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Ausgabe:

Juni/2000

Spalte:

655 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Weigel, Valentin

Titel/Untertitel:

Der güldene Griff. Kontroverse um den ,Güldenen Griff'. Vom judicio im Menschen. Hrsg. u. eingel. von H. Pfefferl.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann 1997. LXIII, 169 S. m. zahlr. Abb. gr.8 = Valentin Weigel - Sämtliche Schriften, 8. Lw. DM 370,-. ISBN 3-7728-1847-1.

Rezensent:

Ernst Koch

Die in Band 3 der Ausgabe (vgl. ThLZ 124, 1999, 294 f.) in Aussicht gestellte rasche Folge des nächsten Bandes der Ausgabe hat sich verwirklichen lassen. Mit dem neuen Band werden drei weitere Weigel-Schriften ediert, die inhaltlich und zeitlich zusammengehören und der Erkenntnistheorie Weigels einschließlich ihrer wohl frühesten Diskussion im Freundeskreis des Autors gewidmet sind: "Der güldene Griff" (1578), ein handschriftlicher Anhang zu der in Leiden befindlichen Handschrift dieser Schrift (entstanden zwischen 1581 und 1583) und "XV Capita vom judicio im Menschen und Apfelbiß", dessen Text teilweise mit dem "Güldenen Griff" identisch, jedoch bisher nicht datierbar ist. Der Hg. setzt seine Entstehung "sehr spät" an (XLIX).

In der Einleitung zu dem an zweiter Stelle genannten Text wird Johannes Albergius (1543-1619) als Kontrahent Weigels vorgestellt, der einen deutlich anderen Zugang zum Erkenntnisgewinn vertrat als Weigel, von diesem aber "sehr schonend" (XLI) behandelt wurde. Wollte der Zschopauer Pfarrer die Objekte sich ausschließlich durch das innere Auge des Erkennenden konstituieren lassen, plädierte sein Gesprächspartner für die Notwendigkeit eines äußeren Objekts (Albergius nennt es Subiectum), "sie müssen beyhauff keynes ohne das ander sein, sonst ist nichts" (105). Die Lösung ergab sich für Weigel durch die Methode einer Combinatio Contradictorum, zu der er sich wohl durch Nicolaus Cusanus anregen ließ.

Die Edition ist wiederum mit großer Sorgfalt gearbeitet. Sie kann sich in der Textkonstitution auf teilweise auf Weigel selbst und vermutlich seinen Diakon Benedikt Biedermann zurückgehende handschriftliche Überlieferung stützen (vgl. die Faksimile-Wiedergaben der Handschriften, XIV-XVII). Aus der Schrift "Vom iudicio im Menschen" sind in der gesonderten Edition nur die Eigentexte aufgenommen, die Lesarten der mit dem "Güldenen Griff" gemeinsamen Kapitel wurden in die Edition dieser Schrift eingearbeitet. Dass der Hg. in der Erörterung der Entstehungsgeschichte des in mehrfacher Hinsicht rätselhaften Textes zur Vorsicht mahnt und seine 1991 geäußerte Deutung nochmals zur Diskussion stellt, spricht für den kritischen Blick, mit dem er an den Schriften Weigels und ihrer Rezeptionsgeschichte weitergearbeitet hat. In gleiche Richtung weisen Bemerkungen in der Einleitung zum "Güldenen Griff", die dafür plädieren, das Bild von Weigels schriftstellerischer Tätigkeit weiterhin offen zu halten (XLIV f.).

Dagegen erweitert die Edition die Erkenntnis der literarischen Abhängigkeiten Weigels selbst. Mag mancher Nachweis nicht ganz überraschend sein (so der zu Sebastian Franck, XXXVII f.), so kommt mit dem Zusammentreffen von Quellen spiritualistischer Provenienz, Luthers und der lutherisch-melanchthonischen Bekenntnistradition die andere Seite des kursächsischen Pfarrers zum Vorschein und ruft nach Deutung.

Die vorliegende Edition dient somit der Ermutigung, im kritischen Umgang mit den Texten Weigels Fragen offen zu halten und damit der Forschung Anregung zu vermitteln. Dieser Band der Weigel-Edition bestätigt den Eindruck, dass mit dem Unternehmen, dem Horst Pfefferl sich gewidmet hat, der kritischen Erkundung des nachreformatorischen Spiritualismus ein hervorragendes Instrument zur Verfügung steht. Dafür gebührt dem Hg. nachdrücklich Dank.

Bemerkt sei noch, dass die Notierung des Siglenverzeichnisses zum bisher bekannten weigelschen Textkorpus sowie das Verzeichnis der Handschriften und Drucke (LII-LVII) für den Benutzer hilfreich ist.