Taufe, Ostern und Gedächtnis an das Leiden Jesu hinweist.

Der Beitrag von Markus Vinzent "Die Entstehung des ,Römischen Glaubensbekenntnisses'" (185-409) ist der längste Beitrag dieses Buches und hat mit 224 Seiten beinahe schon das Format einer Monographie. Durch seine Übersetzung und Edition der Markellfragmente (Suppl. Vig. Chr.39; Leiden 1997) bereits als Markellkenner ausgewiesen, legt Vinzent mit diesem Beitrag eine These vor, die, wenn sie sich in der Forschung durchsetzen sollte, die Symbolforschung geradezu revolutionieren dürfte. Vinzents These lautet kurzgefasst: Das Romanum, die unmittelbare Vorform des Apostolicums, ist eigentlich ein "Marcellianum". Das, was Sonntag für Sonntag in den Kirchen der lateinischen Tradition als Credo bekannt wird, ist im Grunde die theologische Formel eines Mannes, der (mit welchem Recht, mag dahingestellt bleiben) als Häretiker verurteilt wurde und dessen Theologie in dem Nicaeno-Constantinopolitanum mit den Worten "seiner Herrschaft wird kein Ende sein" (vgl. Lk 1,33b) abgewehrt wird (vgl. 408 f.).

Die Herleitung dieser These ist im Grunde frappierend einfach und daher nur schwerlich zu widerlegen: Vinzent weist nach, dass der früheste Beleg für das sog. "Romanum" ein von Markell verfasster Brief an Julius, Bischof von Rom, ist, in dem Markell seine Rechtgläubigkeit darzustellen versucht (197 f.). Dieser Brief aus dem Jahre 341 ist der erste Zeuge für das Romanum, ältere Zeugnisse existieren nicht. Darüber hinaus fehlen für die Zeit vor 341 aber auch weitere Zeugnisse, die sicherstellen könnten, dass es so etwas wie ein Romanum überhaupt gegeben hat (186-197). Vinzent fragt sodann danach, wie es zu dem auffälligen Phänomen kommt, dass es im 4. Jh. plötzlich im griechischen Sprachraum zu einer massiven Häufung von neu formulierten Bekenntnistexten kommt, ja dass das "deklaratorische Bekenntnis" insgesamt ein Phänomen des 4. Jh.s zu sein scheint. Vinzent entwickelt dafür das sog. "antilogische Baukastenmodell" (235-241).

Diese Hypothese verbindet zwei Annahmen: a) Es liegt nur die Grundstruktur des Bekenntnisses fest, nicht aber ein üblicher liturgischer Text, der fester Bestandteil lokaler Tradition ist (etwa der Kirche von Antiochia, Rom oder Jerusalem). Die einzelnen Bekenntnisformeln werden aus überliefertem Formelgut und eigenen theologischen Aussagen zusammengefügt, eben wie in einem "Baukasten"-System. b) Die Zusammenfügung von überliefertem Formelgut und eigenen theologischen Aussagen geschieht "ad hoc", also im Hinblick auf einen bestimmten Verwendungszweck der Bekenntnisformel. Der Sitz im Leben solcher Bekenntnisformeln ist die Auseinandersetzung mit Häretikern. Die Bildung von Bekenntnisformeln versucht dabei nun nicht einfach, die Häretiker als abzuwehrende Fremdmeinung auszuscheiden, sondern sie versucht, die zentralen theologischen Begriffe der umstrittenen Theologie so aufzugreifen, dass die eigene theologische Position deutlicher wird. Die Theologie der Gegner wird also rezipiert und gleichzeitig korrigiert, daher: "antilogisch" (nicht einfach widersprechend, sondern aufnehmend, sich absetzend und korrigierend zugleich) (vgl. bes. 238 f.).

Von dieser These aus führt die Beobachtung, dass das sog. "Romanum" zum ersten Mal in dem Brief Markells an Julius von Rom auftaucht, zu der These: Der angeführte Symboltext ist eine von Markell verfasste Bekenntnisformel, die auf dem Hintergrund der theologischen Auseinandersetzungen im Osten des 4. Jahrhunderts zu verstehen ist. Genauer ergibt sich für die Entstehung dieser Bekenntnisformel das folgende Bild: Die Synode in Antiochia (die sog. Kirchweihsynode,341) tagte nach (und nicht vor) der Synode in Rom von 340/341 (225 f.; Vinzent folgt damit der Datierung von E. Schwartz und nicht der von W. Schneemelcher). In Rom war Markell noch anwesend, als die Eusebianer ihr Kommen bereits abgesagt hatten. Für die Annahme, dass Markell vor Beginn der Synode Rom verlassen haben könnte, fehlt jeder Grund. Vielmehr legen es die Darstellungen der Ereignisse bei Athanasius und Julius von Rom nahe, dass Markell während der Synode in Rom seine Position verteidigte, daraufhin von den Synodalen aufgefordert wurde, seinen Glauben auch schriftlich darzulegen, und dies dann in dem Brief an Julius tat. Die Synode nahm das Bekenntnis Markells an und behandelte ihn fortan als rechtgläubig (206-219). Die Annahme, dass Markells Bekenntnis von dem durch Theophronius von Tyana in Antiochien abgelegten Bekenntnis abhängig ist, stößt zum einen auf die chronologische Schwierigkeit, dass die Kirchweihsynode wohl erst nach der Synode in Rom tagte, zum anderen spricht auch inhaltlich vieles dafür, eher Theophronius als Markellrezipienten anzusehen als für Markells Brief eine Abhängigkeit von Theophronius anzunehmen (227-235). Auf Grund dieses historischen Befundes ergibt sich für Vinzent das Bild, dass die Bekenntnisformel in Markells Brief an Julius nicht eine römische Tradition wiedergibt, sondern in nuce markellische Theologie enthält, in Abgrenzung vor allem gegen Euseb und Asterius (vgl. 371-381).

Um dies im Einzelnen nachzuweisen, stellt Vinzent zunächst alle einschlägigen Bekenntnisformeln des 4. Jh.s bis 341 abschnittsweise (247-271: Gotteslehre, 271-309: Präexistenzaussagen, 309-331: Inkarnationsaussagen und 331-383: Aussagen über Tod und Auferstehung sowie der 3. Artikel) zusammen und diskutiert die theologischen Aussagen und ihren Ort in der Theologie der jeweiligen Verfasser. Durch diesen inhaltlichen Vergleich wird der Bezug eigentlich jedes Wortes aus dem "Marcellianum" zur theologischen Kontroverse des Trinitarischen Streites bis 341 deutlich. Besonders wichtig ist Vinzents Beobachtung, dass sich der Text des sog. "Romanums" markellisch lesen lässt: Der 1. Artikel sagt über Gott nur aus, dass er Pantokrator ist; besonders das Fehlen des "Vater"-Titels könnte mit Markells Theologie zusammenhängen (vgl. 265 f.). Entsprechend fehlt jede Präexistenzaussage des Sohnes, der 2. Artikel und der Titel "Sohn" werden unmittelbar mit der Inkarnation verknüpft, die auch den Heiligen Geist als eigenständige Größe einführt (300 f.). Vinzent knüpft sodann besonders an die Beobachtungen Holls zum 2. Artikel an: Zentral sind die Titel "Sohn" und "Herr", wohl unter Zugrundelegung von Lk 1,35 (Bezug zur Inkarnation und dem Heiligen Geist) und Phil 2,6 f. (Bezug auf das Leiden und die Erhöhung) (320-323). Mit dem so strukturierten Bekenntnis legt Markell eine Formel vor, die seine antiasterianische Theologie deckt, gleichzeitig aber wenig Angriffsfläche bietet. Vielleicht griff er dabei u. a. auf bestimmte Formulierungen des interrogatorischen Taufbekenntnisses zurück, von wo aus sich auch der auffällige Singular "ich glaube" erklären würde (vgl. 267).

Markells Bekenntnis, so die weitere These von Vinzent, ist durch die 340/341 in Rom anwesenden Bischöfe approbiert worden und dazu wahrscheinlich schon ins Lateinische übersetzt worden (395 f.). Diese Formel war insofern "konkurrenzlos", als das Nizänum noch keine größere Bekanntheit bzw. Bedeutung hatte und sich die Formel Markells als auch liturgisch verwertbare, antieusebianische Bekenntnisformel eignete (397 f.). Hier liegt der Grund dafür, dass die Bekenntnisformel vor allem in Italien und Rom schnell an Bedeutung gewann. Schon das Serdicense dürfte Vinzent zufolge von Markells Bekenntnis abhängig sein (385-390). Als "römisch" konnte das Bekenntnis vor allem bezeichnet werden, weil es in Rom entstanden ist und weil die Bezeichnung als römisch bzw. apostolisch in der Zeit, in der Markell (vor allem wegen Photin) in den Geruch der Häresie kam, die Formel legitimieren konnte. Als das "römische" Symbol wurde es dann tradiert und leicht modifiziert ab dem 7. Jh. als das Apostolicum das Bekenntnis der lateinischen Christenheit (vgl. 408).

An wie vielen Stellen Vinzents Beitrag Grundlage künftiger Diskussion sein wird, kann hier nur angedeutet werden. Neben der Einordnung des Symbols ist sein Beitrag auch für die Datierung der Synoden von Antiochia und Rom wichtig sowie für die Einordnung des Symbols des Theophronius von Tyana. Seine Einzelausführungen zu den einzelnen Wendungen der untersuchten Symbole von 318-341 sind an vielen Stellen sehr aufschlussreich und können hier nicht im einzelnen gewürdigt werden. Entscheidend scheinen mir a) das "antilogische Bau- kastenmodell" und b) die These, das sog. "Romanum" sei eigentlich ein "Marcellianum", zu sein.

Das "antilogische Baukastenmodell" ist gerade für die vielen Symboltexte des 4. Jh.s sehr hilfreich. Es erklärt in überzeugender, einfacher Weise das Zustandekommen der verschiedenen "Symbole" bzw. "Formeln". Gerade die eigenartige Mischung von Rezeption und Abwehr in der Auseinandersetzung mit gegnerischer Theologie ist für die Entstehung der Symboltexte m. E. konstitutiv. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass sich traditionelles Material (biblisches, aber auch aus der Liturgie, etwa den Tauffragen, stammendes) mit theologischen Fachtermini (gerade den umstrittenen) mischt. Hierin scheint mir in der Tat der Schlüssel für das Verständnis der verschiedenen Symbole des 4. Jh.s zu liegen.

Was den Text des Romanums selbst angeht, ist die Berücksichtigung des Faktums, dass der früheste Beleg eben der Brief Markells ist, eine Vorgabe für die künftige Forschung, hinter die nicht zurückgegangen werden sollte. Ob diese Tatsache allerdings zu dem Schluss führen muss, es habe überhaupt kein "Romanum" gegeben, wird die künftige Diskussion von Vinzents These zeigen. Mir scheinen diesbezüglich vor allem die folgenden zwei Bereiche der weiteren Diskussion wert:

1. Die Kürze der Bekenntnisformel in Markells Schreiben ist auffällig. Mir scheint fraglich, ob der Text des Romanums wirklich in nuce eine Formulierung markellischer Theologie ist. Dass sich das "Romanum" sozusagen markellisch lesen lässt, bedeutet ja noch nicht, dass Markell der Verfasser ist. Die Ausführungen in Markells Brief vor und nach dem Symbol könnten ja gerade die Funktion haben, die Möglichkeit einer "markellischen" Lesart des Romanums zu eröffnen. Der Zusammenhang mit der Synode in Rom und der auch von Vinzent für möglich gehaltene Zusammenhang mit dem interrogatorischen Taufbekenntnis stellt die Frage, wie hoch der traditionelle Anteil an dem sog. "Romanum" ist. Die Bestimmung des traditionellen Anteils am fraglichen Symbol ist letztlich ausschlaggebend, ob man besser von einem "Romanum" oder besser von einem "Marcellianum" spricht.

Entscheidend ist dafür die Unterscheidung von Autorschaft und Redaktion, wie sie Vinzent vornimmt. Das "antilogische Baukastenmodell" impliziert, dass der Begriff der "Autorschaft" "relativiert" wird (239). "Autorschaft" bedeutet im Zusammenhang dieses Modells, dass "die gestaltende Hand eines bestimmten Theologen zu erkennen ist, der in einer spezifischen Frontstellung eine besondere Auswahl an gegnerischem und traditionellem Material getroffen hat und dieses - vielleicht zusammen mit eigenen Einsprengseln - zu einer ,neuen' Formel gebracht hat, die so zuvor nicht nachweisbar ist" (239). Davon lässt sich mit Vinzent die Arbeit an einem "Flickenteppich" durch eine synodale Kommission unterscheiden, die eher als "Redaktion" zu bezeichnen wäre (ebd.). Meines Erachtens ist auch nach Vinzents Erläuterungen fraglich, ob der Text des Romanums wirklich die gestaltende Hand Markells in dem Sinne aufweist, dass man von Autorschaft sprechen muss und die Annahme "redaktioneller Tätigkeit" Markells den Sachverhalt nicht ausreichend beschreibt. In gewisser Weise scheint die (auch liturgisch schon Ende des 4.Jh.s feststellbare) Wirkungsgeschichte des fraglichen Symbols und der Eigenanteil Markells antiproportional zu sein: Je höher man den Eigenanteil Markells ansetzt, desto schwieriger wird es, die Wirkungsgeschichte des Symbols zu erklären. Umgekehrt wird die Erklärung der Wirkungsgeschichte desto einfacher, je stärker ein Bezug des fraglichen Symbols zu bereits vorhandenen Formulierungen (etwa der Taufliturgie) angenommen wird. Ob dieses Dilemma wirklich durch den Hinweis auf die Annahme von Markells Brief durch die Synode in Rom gelöst werden kann, scheint mir fraglich zu sein.

2. Der Bezug auf "traditionelles Material" darf nicht auf die klassischen Bekenntnisformeln eingeschränkt werden. Gerade wenn das Genus "Bekenntnisformel" erst in das 4.Jh. gehört, wird man für die Vorgeschichte auch andere Genera heranziehen müssen. Vor allem ist hier auf die "Katechese" zu verweisen. Dass die Katechesen Kyrills von Jerusalem nicht mit einem Symbol beginnen, gleichwohl aber einen ziemlich feststehenden "Katalog" an Bekenntnisaussagen zu erläutern scheinen, ist vielleicht kein Zufall. In eine ähnliche Richtung weist Novatian, vielleicht auch Cyprian, epp.69.70.76 und andere. Auch die "regulae veritatis" des Irenäus sind hierzu in Beziehung zu setzen. Dann stellt sich die Frage, wie "fixiert" oder wie "flexibel" war ein solcher "Grundbestand" von in der Katechese zu vermittelnden Bekenntnisaussagen? Bei dieser Fragestellung wird deutlich, dass das "antilogische Baukastenmodell" die eigentliche Frage der Symbolforschung "Wo und wann gibt es welche geprägten Traditionen?" nicht erübrigt. Für Rom stellt sich (vor allem, wenn die "Traditio apostolica" als Werk Hippolyts ausscheidet) das Problem, dass sich über lokale Traditionen gerade für das 3. Jh. kaum sichere Aussagen machen lassen. Das macht die Fragestellung "Romanum oder Marcellianum" wenn nicht unlösbar, so doch schwer entscheidbar. Daher wäre es wünschenswert, in einem zweiten Arbeitsgang alles Material zusammenzustellen, dass für eine "Geschichte der altkirchlichen Katechese" zu Grunde zu legen wäre. Auch von diesem Material aus müsste sich die Sonderstellung des in Markells Brief enthaltenen Symbols aufweisen lassen. Denn erst eine solche "Negativprobe" würde es unwahrscheinlich machen, dass Markell in der Bekenntnisformel in seinem Brief nicht weitgehend traditionelles Material verwendet.

Festzuhalten bleibt, dass künftig nicht einfach mehr davon ausgegangen werden kann, dass Markells Brief eben nur "Zeuge" des "Romanums" ist, vielmehr stellt sich die Frage nunmehr wie folgt: Inwiefern bildet Markell das in seinem Brief enthaltene Bekenntnis neu und inwiefern ist es ihm möglich, dabei auch auf in Rom bekanntes tradiertes Bekenntnisgut zurückzugreifen? Wie groß ist der Einfluss liturgischer Sprache und welche Rolle spielen die gegenwärtigen theologischen Auseinandersetzungen? Diese Frage in ihrer Schärfe gestellt zu haben, ist ein bedeutendes Verdienst von Vinzents Beitrag.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Frage nach der Herkunft des Romanums für den ökumenischen Dialog mit der Orthodoxie schwerwiegende Auswirkungen haben könnte. Die Zurückführung des Apostolicums auf Markell würde die Skepsis gegenüber der lateinischen Theologie, wie sich etwa auch im Streit um das filioque zeigt, eher erhöhen als vermindern. Hier steht eventuell der "consensus quinquesaecularis" auf dem Spiel. Die Frage nach den Auswirkungen auf den ökumenischen Dialog darf natürlich nicht die Diskussion um die Herkunft des Romanums bestimmen und bestimmte Lösungen von vornherein ausscheiden. Aber die theologiegeschichtliche Forschung sollte dieser aktuellen Seite der Diskussion auch Aufmerksamkeit schenken. Das Apostolicum spielt schließlich in den Gottesdiensten der lateinischen Tradition und nicht zuletzt in den aktuellen Taufagenden eine zentrale Rolle. Besonders wäre dabei die Frage zu stellen, inwiefern das Apostolicum eine bestimmte Theologie impliziert, die im 4. Jh. für häretisch befunden wurde, und inwiefern sich diese Aussagen heute noch als Ausdruck des kirchlichen Glaubens verstehen lassen.

Die intensive Darstellung der drei Beiträge macht deutlich, dass den Verfassern ein Buch gelungen ist, das gerade für die Symbolforschung von entscheidender, wegweisender Bedeutung sein dürfte. Auch die Zusammenstellung der drei Beiträge erscheint wegen des gemeinsamen Bezugspunktes, der in dem Titel "Tauffragen und Bekenntnis" bezeichnet ist, gelungen. Alle drei Beiträge sind trotz der Komplexität der Gegenstände gut lesbar. Zum Buch als Ganzem ist kritisch lediglich zu vermerken, dass in der Bibliographie der Quellen viele Angaben des Stellenregisters nicht wiederfindbar sind. Eine Bibliographie der Sekundärliteratur aller drei Beiträge sowie ein Register der modernen Autoren und ein Begriffsregister (incl. Namen und Orte) komplettieren den Band. Dass die Lektüre dieses Buches empfehlenswert ist, braucht nach allem Gesagten wohl kaum hervorgehoben zu werden. Dass die Lektüre darüber hinaus aber auch spannend und anregend ist, sei allen denen gesagt, die Symbolforschung und Liturgiegeschichte bisher eher für Randfächer gehalten haben.