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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

726–728

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Janzen, Bernhard-Maria

Titel/Untertitel:

Samaññaphala. Die Frucht des Entsagens. Armut und Nicht-Anhaften als Weg zum Heil beim Buddha und bei Franziskus von Assisi.

Verlag:

Würzburg: Echter; Altenberge: Oros 1997. 320 S. 8 = Religionswissenschaftliche Studien, 43. ISBN 3-429-01969-9 u. 3-89375-154-8.

Rezensent:

Horst Bürkle

Die Arbeit wurde 1997 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster als Dissertation angenommen. Der Vf., Angehöriger der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz, hat sich einem Thema gewidmet, das nicht nur im Blick auf die Person des Ordensstifters Franziskus, sondern für ihn selbst von existentieller Bedeutung ist. Dieser Bezug verleiht der Untersuchung über ihre wissenschaftliche Relevanz hinaus ihren besonderen Wert. Die bisher vorliegenden Vergleiche zwischen dem buddhistischen Sangha und dem christlichen Mönchtum - 1992 hatte W. Siepen eine vergleichende Arbeit zum Meister-Schüler-Verhältnis vorgelegt - werden mit diesem Band erstmalig durch den besonderen Vergleich mit Franz von Assisi bereichernd weitergeführt.

Das Charakteristische des ersten, "phänomenologischen" Teiles der Arbeit liegt in der konsequenten Beschränkung auf die unter bestimmten Themen erfolgende Darstellung jeweils der buddhistischen und der franziskanischen Erscheinungsformen und Inhalte. Nach einem einleitenden Abschnitt, in dem der Vf. Rechenschaft über die angewandte Methode sowie über die Grenzen des Vergleichs gibt, behandelt ein erstes Kapitel die beiden "Gründergestalten". In der Darstellung der Lebensläufe von Buddha und Franziskus wird unterschieden zwischen Legendärem, "autobiographischen Elementen im Kanon" und den die beiden kennzeichnenden "Charakteristika". Diese Gliederung lässt die wesentlichen Unterschiede zurücktreten, die mit der Überlieferungsgeschichte selber zusammenhängen ("Auch um die Person des Franziskus ranken Legenden ...", 35). Die späteren legendären Elemente in der vita des Franziskus liegen auf einer anderen Ebene als die in den Gesamtzusammenhang indischer Mythologie eingefügte geschichtliche Erscheinung des Gautama Buddha. Allein die ausführliche Darlegung der Quellenlage (40 ff.) in Bezug auf Franziskus zeigt, dass wir es hier mit einem anderen Genre der Überlieferung zu tun haben als im Falle der in den Gesamtzusammenhang des Pali-Kanons integrierten Buddhagestalt. Berücksichtigt man dieses, so bleibt zu fragen, inwieweit die Gattung des "Autobiographischen" in beiden Fällen gleicherweise verwendbar ist.

Unter dem gemeinsamen Begriff der "Erfahrung von Welt" und "von Selbst" (46-67) werden die unterschiedlichen Voraussetzungen benannt, denen die "Dimensionen von Erlösung" sowie die "Ziele und Visionen vom eigenen Leben und von sich selbst" entsprechen (67-89). Mit dem achtgliedrigen Pfad des Buddha wird das "Leben in Buße" verglichen, in dem Franziskus der vita saeculi (Thomas von Celano) den Abschied gab. Allein schon dadurch, dass der Vf. beide je für sich darstellt, wird der Unterschied deutlich zwischen dem Weg des Gautama Buddha in die Hauslosigkeit mit der aus ihr folgenden achtgliedrigen Wegpraxis zur Überwindung der ursächlichen Zusammenhänge der leidvollen Existenz und dem franziskanischen Leben in Buße und Entsagung. "Das Leben in Buße besteht darin, ,Gott zu lieben' und ihn ,anzubeten', die ,Sünden zu beichten' und ,den Leib des Herrn zu empfangen', den ,Nächsten zu lieben wie sich selbst'" (85).

Unter der Überschrift "Weltflucht als Problem" (90-161) beschreibt der Vf. das besondere traditionelle und zeitgeschichtliche Umfeld, auf dessen Hintergrund beide "Bewegungen" als Reformen dargestellt werden. Auch hier zeigt sich die Problematik einer Betrachtung der beiden "Bewegungen" unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt. Was für das Berufungsverständnis des Franziskus und für die durch ihn ausgelöste Erneuerung des monastischen Lebens gilt, eignet sich kaum als Begriff für den von Buddha verkündeten Dhamma. Das zeigt sich in der für beide behaupteten "Begründungsstruktur". In ihr "wird das Diesseits überschritten. Das Jenseits ist begründend" (90). Eben dieser Jenseitsbezug ist für Buddha nicht nur bedeutungslos, sondern ein Hindernis auf dem von ihm gewiesenen Weg. Die Radikalität, mit der er jeder Art von Jenseitsbezug brahmanischer Tradition den Abschied gab, lässt darum den Begriff einer bloßen Reform als untauglich erscheinen. Die franziskanische Erneuerung dagegen verstand sich, wie der Vf. einleitend immer wieder herausstellt, als "katholisch" im Sinne eines innerkirchlichen Aufbruchs. Gleiche Vorbehalte sind gegenüber der Feststellung anzumelden, dass es sich in beiden Fällen um einen "neuen Weltbezug" handelt. "Die Welt soll nach einer transzendentalen Vision neu geformt werden" (91). Nichts lag dem Buddha ferner als Weltveränderung.

In weiteren Kapiteln werden die Anfänge, der Aufbau und die Strukturen des buddhistischen Sangha und des Minderbrüderordens behandelt. Dadurch, dass der Vf. die Quellen jeweils für sich sprechen lässt und darauf verzichtet, selber darüber vergleichende Betrachtungen anzustellen, bleibt die "Institutionalisierung" beider Bewegungen in sich deutlich unterscheidbar.

Ein besonderes Thema wird unter der Überschrift "Der Lohn des Weltentsagers" aufgenommen. Es behandelt das Verhältnis beider Gestalten zum Tod allgemein und die Berichte über ihr Sterben.

Der zweite, wesentlich kürzere "analytische Teil" der Arbeit 278-311) bringt eine Zusammenfassung der beiden "geistlichen Wege" ihrer Gründergestalten, der Institutionen von Sangha und Orden sowie deren Praxis und "Ideale". Auch hier wird der Vf. den unterschiedlichen Inhalten gerecht, sofern er auf übergreifende, gemeinsame Kategorien verzichtet. Als Beispiel sei auf die Verwendung des Begriffs des "Eschaton" verwiesen. Es eignet sich eben nicht, um das Ziel ("Lohn") der beiden spirituellen Wege zusammenzufassen ("Durch spirituelle Übung werden der Bhikku und der Mindere Bruder umgeformt nach dem Abbild des Eschaton" (294). Mit Recht stellt darum der Vf. diese Gemeinsamkeit selber anschließend in Frage ("Das Eschaton selbst jedoch, das beide anstreben, ist grundverschieden" - "... auf der einen Seite das Nibbâna ... auf der anderen Seite die Gemeinschaft mit Gott").

Gerade letzteres Beispiel kann - anstelle anderer für ähnliche thematische Verfremdungen - der Beurteilung der Arbeit im Ganzen dienlich sein. Sie bietet in ihren je für sich abgehandelten Teilen zum Buddhismus und zur franziskanischen Bewegung, ihren Stiftergestalten und Ordensgründungen informative Einzelstudien. Die sorgfältige Untergliederung der einzelnen Abschnitte erleichtert die Lektüre und empfiehlt diese Arbeit als Studienbuch. Das Bemühen, für die von Hause aus unterschiedlichen Inhalte gemeinsame Oberthemen zu finden oder theologische Grundbegriffe zu benutzen, führt zu Unschärfen und bleibt missverständlich. Der Vf. will einen Beitrag leisten zu einer "spirituellen Theologie der Religionen" (301 ff.). Aus der Erfahrung seiner eigenen franziskanischen Frömmigkeit heraus vermag er diejenigen Elemente zur Sprache zu bringen, die auf buddhistischer Seite in ihrer Andersartigkeit Entsprechungen darstellen. Der abschließend genannten Zielsetzung für eine dialogische Theologie der Religionen, zu der diese Arbeit beitragen will, ist uneingeschränkt zuzustimmen: "Im Dialog mit anderen Religionen kann und muß das Christentum das spezifisch Christliche lernen" (309).