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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

728 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Molendijk, Arie L., and Peter Pels [Eds.]

Titel/Untertitel:

Religion in the Making. The Emergence of the Sciences of Religion.

Verlag:

Leiden-Boston-Köln: Brill 1998. XII, 318 S. 8 = Studies in the History of Religions, 80. Lw. hfl 195.-. ISBN 90-04-11239-1.

Rezensent:

Andreas Feldtkeller

Der Band veröffentlicht Beiträge einer Konferenz, die vom 22.-24. Mai 1997 am Forschungszentrum für Religion und Gesellschaft der Universität Amsterdam stattfand. Zwölf Einzeluntersuchungen beleuchten unter verschiedenen Aspekten den Prozess, mit dem sich während des 19. Jh.s in Europa Religionswissenschaften als eigene akademische Forschungsdisziplinen herausgebildet haben.

Eine gemeinsam reklamierte Ausgangsposition besteht dabei in der Überzeugung, dass als der entscheidende Faktor für die Entstehung einer Disziplin ihre Institutionalisierung zu betrachten sei. Deshalb beschäftigt sich der erste Teil des Buches mit der Institutionalisierung von Religionswissenschaften in verschiedenen Ländern, namentlich in Frankreich (Michel Despland 31-43), Großbritannien (Peter Byrne 45-65) und den Niederlanden (Arie L. Molendijk 67-95). Allerdings werden dabei unterschiedliche Maßstäbe angelegt, wie weit der historische Prozess von Institutionalisierung zu spannen ist, und deshalb deutlich voneinander abweichende Zeiträume behandelt.

Eine zweite wichtige Vorentscheidung zeigt der Plural "sciences of religion" an: Es gab in dieser Entstehungszeit nicht eine klar gegen andere Disziplinen abgrenzbare Religionswissenschaft, sondern verschiedene neu entstehende Wissenschaften, deren Gemeinsamkeit darin bestand, dass sie sich mit Religion befassten (15). In ihren Ansatzpunkten und Methoden bestanden zwischen diesen Wissenschaften erhebliche Unterschiede, was sich entsprechend in den Ergebnissen der Erforschung von "Religion" niederschlug. In diesem Punkt treten die Autorinnen und Autoren mit erfreulichem Realismus dem bis heute mancherorts gepflegten Mythos entgegen, Religionswissenschaft könne als unbeteiligte Beobachterin Religion "objektiv" beschreiben, und deshalb sei ihre Geburtsstunde als der entscheidende Durchbruch gegen die in der Theologie herrschende Parteilichkeit zu feiern. Stattdessen wird ein klares Bewusstsein dafür erkennbar, dass alle mit Religion befassten Wissenschaften die Begriffe und Konzepte, die sie benutzen, in ihren je eigenen geschichtlichen und kulturellen Kontexten produzieren und sich so ihren Gegenstand zu einem guten Teil selbst entwerfen (2).

Das Verhältnis von Religionswissenschaft und Theologie als solches wird in dem Text von Sigurd Hjelde (99-128) einer genauen und nach Ländern differenzierten Prüfung unterzogen. Dabei wird deutlich, dass sich die Beziehung zwischen beiden Fächern sehr unterschiedlich entwerfen ließ und dass dabei das Bild einer klaren Abgrenzung der Religionswissenschaft gegenüber der Theologie keineswegs verallgemeinert werden darf. Mit diesem Beitrag wird der zweite Teil des Buches eröffnet, der dann auch an anderen Beispielen Abgrenzungen gegenüber benachbarten Disziplinen und Definitionen der je eigenen Forschungsfelder thematisiert.

Für den dritten Teil schließlich, der den im untersuchten Zeitraum geprägten innovativen Konzepten zur Beschreibung von Religion gewidmet ist, sei exemplarisch der Beitrag von Hans G. Kippenberg angeführt (297-312). Dieser beginnt mit einer für viele sicherlich überraschenden These: Die Zeit sei reif dafür, die üblichen Verdikte gegen Edward Burnett Tylors Theorie der religiösen Evolution kritisch zu überprüfen. Zu Recht hebt Kippenberg hervor, dass die Thematik der in unserer Gesellschaft fortbestehenden Elemente europäischer Volksreligionen, die Tylor über den Begriff der "survivals" zu erfassen suchte, weiter der Aufmerksamkeit bedarf (309). Das Bild des zu rehabilitierenden Tylor, das Kippenberg dabei zeichnet, nähert sich allerdings in manchen Zügen etwas zu sehr dem Zeitgeist des ausgehenden 20. Jh.s an, als dass man geneigt wäre, ihm ganz zu vertrauen. Was in diesem Zusammenhang formuliert wird, ist dennoch ein anregendes Motto für die Weiterarbeit: "Combining the Unity of Mankind with Differences of Cultures" (so die Kapitelüberschrift, 305).