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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

737–744

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

(1) Wagner, Andreas (2) Wagner, Andreas [Hrsg.] (3) Michel, Andreas

Titel/Untertitel:

(1) Sprechakte und Sprechaktanalyse im Alten Testament. Untersuchungen im biblischen Hebräisch an der Nahtstelle zwischen Handlungsebene und Grammatik.
(2) Studien zur hebräischen Grammatik.
(3) Theologie aus der Peripherie. Die gespaltene Koordination im biblischen Hebräisch.

Verlag:

(1) Berlin-New York: de Gruyter 1997. XIII, 360 S. gr. 8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 253. Lw. DM 188,-. ISBN 3-11-015549-4.
(2) Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997. VIII, 212 S. gr. 8 = Orbis Biblicus et Orientalis, 156. Lw. DM 74,-. ISBN 3-7278-1139-0 u. 3-525-53792-1.
(3) Berlin-New York: de Gruyter 1997. XI, 420 S. gr. 8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 257. Lw. DM 218,-. ISBN 3-11-015689-X.

Rezensent:

Rüdiger Bartelmus

Im Folgenden werden drei hebraistische Erscheinungen des Jahres 1997 gemeinsam vorgestellt, deren Anordnung nach dem Prinzip der "Sandwich-Methode" (Monographie-Aufsatzband-Monographie) nicht jedem Leser auf den ersten Blick einleuchten dürfte. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis des Sammelbands OBO 156 zeigt freilich, dass die Anordnung zumindest formal gesehen nicht ganz sinnlos ist: A. Wagner wie A. Michel haben dort (neben anderen Autoren) Kurzfassungen ihrer Dissertationen vorgestellt, die sie praktisch zeitgleich in der Reihe BZAW als Nr. 253 bzw. 257 publiziert haben. Inhaltlich gesehen passt das Bild vom Sandwich weniger, hier liegt eher das Prinzip der Opposition vor: Wagner und Michel stehen für zwei unterschiedliche Zugangsweisen zum Hebräischen, von denen diejenige, der Wagner nahe steht, im Aufsatzband dominant vertreten ist. Dass der Rez. die Anordnung im Sinne einer gewissen Steigerung verstanden wissen möchte, ergibt sich aus dem Inhalt des Folgenden. Zunächst aber zu BZAW 253:

1) Wenn einem Buch von einem renommierten Kollegen - in einem kühnen Sprachbild - attestiert wird, es "beschreite(t) forschungsgeschichtliches Neuland" (so J. Tropper, ZAW 111, 1999, 320), ist man gespannt, wovon Andreas Wagners unter der Ägide von D. Michel 1995 in Mainz verfasste Dissertation nun handelt: Liegt der Schwerpunkt mehr im forschungsgeschichtlichen Bereich, oder wird doch sachlich "Neuland" betreten? Um es kurz zu sagen: Wer das Buch unter linguistischen Aspekten liest und dem Autor die einleitende Wertung abnimmt, seine Untersuchung sei geeignet, "erwartungsvolle Spannung auf neue Erfahrungen an und mit der Sprache hervorzurufen" (1), wird diesem Buch (vielleicht gerade angesichts der nicht eben von Bescheidenheit zeugenden hier zitierten Selbsteinschätzung) nur wenig Innovatives entnehmen - bietet es doch in dieser Hinsicht nichts anderes als eine Applikation der seit rund 40 Jahren sattsam bekannten Sprechakttheorie John L. Austins (in der von John R. Searle weiterentwickelten Form) auf das biblische Hebräisch. Schon C. Hardmeier (BEvTh 79, 1978) und H. Schweizer (ATSAT 15, 1981) - um nur zwei breit rezipierte Autoren zu nennen - haben diesen Zweig der Linguistik für die Hebraistik bzw. Exegese des AT fruchtbar zu machen versucht (und haben sich sagen lassen müssen bzw. selbst gesehen, dass eine anhand von Beispielen mündlicher Kommunikation entwickelte Theorie nur bedingt auf literarische Texte anwendbar ist). Anders liegen die Dinge freilich, wenn man nach den hebraistischen bzw. exegetisch relevanten Innovationen fragt: Hier hat W.s Buch durchaus einiges an neuen Erkenntnissen bzw. Anregungen zu bieten, wobei natürlich nicht alles so in die breitere hebraistische Diskussion übernommen werden kann, wie es W. in seiner nachgeradezu monoman wirkenden Anwendung des Austin-Searleschen Denkansatzes herausgearbeitet hat.1

Konkret werden in dem Buch in insgesamt 9 Kapiteln Text und einem 10. Kapitel mit den üblichen Anhängen (Literaturverzeichnis, 329-349 und Stellenregister, 350-360) folgende Aspekte behandelt: Nach einem kurzen Überblick über das Buch ("Einführung", 1-6) referiert W. zunächst ausführlich über "Die Sprechakttheorie und ihre Rezeption in der alttestamentlichen Exegese und der Hebraistik" (7-74), wobei der Schwerpunkt auf dem erstgenannten Sachverhalt liegt. Hier werden die Kategorien vorgestellt und begründet, anhand derer W. dann sprachliche Phänomene des biblischen Hebräisch interpretiert. Oberste Prämisse ist für W. wie für Austin, dass "alles Sagen auch ein Tun ist" (11). Das heißt, W. bleibt nicht bei der auch von anderen Alttestamentlern bzw. Grammatikern als sinnvoll erkannten Distinktion "performativ/konstativ" stehen, er rechnet vielmehr damit, dass alle Sprechakte ",irgendwie performativ' sind" (13).

Mit Searle geht W. dann von folgenden Klassen von "Sprechhandlungen" (= "Sprechakten"; 6) aus: REPRÄSENTATIVA, DIREKTIVA, KOMMISSIVA, EXPRESSIVA und DEKLARATIVA (21; zur Begründung der Verwendung von Großbuchstaben vgl. 6). Nähe und Distanz dieser handlungsorientierten Kategorienbildung zu der von K. Bühler bzw. R. Jakobson vorgenommenen funktionsorientierten Kategorienbildung (bei Bühler: Darstellung, Appell, Ausdruck) werden wahrgenommen und zumindest in Ansätzen diskutiert. Besonders hervorzuheben sind hier die beiden Exkurse: "Zu den Begriffen ,Handlung' und ,Intention' und zum Verhältnis sprachlicher Handlung / (allgemeine) Handlung(stheorie)" (18-19) bzw. "Zur Rolle der Sprechakttheorie bei der Entwicklung eines pragmalinguistisch erweiterten Bedeutungsmodells in der Diskussion um (elementare) sprachliche Bedeutung" (27-36), in denen knapp auf potentielle Einwände gegen die vorgelegte Theoriebildung - so etwa gegen die Ausweitung des Begriffs der "Handlung" - eingegangen wird. Ausführlicher (wenn auch tendenziös verzeichnet) kommt dann eine Gegenposition im zweiten Teilabschnitt dieses Kapitels zu Wort, der den Titel trägt: "Koschmieders Koinzidenzfall im Vergleich mit Austins Performativ/konstativ-Distinktion - ein Beitrag zur ,Frühgeschichte' der Sprechakttheorie" (51-57).

Wie der weitere Verlauf der Untersuchung vermuten lässt, setzt sich W. mit dem längst verblichenen Slawisten Koschmieder wohl deshalb so extensiv auseinander (auch der nächste Teilabschnitt "Koschmieders Koinzidenzfall in der Hebraistik und Semitistik - Anknüpfungspunkt für die Rezeption der ,Performativ/konstativ'-Distinktion Austins" [58-61] stellt dessen Namen in den Mittelpunkt), weil er mit ihm indirekt dessen moderne Rezipienten (u. a. A. Denz, W. Richter, W. Groß) treffen zu können meint, ohne sich ausführlicher mit deren spezifischer (und über Koschmieder hinausgehender) Theoriebildung auseinandersetzen zu müssen. Überdies nehmen diese Abschnitte die eigentliche These der Arbeit vorweg - die "Ablösung des Konzepts des Koinzidenzfalls und der Performativ/konstativ-Distinktion durch die Theorie der Sprechakte" (287 f.).

Das 3. Kapitel behandelt "Sprechhandlungen im Alten Testament - Entwicklung einer adäquaten Fragestellung und Analysemethode" (75-92) mit den angesichts der angerissenen Problematik viel zu knapp gehaltenen Unterabschnitten "Der Ausgangspunkt von Sprechaktanalysen in historischen Einzelsprachen: Die Verklammerung von Sprachsystem und Sprechhandlungssystem" (75-79), "Das AT als schriftliches Sprachzeugnis: Zur Analyse schriftlicher und verschriftlichter Sprechakte" (79-81), ",Direkte Rede' aus Erzähltexten als geeignetste ,Textbasis' für die Analyse alttestamentlicher Sprechhandlungen" (81-83), "Die Erzählung von der Thronfolge Davids als ,Basiskorpus' der Analyse und weitere Überblicksanalysen" (83-84) und "Das AT als historischer Text: Sprechakttheorie in historischen Untersuchungen" (90-92) - dazu im 4. Abschnitt als "Exkurs" verborgen die wohl wichtigste Passage: "Direkte Rede in Erzähltexten - Schnittpunkt von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, von Alltagssprache und literarischer Sprache" (84-89). Alles in allem gesehen befriedigt dieser dem Problem der Anwendbarkeit der Sprechakttheorie auf das AT gewidmete Teil nur den, der bereit ist, mit einem Sprechakttheoretiker "durch dick und dünn" zu gehen - dies unbeschadet der Tatsache, dass W. immerhin klug genug ist, sich in der Arbeit an konkreten Sprachzeugnissen auf "Reden" zu beschränken.

Das 4. (und naturgemäß bei weitem umfangreichste) Kapitel "Sprechhandlungen und Sprachsystem im Alten Testament" (93-251) enthält Partien, die wohl am ehesten den ungeteilten Beifall der alttestamentlichen wie hebraistischen Fachwissenschaft finden werden, so "Listen und Besprechungen" von "Einzelbelegen". Hervorzuheben ist hier insbesondere die breit diskutierte "Liste der performativen Verben" (100-121) und ihr (negatives) Pendant - die "Liste der Verben aus problematischen Fällen" (122-127), auch wenn mancher hier eine deutlichere Unterscheidung von Syntax und Semantik vermissen mag. (Weniger relevant die Listen III und IV, deren Bedeutsamkeit sich nur dem erschließt, der W. blind zu folgen bereit ist: Ist "seufzen" z. B. nicht eher eine impulsive, zweckfreie Gefühlsäußerung als eine "Handlung" mit performatorischem Charakter?). Kommt W. in dem Unterabschnitt "Primär performative Äußerungen: Tempora, Modi und Satzformen als ,Grobstrukturierungsmöglichkeiten'" (133-138) den eben angesprochenen potentiellen Kritikern seines Ansatzes einigermaßen entgegen, konterkariert er dieses Entgegenkommen mit dem folgenden Abschnitt "Nominalsätze als Sprechhandlungen" (140-154) - der hier eingebaute Exkurs "Grundzüge der althebräischen Nominalsatzgrammatik nach D. Michel" (138-140) stellt zudem eine im Argumentationszusammenhang entbehrliche Verbeugung vor dem Doktorvater dar. Mehr Substanz weist demgegenüber der 2. Hauptteil des 4. Kapitels auf, der den Titel trägt: "Funktion lexikalischer Indikatoren am Beispiel der Interjektionen" (160-210), auch wenn die Unterscheidung von "primären" und "sekundären" Interjektionen nicht jedermann überzeugen wird und C. Hardmeier (s. o.) in diesem Zusammenhang bereits wesentliches vorweggenommen hat.

Mit dem 3. und 4. Teilabschnitt dieses Kapitels "Grundprobleme der Analyse von Sprechakten und Sprechaktklassen aufgezeigt am Beispiel des Bekenntnisses" (210-220) und "Sprechakte und Sprechaktklassen in der Erzählung von der Thronfolge Davids und anderen ausgewählten Texten des AT" (220-251) wird der Blick des Lesers auf kaum vergleichbare Einzelaspekte gelenkt, wobei die Ausführungen zu "Bekennen als mehrfachadressierter Sprechakt" (211 f.; ähnlich noch einmal 215-220) eher zu überzeugen vermögen als der flächig-thetische Überblick über die Thronfolgeerzählung - eine bloße Beispielsammlung für die o. g. fünf Klassen von "Sprechhandlungen".

Warum das 5. Kapitel "Segnen im biblischen Hebräisch und in den Inschriften - Annäherungen an eine Gesamtanalyse einer einzelnen Sprechhandlung" (253-285) nicht zusammen mit 4.3 ("Bekennen") verhandelt wird, ist schwer zu verstehen. Hier wäre auch der Ort gewesen, an dem die Frage, welche Funktion die Syntax und welche die Semantik von "segnen" im Blick auf den performatorischen Akt hat, ernsthaft hätte diskutiert werden können, doch gerade hier verweigert sich W. einer Debatte: "hwhy JWrB;-Formeln können von der Diskussion ausgenommen werden" (282). Was die "Auswertung der Untersuchungsergebnisse bezüglich hebräischer Grammatik und alttestamentlicher Exegese" betrifft (287-310), ist zum ersten Teilabschnitt "Hebräische Grammatik" (287-293) oben implizit das Nötige schon gesagt: Hier bleiben mehr Fragen offen als gelöst werden. Interessanter erscheint demgegenüber die "Auswertung II: Exegetica" (294-310), in der (äußerst knapp) "Sprechhandlungen der Thronfolgeerzählungen (sic!) und die Sprache des Hofes" (294-296), "Sprechhandlungen und die Botschaft Deuterojesajas" (296-300) und "Die Bedeutung der sprechaktheoretischen Neubestimmung der primären Interjektionen für die Interpretation der Wehe-Rufe" (300-307) verhandelt werden - auch wenn im letzteren Fall der innovatorische Aspekt weitgehend fehlt (s. o. zu C. Hardmeier).

Wenig Substantielles enthält das 7. (Mini-)Kapitel "Ergebnisse für die Sprechhandlungstheorie" (311-315), was freilich denjenigen wenig wunder nimmt, der der Anwendung dieses Theorems auf das AT von Anfang an kritisch gegenüberstand. Nicht viel anderes lässt sich auch von dem ähnlich kurzen 8. Kapitel "Ausblick und offene Probleme" (317-321) sagen, das - ähnlich wie die "Zusammenfassung" (323-327) - nur noch einmal das wiederholt, was dem Leser schon mehrfach als Problemlösung nahegelegt wurde.

Der Rez. kann abschließend nur feststellen, dass die in dem Buch verhandelten Sachverhalte seine Struktur bestimmt haben: Nach der Lektüre kann man sich entweder zur These W.s bekennen oder aber verstockt im Kreis der ungläubigen Systemtheoretiker verbleiben, für die weiterhin das "Dogma von Lexikon und Syntax" gilt und die Sprache für ein "Organon" halten, "um einer dem andern etwas mitzuteilen über die Dinge".

2) Der von Andreas Wagner herausgegebene Sammelband OBO 156 enthält die Druckfassung von 12 Vorträgen, die in der Section Hebrew Grammar: The Next Generation of Projects im Rahmen des International Meeting der Society of Biblical Literature (SBL) 1996 in Dublin gehalten wurden. Aus dieser ursprünglichen Bestimmung erklärt sich, dass - unbeschadet eines deutlichen Schwerpunkts bei Beiträgen aus der "Mainzer Schule" (der auch der Herausgeber angehört) - hier Aufsätze mit durchaus unterschiedlichen Zugangsweisen zu Fragen des althebräischen Sprachsystems vereint sind; ebenso erklären sich von daher (und vom unterschiedlichen Ausbildungsstand der Beiträger her) Unterschiede im Reflexionsniveau der verschiedenen Aufsätze.

Unter der Überschrift "Grammatik statt Ekstase!" verhandelt Achim Behrens (Oberursel) "Das Phänomen der syntaktischen Wiederaufnahme am Beispiel von Am 7,1-8,2" (1-9). Dabei geht es ihm um den Nachweis, dass Am 7,1-8,2 eine literarische Einheit bildet; die Verwendung syntaktisch identischer Satzmuster in den Visionen und der Amasja-Erzählung ist s.E. im diesem Sinne zu interpretieren. Dass sein Beitrag mit Grammatik bzw. Syntax im engeren Sinne nichts zu tun hat, hat der Vf. selbst gesehen (9); als erster Beitrag in einem Band, der "Studien zur hebräischen Grammatik" verspricht, wirkt der Aufsatz befremdlich.

Im zweiten Beitrag des Bandes befasst sich Jan H. Kroeze (Potchefstroom) mit einem Problem grammatischer Kategorienbildung: "Alternatives for the accusative in Biblical Hebrew" (11-25). Da es im Biblischen Hebräisch (BH) keine Kasusendungen gibt - ob das vormasoretische Hebräisch solche kannte, wird nicht erörtert -, plädiert Kroeze dafür, die Kategorie Akkusativ aufzugeben und stattdessen "to differentiate between the morphological, syntactic and semantic aspects associated with the concept" (11). Das wird dann mit ausführlichen Beleglisten- zumeist Übernahmen aus der Syntax von Waltke-O'Connor - vollzogen. Neu ist die Fragestellung nicht - H. Schweizer hat die einschlägige Problematik schon 1975 in der ZAW 87 behandelt (und dabei zudem differenzierter argumentiert).

Wenn Reinhard G. Lehmann (Mainz) seinen Beitrag "Überlegungen zur Analyse und Leistung sogenannter Zusammengesetzter Nominalsätze" (27-43) mit dem Statement beginnt: "Die Existenz eines ,Zusammengesetzten Nominalsatzes' im Althebräischen ist umstritten" (27), verzeichnet er pro domo den aktuellen Forschungsstand. Nach den jüngsten Veröffentlichungen von W. Groß kann man allenfalls noch von vereinzelten Rückzugsgefechten der Verteidiger eines nutzlosen Requisits aus der Phase einer theologisch motivierten Grammatiktheorie sprechen. Die gebotene Beispielsammlung rechtfertigt denn auch in keiner Weise die finale Formulierung der petitio principii: "Der ... verhandelte Satztyp ... trägt daher mit Recht den Namen zusammengesetzter Nominalsatz" (ZNS) (43); sie kann es schon allein deshalb nicht, als in ihr höchst unterschiedlich strukturierte Sätze (u. a. Sätze mit Pendenskonstruktion, Sätze mit Verbum finitum in regelhafter Zweitstellung und Sätze mit partizipialem Prädikat) über ein- und denselben theoretischen Leisten geschlagen werden.- Wenn man den Beitrag tendenzkritisch liest, kann man sich des Verdachts nicht erwehren, dass die Mainzer Schule und ihre wenigen Adepten primär aus theologischen Gründen so intransigent auf der Kategorie ZNS beharren: Wo immer ein ZNS identifizierbar ist, ist nach L. "die Zeit aufgehoben" (so u. a. 43). Das heißt, je mehr alttestamentliche Sätze als ZNS identifiziert werden können, desto weniger trennt uns der "garstige Graben der Geschichte" von den zeitlosen Glaubensaussagen der alten Israeliten. Die Überzeugung, die den Spiritus rector der Schule schon in seiner Dissertation auf grammatische Holzwege gebracht hat (D. Michel, Tempora und Satzstellung in den Psalmen, Bonn 1960; vgl. dazu etwa W. Groß, ATSAT 1, 5-14), ist lebendig geblieben, richtiger wird sie auch durch Wiederholung im Schülermund nicht: Zeitlose Aussagen sind zwar das, was Theologen brauchen, um sich nicht dem Problem der Geschichtlichkeit (Relativität) aller theologischen Aussagen stellen zu müssen, aber in der Welt des AT finden sie sich nun einmal nur selten bzw. ganz am Rande.

Die Ironie des Alphabets hat es mit sich gebracht, dass unmittelbar nach dem Beitrag von R. G. Lehmann der Beitrag eines Schülers von W. Groß zu stehen gekommen ist: Andreas Michel, "Gespaltene Koordination in biblisch-hebräischen Verbalsätzen. Am Beispiel von Ex 34,27/Ps 11,5/Neh 10,36-37" (45-71). M. bietet gewissermaßen eine exemplarische Zusammenfassung der These der Dissertation, die weiter unten 3) noch breiter diskutiert werden muss. Hier nur so viel: M. bemüht sich in erfreulich kompromissloser Weise, alttestamentliche Sätze, die nicht den gängigen philologischen bzw. theologischen Erwartungen im Blick auf die Wortfolge entsprechen, ohne alle Emendationen zu verstehen. Die von ihm herangezogene Kategorie der "gespaltenen Koordination" - "normalerweise koordiniert gereihte(r) Satzglieder" werden durch "die Einschaltung mindestens eines dazwischentretenden Satzglieds unterbrochen" (45)- erweist sich im Verlauf des Aufsatzes als ausgesprochen gut geeignet, umstrittene Textstellen wie etwa Ps 11,5 grammatisch wie theologisch befriedigend zu erklären.

Aus dem Beitrag von Diethelm Michel (Mainz) "h.æsæd w'æmæt" (73-82) sei nur das immerhin diskutierbare Fazit der (z. T. auf eine unveröffentlichte Habil.-Schrift von 1964 zurückgehenden und insofern wohl kaum der "next generation" zuzurechnenden) semantischen Untersuchung zitiert: "In der Wendung h.æsæd w'æmæt bezieht sich 'æmæt auf die Erfüllung eines Versprechens ... Die beiden Wörter stehen in dieser Wendung also nicht parataktisch ..., sind also kein Hendiadyoin" (82). Ob und inwieweit die hinter dem Fazit stehende diachrone Argumentation noch vertretbar ist, sei freilich dahingestellt - dies umso mehr, als M. den aktuellen Stand der "Landnahme"-Diskussion völlig außer Acht lässt.

Weshalb im Beitrag von Achim Müller (Mainz) "Formgeschichte und Textgrammatik am Beispiel der alttestamentlichen ,Lehrrede' in Prov 1-9" (83-100) der Begriff "Textgrammatik" erscheint, ist nicht leicht nachzuvollziehen, will M. doch "am Beispiel der Textsorte der alttestamentlichen ,Lehrrede'" nachzeichnen, "wie eine Gattung aus ihrem ursprünglichen ,Sitz im Leben' in die Literatur eintritt" (5) - also eine eher literaturgeschichtliche Frage. Unter Literatur versteht M. dabei Texte, "die nicht zu unmittelbaren Gebrauchszwecken bestimmt sind oder darin aufgehen". Hat der Leser schon mit dieser ästhetisierenden Begriffsdefinition und deren Anwendung auf den Textbestand des hier in Rede stehenden Spruchbuchs seine Probleme (verfolgt das Spruchbuch wirklich keinen konkreten Zweck?), ist er vollends irritiert, wenn ihm als Ergebnis folgende "Vorgeschichte der Lehrrede" vorgesetzt wird: Am Anfang steht "häusliche Unterweisung, cf. z. B. Gen 27", dann erscheinen entsprechende Formulierungen als "Prolog von Lehren, z. B. Amenemope", und am Ende steht die "literarische Komposition: Prov 1-9" (99). Sieht man einmal davon ab, dass es in Gen 27,6-9 um alles andere als um "häusliche Unterweisung" geht - es geht um eine Intrige -, und dass das ganze Kapitel seinerseits "Literatur" (auch im Sinne M.s) und kein authentisches Zeugnis für nomadische Erziehung ist, bestehen gegen solche linearen Erklärungsversuche prinzipielle Bedenken. Eine Studie zur "hebräischen Grammatik" ist der Beitrag ohnehin nicht - das kann auch das (gewissermaßen in Leerlauffunktion gebrauchte) Modewort "Textgrammatik" nicht verschleiern.

Was den Beitrag von Hans-Peter Müller (Münster) "Zu einigen ungewöhnlichen Partikelfunktionen" (101-113) betrifft, können hier die vielen Einzelbeobachtungen nicht ausgebreitet werden. Er behandelt Beispiele für "Nicht-junktives Wa-w" (103-107) und "Lamed vocativum" (108-112). Eine ausführlichere Darstellung lohnt auch insofern nicht, als zu beiden Komplexen inzwischen Aufsätze erschienen sind, die die Grundannahmen M.s mit guten Gründen in Frage stellen (A. R. Müller, Die Freiheit, ein Und zu gebrauchen. Zur hebräischen Konjunktion w, in: R. Bartelmus, N. Nebes, Sachverhalt und Zeitbezug, FS A. Denz, JBVO 3, Wiesbaden 2000, 85-105 bzw. E. Jenni, Epistemische Modalitäten im Proverbienbuch, in: A. Lange, H. Lichtenberger, D. Römheld, Mythos im Alten Testament und seiner Umwelt, FS H.-P. Müller, BZAW 278, Berlin-New York 1999, 107-117. J. spricht ironisch vom "Allheilmittel des lamed emphaticum" [a. a. O. 115]; auch der oben vorgestellte Aufsatz bzw. die Dissertation von A. Michel [s. u.] wären zu nennen).

Sieht man vom eigentümlichen Gebrauch der Termini "Mittelhebräisch" bzw. "Neuhebräisch" für zwei unterschiedliche Sprachstufen in vorchristlicher Zeit einmal ab, bietet der Beitrag von Andreas Schüle (Heidelberg) "Zur Bedeutung der Formel wajjehi im Übergang zum mittelhebräischen Tempussystem" (115-125) eine insgesamt überzeugende Darstellung der diachronen Entwicklung des hebräischen iaqtul, zumal er ausführlich epigraphisches Material berücksichtigt.

Epigraphisches Material steht auch im Mittelpunkt des Beitrags von Dirk Schwiderski (Münster) ",Wer ist dein Knecht? Ein Hund!' Zu Aufmerksamkeitserregern und Überleitungsformeln in hebräischen Briefen" (127-141). Er behandelt zum einen w't als den "einzige(n) für hebräische Briefe typische(n) und zum formalen Standard gehörende(n) Aufmerksamkeitserreger" (130), der - entgegen der bisherigen Annahme - nicht nur als "Transitionsmarker" zwischen Briefpräskript und -corpus Verwendung findet, sondern auch als "Absatzmarker" (133) erscheint. (Dass Sch. dabei dem w im Sinne seines Lehrers H.-P. Müller eine "hervorhebende ... Funktion" beimisst, kann im Blick auf die doch überzeugende Gesamtthese vernachlässigt werden). Sodann verweist Sch. darauf, dass der Übergang zwischen Präskript und Briefcorpus auch unmarkiert bleiben kann, um zuletzt die im Titel zitierte ausführliche Überleitung zu diskutieren: "Durch mj 'bdk klb wird ... das Präskript zusätzlich durch einen Höflichkeitsausdruck erweitert sowie der erste Satz des Briefcorpus als thematische Überschrift ausgewiesen" (141). Mit "Grammatik" im engeren Sinne haben diese formgeschichtlichen Beobachtungen freilich wenig zu tun.

Im Aufsatz des Herausgebers Andreas Wagner (Mainz) "Der Lobaufruf im israelitischen Hymnus als indirekter Sprechakt" (143-154) verfließen einmal mehr die Grenzen zwischen Grammatik und Form- bzw. Gattungsgeschichte: Mehr als die Hälfte des Aufsatzes ist der Verteidigung (und Erweiterung) der Gunkel-Crüsemannschen Sicht der Dinge und einer thetischen Bestreitung der grundsätzlichen Kritik Spieckermanns daran gewidmet. Ebenso thetisch ist die Lösung des als Problem vorgestellten Phänomens: "Sprachlich bleibt zu klären, wie ein Imperativ" als "Aufführungs- oder Denkform des Lobes verstanden werden kann" (150)- die Antwort ergibt sich aus dem Titel, der auf die oben vorgestellte Dissertation Bezug nimmt. Der Aufsatz endet schließlich mit dem (nach H. Schweizer, ATSAT 15 [1981!] leicht anachronistisch wirkenden) Appell, dass neben Syntax und Semantik endlich auch die Pragmatik in der Hebraistik Berücksichtigung finden müsse.

Auch der Beitrag von Markus Zehnder (Basel) "Zentrale Aspekte der Semantik der hebräischen Weg-Lexeme" (155-170) nimmt Bezug auf eine- mittlerweise publizierte - Dissertation. Sie wurde von E. Jenni betreut. Von daher ist es nicht überraschend, dass - neben dem im Titel genannten inhaltlichen Problem - die "Frage nach den Zusammenhängen zwischen Syntax und Semantik" in einem 3. Abschnitt besonders thematisiert ist. Dieser Teil bietet denn auch dem Sprachwissenschaftler, dem es nicht nur um das Lexem dæræk- geht, die meisten Anregungen, zeigt Z. doch sehr klar auf, dass "Kollokationen" des Lexems "mit bestimmten Verbklassen" für sich alleine betrachtet noch nicht viel besagen, da ja z. B. nicht nur dæræk- , sondern auch hlk verschiedenen semantischen Klassen angehören kann. (Analoges gilt auch im Falle von Constructus-Verbindungen). Das Phänomen des "semantischen Zirkels" wird plastisch herausgearbeitet (166 f.). Zunächst wird freilich eine "kurze Übersicht über die verschiedenen Verwendungsweisen des zentralen Weg-Lexems ... dæræk-" geboten, dann werden "Besonderheiten der Wegmetaphorik" (155) im AT besprochen - in beiden Fällen ergänzt um Aspekte aus der Umwelt. Hier auf Einzelheiten einzugehen, verbietet sich aus Raumgründen. Hervorgehoben sei immerhin die instruktive Tabelle zum Bedeutungsfeld von dæræk- (170), die leider durch eine (computerbedingte) Buchstabenverstellung (dr statt rd) im Titel etwas verunziert ist.

Unbeschadet des nur eine Fragestellung andeutenden Titels geht es im Beitrag von Tamar Zewi (Haifa) um zwei Probleme der Grammatik. Das eine ergibt sich aus der Überschrift: "Subjects Preceded by the Preposition 'et in Biblical Hebrew", das andere führt Z. im ersten Satz ein: Er möchte unter dem Stichwort "extraposition process" die Fälle diskutieren, die andere Forscher als "casus pendens or compound sentence" klassifizieren (171-183). Z. möchte zeigen, dass beide Fügungen sinnvollerweise nicht als Ausnahmen klassifiziert werden sollten, sondern "as incomplete modifications, evolving from an incomplete extraposition process or an incomplete transition from active into passive" (171). Die Brücke zwischen den beiden auf den ersten Blick nicht leicht aufeinander zu beziehenden Phänomenen bildet für Z. der Umstand, dass bei "constructions in transition from simple sentences to extrapositions" das Objekt ein "extraposed subject" werden kann. Ergebnis: "Subjects introduced by 'et and several other prepositions should be interpreted as logical subjects in transition from objects into grammatical subjects" (181).

Ein umfangreiches Stellenregister (185-199) schließt den Band ab, der nur stellenweise das hält, was der Titel verspricht.

3) Die von W. Groß betreute Tübinger Dissertation von A. Michel (1996) beschäftigt sich mit einem scheinbaren Randphänomen der biblisch-hebräischen (bh.) Syntax. Es geht um das "syntaktische Phänomen, dass durch Syndese gereihte gleichwertige Satzglieder nicht unmittelbar aufeinander folgen, sondern diskontinuierlich stehen" (1).2 Das wirkt nicht gerade aufregend. Dass es freilich nicht um eine Quisquilie, sondern um ein exegetisch bedeutsames Problem geht, macht der Vf. auch dem verstocktesten Gegner grammatischer Exegese bereits in der Einführung unmissverständlich klar ("Gen 2,9 und die Karriere eines syntaktischen Phänomens"; 1-22): Hätte die Forschung des 20. Jh.s eine unscheinbare Notiz von S. R. Driver in Hebraica II (1885-86) 33 ernst genommen, hätte man sich viel literarkritische bzw. traditionsgeschichtliche spekulative Energie betreffs der Lage/Existenz der beiden Bäume mitten im Paradiesgarten sparen können - zudem eine Menge Papier. Vielleicht hätte die Forschung dann aber auch auf den profunden Beitrag A. Michels zur bh. Syntax bzw. zur "Bible as literature"-Forschung verzichten müssen, und so hatte auch dieser exegetische Fehler eine gute Seite.

Um nicht in den Fehler der bisherigen Exegese zu verfallen, jeweils ad casum spezielle Regeln zu entwickeln bzw. automatisch zur literarkritischen Schere zu greifen, untersucht M. in insgesamt 5 mehr oder weniger umfangreichen Kapiteln - (1) Zum Begriff der gespaltenen Koordination (23-42), (2) Spaltungen mit Pronominalisierung im ersten Glied (43-90), (3) Gespaltene Subjekte (91-170), (4) Gespaltene direkte Objekte (171-306), (5) Spaltungen beim Rest der Ergänzungen und bei Angaben (307-364) - alle einschlägigen Fälle "systematisch nach Fallgruppen" (23). "Spiegelbildlich zum Anfang" bietet M. dann "Statt eines Schlusses" noch einmal eine exegetische Studie: "Num 28 als exegetische Konkretion" (365-382; 365), die ihn als subtil urteilenden Exegeten ausweist. Die üblichen Anhänge, ein Literaturverzeichnis (383-408) und - angesichts der Themenstellung natürlich besonders wichtig - ein Stellenregister (409-420), das das Buch für den exegetischen Normalverbraucher erschließt, schließen den - abgesehen vom hebräischen Schriftsatz, in dem die Vokalzeichen oft "verzogen" erscheinen - auch drucktechnisch wohlgelungenen Band ab.

Hier auf Einzelheiten einzugehen, ist natürlich unmöglich; das ergibt sich schon aus der Zahl der behandelten Fälle - es sind mehr als dreihundert! Immerhin seien in groben Linien wenigstens die Grundzüge der Argumentation angedeutet. Vorläufer in der Forschungsgeschichte gibt es kaum. Neben dem bereits erwähnten großen Hebraisten S. R. Driver nennt M. als wichtigste Quelle für Anregungen - insbesondere im Blick auf die Systematisierung - eine primär arabistisch ausgerichtete Arbeit: A. Bloch, Vers und Sprache im Altarabischen, Basel 1946, in der das Phänomen unter den Stichworten "Sperrung koordinierter Subjekte/Prädikate/Objekte/propositionaler Ausdrücke" verhandelt wird, wozu auch bh. Beispiele gegeben werden (26 f.). Demgegenüber distanziert sich M. deutlich von J. Levi, Inkongruenz im Biblischen Hebräisch, Wiesbaden 1987, der zwar ebenfalls eine Fülle von einschlägigem Material bietet, aber "pauschal jegliche text- und literarkritischen Operationen" abweist (30), was ihn als ernstzunehmenden wissenschaftlichen Gesprächspartner disqualifiziert. Die entscheidende Anregung zu der Beschäftigung mit der bis dahin kaum beachteten Problemstellung scheint auf eine Randbemerkung von E. Jenni in dessen Buch zur bh. Präposition Beth zurückzugehen (23).

Ansonsten ist der Arbeit natürlich anzumerken, dass sie bei W. Groß geschrieben wurde, wovon die Wahl von syntaktischen Termini wie "Vorfeld" und "Hauptfeld" des Satzes zeugt: "Dem Vorfeld gehören alle Positionen vor dem verbum finitum an, dem Hauptfeld alle Positionen nach ihm" (41; vgl. W. Groß, FAT 17). Für das Verständnis der Argumentation im Buch relevant ist schließlich noch die konsequente Anwendung der von J. Jacobs in die Linguistik eingeführten Dichotomie "Fokus-Hintergrund", die die "Gliederung von Sätzen in hervorgehobene und nicht-hervorgehobene Teile anzeigt" (41). [Von daher ist natürlich auch klar, dass M. die Theorie des ZNS (s. o.) ablehnt; er belässt es freilich nicht bei der Negation - die Fragestellung wird de facto gar nicht mehr thematisiert -, er bietet vielmehr ein positives Beispiel dafür, wie man bei nüchternem und linguistisch differenziertem Umgang mit dem im AT gebotenen Sprachmaterial zu plausiblen Lösungen kommen kann].

Was der Exeget, der das Buch M.s als Handbuch gebraucht, über diese Grundinformationen hinaus in jedem Falle zur Kenntnis nehmen, d. h. selbst lesen sollte, bevor er es für die eigene Arbeit an Texten auswertet, sind Teile aus den einleitenden Passagen am Beginn der Kapitel 2-5, insbesondere "2.1 Aufteilung der Spaltungen nach Stellungsfeldern" (43-44), "3.1 Wie formuliert man überhaupt mehrteilige Subjekte?" (91-95), "4.1.1 Spaltung der direkten Objekte nach Stellungsfeldern" (172-175), "5.1 Wie und wo kann man eigentlich spalten?" (307-309) - andernfalls erschließt sich das, was M. zu der den Leser jeweils speziell interessierenden Stelle zu sagen hat, nur zum Teil: In diesen Passagen sind jeweils die Grundprobleme kurz angerissen, die den Fall charakterisieren, dazu kommen zumeist noch illustrative erste Beispiele für das jeweilige Problem. Mit dem Verweis auf ein solches Beispiel, das die klare Argumenationstechnik M.s besonders schön illustriert, sei diese Sammelbesprechung abgeschlossen: M. braucht nicht mehr als 10 Zeilen, um die gesamte Problematik von 2Sam 5,10 - "Steigt YHWH in Israel/Juda/Jerusalem mit (oder wegen) David auf oder David dank YHWHs Hilfe?" (95) - so auf den Punkt zu bringen, dass auch der mit linguistischen Fragestellungen wenig vertraute Leser zu ahnen beginnt, dass die Grammatik weniger die "Magd" als die "Mutter" aller Theologie ist - jedenfalls sofern letztere mit dem Anspruch auftritt, auf der Bibel zu gründen.

Fussnoten:

1) Vgl. dazu etwa den 9 Zeilen umfassende Mini-Abschnitt "Neue Deutung von hyh in transformierten (Nominal-) Sätzen" (292), in dem W. auf den bisherigen Stand der Forschung mit keiner Silbe eingeht: Hatte er in diesem Zusammenhang Bedenken, möglicherweise als Kaiser ohne neue Kleider dazustehen?

2) Noch präziser bringt die Definition am Beginn von Kap. 1 das Phänomen auf den Punkt (23): Es geht um "die diskontinuierlich realisierten", d. h. durch mindestens einen dazwischentretenden Satzteil gesperrten, gleichwohl meist durch Syndese (besonders w, seltener /a) verbundenen und im Normalfall gereihten, somit koordinierten, aber nichtprädikativen Satzglieder in biblisch-hebräischen Verbalsätzen bzw. verbalen Konstruktionen, kurz: das Phänomen der "gespaltenen Koordination" bzw. der "Abspaltung" einzelner koordinierter Satzglieder.