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Ausgabe:

Dezember/1998

Spalte:

1228 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Bohlen, Reinhold [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Dominikus von Brentano 1740-1797. Publizist, Aufklärungstheologe, Bibelübersetzer.

Verlag:

Trier: Paulinus 1997. 308 S. m. 7 Abb. gr.8. Lw. DM 78,-. ISBN 3-7902-0176-6.

Rezensent:

Wolfgang Erich Müller

Die katholische Aufklärung gehört zu den weniger beachteten Forschungsgebieten. Um so verdienstvoller ist es, daß Reinhard Bohlen, Biblischer Theologe in Trier, mit sechs weiteren Autoren den vergessenen katholischen Aufklärungstheologen Dominikus von Brentano wieder ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Die Bedeutung Brentanos wird sofort deutlich, wenn man weiß, daß er 1790/91 bzw. 1794 die erste Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen für den katholischen Bereich vorgelegt und anschließend auch Pentateuch, Psalter und Proverbia übersetzt hat. Die Übertragung des NT mit ihren Paraphrasierungen und Erläuterungen hat eine große Kontroverse ausgelöst, die Alois Knoller in einem ausführlichen und ausgezeichneten Beitrag darlegt (121-204). Er macht sehr gut nachvollziehbar, welch große Verunsicherung für konservative katholische Theologen das Abweichen von der Vulgata, die Rezeption der protestantischen Textkritik, aber auch des Deismus mit sich gebracht hat. Die Konsequenzen dieser Rezeption für die Gotteslehre, die Auffassung der Rechtfertigung, der Kirche und der Sakramente werden deutlich. Trotz aller zeitbedingter Kritik hat Brentanos Bibelausgabe mit 300.00 Exemplaren in 30 Jahren einen großen Erfolg gehabt.

Dem Leben und Wirken Brentanos ist ein informativer Beitrag von Reinhold Bohlen gewidmet (13-43), Alois Stadler beschreibt einmal die Familie Brentano in ihrem Herkunftsort Rapperswil (45-82) und geht dann noch in einem weiteren Aufsatz den Geistlichen der Familie nach (83-90). Da Brentano von 1772 bis 1794 als Hofkaplan und Geistlicher Sekretär im Fürststift Kempten gewirkt hat, untersucht Gerhard Immler das Verhältnis von katholischer Aufklärung und Staatskirchentum in der Fürstabtei Kempten (91-107), während Franz-Rasso Böck den Beitrag der Aufklärung zur Überwindung konfessioneller Schranken in Kempten herausarbeitet (91-107). Norbert Wolff stellt die Tendenzen protestantischer und katholischer Bibelwissenschaften nebeneinander und kommt zu dem Ergebnis, daß die meisten Versuche als gescheitert angesehen werden müssen, im Rahmen katholischer Theologie aufgeklärte Bibelwissenschaften zu betreiben (205-227). Gleichwohl geht Bernhard Schneider in einer systematischen Reflexion anschließend dem Begriff einer katholischen Aufklärung nach (229-246). Er arbeitet heraus, daß es sich hierbei um eine uneinheitliche Bewegung handelt, "die ein Projekt der ’Verheutigung des Glaubens’ unternommen hat" (239) und von dem Bemühen getragen war, die Theologie in einer wissenschaftlich und ökonomisch veränderten Welt sprachfähig zu halten. Mit dieser Bestimmung ordnet er die katholische Aufklärung in den Rahmen von Aufklärung im allgemeinen ein, wobei er keinen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Katholizismus und Aufklärung annehmen will, sondern sie in den nachtridentinischen Reformbemühungen verortet. In diesem Sinn handelt es sich bei der katholischen Aufklärung um Antwortversuche, den Glauben zeitgemäß auszusagen. Hierin sieht Schneider ihren Grund und ihre Berechtigung. Der Band wird abgeschlossen durch das Verzeichnis der selbständig publizierten Schriften Brentanos (247-251) und "Das letzte Wort über die Brentanoische Bibelübersetzung" (253-305), das Brentano 1793 veröffentlicht hat und in der er seine Übersetzungen rechtfertigt, aber auch herausstellt, daß er weder der Bibel noch dem Glauben Gewalt angetan hat.

Als Fazit läßt sich festhalten, daß Bohlen mit dem von ihm herausgegebenen Band einen wichtigen Beitrag und hoffentlich viele daraus folgende Anregungen zur Erforschung einer Epoche gegeben hat, die gegenwärtig nicht im theologischen Rampenlicht steht, deren Bedeutung aber, über alle historischen Bezüge hinaus, nicht so gering zu veranschlagen ist, wie es häufig gegenwärtig geschieht, da sie sich bemüht, Glauben zeitgerecht auszusagen. Mit diesem Bestreben geht ein auch für diese Zeit wichtiger Impuls von der Aufklärungstheologie aus, den die Theologie für ihre Gegenwartsnähe benötigt.