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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

746 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Beale, G. K.

Titel/Untertitel:

The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text.

Verlag:

Grand Rapids: Eerdmans; Carlisle: Paternoster Press 1999. LXIV, 1245 S. gr.8 = The New International Greek Testament Commentary. Lw. $ 75.-. ISBN 0-8028-2174-X.

Rezensent:

Traugott Holtz

Fast gleichzeitig mit dem großen dreibändigen Kommentar zu Apk von D. Aune (zu Bd. 1 s. ThLZ 124, 1999, 42-45) ist ein weiterer nicht nur von seinem Umfang, sondern auch von seinem Inhalt her gewichtiger Kommentar zum letzten Buch der Bibel in den USA erschienen. Beale konnte das Werk von Aune nicht mehr benutzen; Band 1 war beim endgültigen Abschluss seines Manuskripts gerade erst erschienen.

Beide Arbeiten konkurrieren auch nur in begrenztem Maße miteinander. In der strukturellen Anlage des eigentlichen Kommentars stellen sie sich fast wie Antipoden dar. Aune gliedert die Auslegung konsequent nach dem Schema, das ihm die Reihe (Word Biblical Commentary) vorgibt: für jede Texteinheit zunächst eine spezielle Bibliographie, gefolgt von einer Übersetzung, Anmerkungen zu Textproblemen, Erörterung von Form- und Strukturfragen, exegetischer Erschließung des Textes sowie seiner (theologischen) Interpretation. Von einer solchen klaren, leserfreundlichen Gliederung findet sich bei B. nichts.

Freilich, auch er beschäftigt sich ausführlich, instruktiv und problembewusst mit der Frage nach der Struktur und dem Plan der Apk (108-151). Das Ergebnis ist allerdings unscharf, womit es etwas Anteil hat an dem Buch von B. insgesamt, vielleicht aber auch dem Charakter der Apk nicht völlig widerspricht. Zwar schlägt B. eine Gliederung in 7 oder 8 Teile vor (114; er stellt eine Unterteilung von 17,1-21,5 nach 19,10 zur Disposition), doch geht schließlich die zusammenfassende Darstellung der inhaltlichen Struktur der Apk (145-151) einen deutlich anderen Weg. Diesem entspricht dann die Behandlung des Textes im Kommentar, das ausführliche Inhaltsverzeichnis lässt das tatsächliche Verständnis der Struktur der Apk durch B. sichtbar werden. Dass die Grenzen der Textsegmente öfters "a little fuzzy" sind wegen der - besonders von E. Schüssler-Fiorenza herausgestellten - Art der literarischen und thematischen Verschränkung, die die Apk anwendet, ist gewiss zutreffend; gleichwohl hätte der Vf. deutlicher herausstellen sollen, wie sich sein Verständnis der Textentfaltung zu der anfänglich von ihm vorgelegten 7- oder 8-fachen Gliederung verhält, insbesondere aber die von ihm offenbar - und zu Recht - vermutete chiastische Grundstruktur des gesamten Buches schließlich in ihm wiederfindet. Ich vermute freilich immer noch, dass ein theologisch begründetes archivalisches Interesse an der möglichst vollständigen Erfassung "apokalyptischer" Traditionen im geistigen Raum des Vf.s der Apk und der von ihm implizierten Leser dafür mitverantwortlich ist, dass eine strenge Gliederung des Textes in einigen Bereichen nicht gelingen will.

Eine gewisse Unschärfe zeichnet den Kommentar insgesamt aus. Eine die Gedanken führende Gliederung der Auslegung der Textstücke gibt es nicht, wie bereits angemerkt. Mir ist auch nicht erkennbar geworden, welche sachliche Funktion der Petitsatz hat, der freilich wohl immer die textkritischen Ausführungen betrifft, aber darüber hinaus oft sachlich gewichtige Diskussionen von Textparallelen oder Interpretationsvarianten.

Besonders bemerkenswert und jedenfalls gegenwärtig ganz ungewöhnlich ist das Fehlen einer vollständigen Übersetzung des Textes. Das gelegentliche Angebot einer Übersetzung schwieriger Textpartien durch B. zeigt die geradezu zentrale Bedeutung, die der Übersetzung für das Verständnis des Textes zukommt. Ihr Fehlen ist ein wirklicher Mangel! Das gilt deshalb noch besonders, weil ausdrücklich nicht nur Griechischkundige als Leser impliziert sind; alle als Interpretationshilfe angeführten griechischen Texte werden denn auch in das Englische übersetzt.

Die Bibliographie am Anfang des Buches weist - mit geringen Ausnahmen, die mittels Abkürzungen zitierte allgemeine Standardwerke betreffen - alle im Buch ausdrücklich herangezogene Literatur nach. Trotz des Umfangs von 37 Seiten ist sie weit davon entfernt, Archivcharakter zu haben. Sie gibt aber einen guten Einblick in das Interesse und das Urteil des Autors. Insgesamt darf man sagen, dass er eine sachkundige, weitgespannte Auswahl präsentiert und auch überzeugend benutzt. Natürlich springen einige, auch sachlich gewichtige Lücken ins Auge. Aus dem deutschsprachigen Bereich, der im Übrigen durchaus aufmerksame Beachtung findet, fehlen etwa die wichtigen Beiträge von M. Karrer, H.-J. Klauck (Bib. 73, 1992), J.-W. Taeger. Andererseits verblüfft die Nennung und deutliche Beachtung von E. W. Hengstenberg (1849-1851; engl. 1863) und F. Düsterdieck (KEK 1.-4. Aufl. 1859-1887; engl. 1883); ihnen gegenüber tritt W. Bousset, der offenbar anders als die Vorgenannten nicht in Englisch zur Verfügung steht, stark zurück.

Mit dem zuletzt Angeführten wird eine Besonderheit dieses Kommentars sichtbar, nämlich seine prononciert theologische Dimension. B. ist bemüht, selbst sehr exponierte Vorstellungen der Apk wie etwa die vom 1000-jährigen Reich als theologisch vertretbar begründet zu erweisen; dabei tritt, z. B. bei der Bestimmung der zentralen Botschaft der Apk (soli deo gloria, s. z. B. 151 den Verweis auf Apk 14,7, oder 171 f.), eine calvinistische Fundamentierung hervor. Indessen wird durch solchen Umgang mit dem Text dieser nicht in seiner Eigenaussage beschädigt, jedenfall nicht mehr als bei jeder theologisch engagierten Interpretation auch sonst; denn er wird auch historisch-exegetisch erschlossen, und das weithin überzeugend.

Fragen kann man freilich - und da mag sein systematisches Fundament nicht ohne Einfluss sein - ob der direkte und bewusste Bezug zum Alten Testament nicht im Ganzen überbewertet wird von B. (selbst die Solözismen sollen hier ihre Funktion als Signal für die Anwesenheit von Anspielungen auf das AT haben, 101). Doch wird damit ein umstrittenes Feld betreten, auf dem trotz mehrerer wichtiger Arbeiten in neuerer Zeit (B. hebt besonders m. E. zu Recht die Arbeit von J. Fekkes über die Aufnahme von Jesaja in der Apk hervor) noch wesentliche Fragen offen sind. Vor allem scheint mir das Problem der Vermittlung des Alten Testaments an den Verfasser der Apk nicht zureichend bedacht zu sein, freilich nicht nur in dem vorliegenden Buch, sondern ebenso in der es umgebenden Diskussion. Dass die Bezüge zum Alten Testament sich einfach einer durch irgendeine Tradition nicht vorgeprägten, gleichsam originären Lektüre seines Textes verdanken, das dürfte jedenfalls eine Vorstellung sein, die fern von der historischen Wirklichkeit ist.

Trotz der etwas unübersichtlichen Anlage des Kommentars und des Fehlens einer Übersetzung des kommentierten Textes hat B. ein wichtiges Werk vorgelegt, das gerade auch das theologische Verständnis der Johannesoffenbarung fördern kann.